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HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 109

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 279/07, Beschluss v. 11.12.2007, HRRS 2008 Nr. 109


BGH 4 StR 279/07 - Beschluss vom 11. Dezember 2007 (LG Zweibrücken)

Berücksichtigung verjährter Untreuevorwürfe bei der Strafzumessung und Ausschluss des Beruhens; redaktioneller Hinweis.

§ 266 StGB; § 46 StGB; § 78 StGB; § 354 Abs. 1, Abs. 1a StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Zweibrücken vom 18. Dezember 2006 werden

a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen 1, 4 und 5 der Urteilsgründe wegen Untreue verurteilt worden ist; insoweit werden die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt;

b) das genannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Untreue in 31 Fällen schuldig ist.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die übrigen Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 34 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und ihm die Ausübung seines Berufes als Rechtsanwalt für die Dauer von fünf Jahren verboten. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Einstellung des Verfahrens in den Fällen 1, 4 und 5 der Urteilsgründe und zur entsprechenden Änderung des Schuldspruchs. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Vergehen der Untreue, die der Angeklagte im Januar 2000 begangen hat (Fälle 1, 4 und 5 der Urteilsgründe), sind verjährt. Die fünfjährige Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) war zum Zeitpunkt der Anklageerhebung am 4. Februar 2005 bereits abgelaufen. Die Anordnung der Durchsuchung der Kanzleiräume des Angeklagten und der Wohnung der Geschädigten Inge E. durch das Amtsgericht Zweibrücken vom 27. April 2004 hat hinsichtlich der vorgenannten Taten zum Nachteil des Geschädigten Heinrich E. keine die Verjährung gemäß § 78 c Abs. 1 Nr. 4 StGB unterbrechende Wirkung. Der hierfür maßgebliche Verfolgungswille der Strafverfolgungsbehörden (vgl. BGH NStZ 2000, 427) richtete sich nach dem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts allein auf Untreuehandlungen des Angeklagten zum Nachteil der Geschädigten Inge E. in der Zeit ab Mai 2000. Auch in der Akteneinsichtsgewährung an den Verteidiger des Angeklagten im Mai und im Oktober 2004 liegt keine wirksame Verjährungsunterbrechung hinsichtlich der vorgenannten drei Taten zum Nachteil des Geschädigten Heinrich E. Zwar kann in der Gewährung der Akteneinsicht zugleich die Bekanntgabe einer Verfahrenseinleitung im Sinne von § 78 c Abs. 1 Nr. 1 StGB liegen (vgl. BGH NStZ 2000, 427; BGHR StGB § 78 c Abs. 1 Nr. 1 - Bekanntgabe 2). Dies gilt jedoch nur, wenn aus den Umständen klar ersichtlich wird, dass die dem Verteidiger gewährte Akteneinsicht zur Information des Beschuldigten über Existenz, Inhalt und Umfang des Ermittlungsverfahrens dienen soll und auch tatsächlich gedient hat. Dass sich der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft entgegen der sich aus der Durchsuchungsanordnung ergebenden Beschränkung auch auf die vom Angeklagten im Januar 2000 zum Nachteil des Geschädigten Heinrich E. begangenen Taten erstreckte, lässt sich den zum Zeitpunkt der Gewährung der Akteneinsicht vorhandenen Aktenteilen jedoch nicht entnehmen.

Die danach gebotene Einstellung des Verfahrens hinsichtlich der Fälle 1, 4 und 5 der Urteilsgründe führt zur Änderung des Schuldspruchs dahin, dass der Angeklagte der Untreue in 31 Fällen schuldig ist. Der Wegfall der in diesen Fällen verhängten Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr, vier Monaten und drei Monaten lässt den Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe unberührt. Der Senat schließt im Hinblick auf die verbleibenden 31 Einzelstrafen (Einsatzstrafe: drei Jahre Freiheitsstrafe) aus, dass das Landgericht daraus eine niedrigere Gesamtstrafe gebildet hätte, zumal bei der Strafzumessung auch die drei verjährten Fälle der Untreue - wenn auch mit geringerem Gewicht - berücksichtigt werden konnten.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO. Trotz des Teilerfolges ist es nicht unbillig, den Angeklagten selbst mit seinen notwendigen Auslagen voll zu belasten.


[Redaktioneller Hinweis: Zur hoch problematischen Strafschärfung auf Grund von verjährten Straftaten vgl. m.w.N. Gaede StraFo 2002, 99 ff.]

HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 109

Externe Fundstellen: NStZ 2008, 214

Bearbeiter: Karsten Gaede