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HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 973

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 340/06, Beschluss v. 11.10.2006, HRRS 2006 Nr. 973


BGH 4 StR 340/06 - Beschluss vom 11. Oktober 2006 (LG Detmold)

Strafvereitelung (Selbstbegünstigungsprivileg); uneidliche Falschaussage; Aussagenotstand (Erörterungsmangel).

§ 258 Abs. 5 StGB; § 153 StGB; § 157 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Dass die Absicht, die Gefahr einer Bestrafung von sich abzuwenden, der einzige oder wesentliche Beweggrund für die falsche Aussage war, setzt § 157 StGB nicht voraus (vgl. BGHR StGB § 157 Abs. 1 Selbstbegünstigung 1 m.w.N.). Ebenso wenig wird § 157 StGB dadurch ausgeschlossen, dass der Angeklagte den Aussagenotstand durch seine falschen Angaben in einer früheren Vernehmung schuldhaft herbeigeführt hat (vgl. BGHSt 8, 301, 318 f.; BGH StV 1995, 249 m.w.N.).

Entscheidungstenor

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 3. April 2006

1. im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall II 4 der Urteilsgründe der falschen uneidlichen Aussage schuldig ist,

2. im Ausspruch über die im Fall II 4 der Urteilsgründe erkannten Einzelstrafe und im Gesamtstrafenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen falscher uneidlicher Aussage in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung, wegen Betruges und wegen mittelbarer Falschbeurkundung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge führt zur Änderung des Schuldspruchs im Fall II 4 der Urteilsgründe dahin, dass die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener versuchter Strafvereitelung entfällt.

2 Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte vor der Falschaussage beim Ermittlungsrichter am 25. April 2005 bereits bei seiner richterlichen Vernehmung vom 13. Oktober 2000 als Zeuge zugunsten seines Freundes F. falsch ausgesagt. Dadurch hatte er sich der falschen uneidlichen Aussage in Tateinheit mit vollendeter (vgl. Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 258 Rdn. 5) Strafvereitelung strafbar gemacht. Diese Strafbarkeit wäre im Fall wahrheitsgemäßer Angaben bei der zweiten richterlichen Vernehmung aufgedeckt worden. Insoweit greift zugunsten des Angeklagten die Vorschrift des § 258 Abs. 5 StGB ein, wonach wegen Strafvereitelung nicht bestraft wird, wer durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, dass er selbst bestraft wird.

2. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der im Fall II 4 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe. Darüber hinaus kann diese Einzelstrafe auch deswegen keinen Bestand haben, weil die Urteilsgründe nicht erkennen lassen, dass die Strafkammer das Vorliegen eines Aussagenotstands nach § 157 Abs. 1 StGB geprüft hat. Hätte der Angeklagte bei seiner zweiten richterlichen Vernehmung wahrheitsgemäß ausgesagt, so hätte er sich zugleich der bei der ersten richterlichen Vernehmung begangenen uneidlichen Falschaussage in Tateinheit mit Strafvereitelung bezichtigen müssen, von der ein strafbefreiender Rücktritt nicht mehr in Betracht kam. Es ist daher nicht auszuschließen, dass der Angeklagte bei seiner Falschaussage vom 25. April 2005 auch das Ziel der Selbstbegünstigung verfolgte. Dass die Absicht, die Gefahr einer Bestrafung von sich abzuwenden, der einzige oder wesentliche Beweggrund für die falsche Aussage war, setzt § 157 StGB nicht voraus (vgl. BGHR StGB § 157 Abs. 1 Selbstbegünstigung 1 m.w.N.). Ebenso wenig wird § 157 StGB dadurch ausgeschlossen, dass der Angeklagte den Aussagenotstand durch seine falschen Angaben in einer früheren Vernehmung schuldhaft herbeigeführt hat (vgl. BGHSt 8, 301, 318 f.; BGH StV 1995, 249 m.w.N.).

Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe von der Höhe der aufgehobenen Einzelstrafe beeinflusst ist; er hebt daher auch den Gesamtstrafenausspruch auf.

HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 973

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2007, 40; StV 2007, 131

Bearbeiter: Karsten Gaede