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HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 871

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 223/06, Beschluss v. 25.07.2006, HRRS 2006 Nr. 871


BGH 4 StR 223/06 - Beschluss vom 25. Juli 2006 (LG Rostock)

Anordnung des (Wertersatz-)Verfalls (Ausschluss durch Existenz von Verletztenansprüchen: unmögliche Ermittlung der Geschädigten).

§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB; § 354 Abs. 1 b StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Ist dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch gegen den Täter oder Teilnehmer erwachsen, dessen Erfüllung diesem den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde, so ist die Anordnung des Verfalls und des Wertersatzverfalls gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB grundsätzlich allein schon durch die Existenz dieser Forderung ausgeschlossen, ohne dass es darauf ankommt, ob der Verletzte bekannt ist, er den Täter oder Teilnehmer tatsächlich in Anspruch nimmt oder hiermit zumindest noch zu rechnen ist (vgl. etwa BGH NStZ 1984, 409 f.; NStZ-RR 2004, 242, 244; 2006, 138).

2. Der Anwendbarkeit des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB steht nach der derzeitigen Gesetzeslage und dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht entgegen, dass die durch die Taten des Angeklagten Geschädigten nicht ermittelt werden konnten und deren Feststellung auch künftig nicht zu erwarten, mithin mit der Geltendmachung und Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen den Angeklagten nicht zu rechnen ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2006 - 3 StR 41/06).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 13. Dezember 2005, soweit es ihn betrifft, aufgehoben

a) im Ausspruch über den Verfall des Wertersatzes in Höhe von 16.000 Euro; die Anordnung entfällt;

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Außerdem hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 16.000 Euro angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt lediglich zur Aufhebung der Verfallsanordnung und des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Anordnung des (Wertersatz-)Verfalls hält im Hinblick auf § 73 Abs. 1 Satz 2 StPO rechtlicher Prüfung nicht stand.

Ist dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch gegen den Täter oder Teilnehmer erwachsen, dessen Erfüllung diesem den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde, so ist die Anordnung des Verfalls und des Wertersatzverfalls gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB grundsätzlich allein schon durch die Existenz dieser Forderung ausgeschlossen, ohne dass es darauf ankommt, ob der Verletzte bekannt ist, er den Täter oder Teilnehmer tatsächlich in Anspruch nimmt oder hiermit zumindest noch zu rechnen ist (vgl. etwa BGH NStZ 1984, 409 f.; NStZ-RR 2004, 242, 244; 2006, 138).

So verhält es sich hier. Dass den durch die Hehlereitaten Verletzten Ansprüche gegen den Angeklagten entstanden sind, liegt auf der Hand. Der Anwendbarkeit des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB steht nach der derzeitigen Gesetzeslage und dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht entgegen, dass die durch die Taten des Angeklagten Geschädigten nicht ermittelt werden konnten und deren Feststellung auch künftig nicht zu erwarten, mithin mit der Geltendmachung und Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen den Angeklagten nicht zu rechnen ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2006 - 3 StR 41/06).

Da weiter gehende Feststellungen, etwa zum Vorliegen einer Ausnahme von den oben dargelegten Grundsätzen (vgl. hierzu BGH aaO), nicht zu erwarten sind, hat der Senat die Verfallsanordnung in Wegfall gebracht.

2. Auch der Gesamtstrafenausspruch kann nicht bestehen bleiben. Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte am 5. Februar 2004 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde (UA 5). Zum Stand der Vollstreckung oder zu einem Erlass der Strafe teilt das Urteil nichts mit. Die verfahrensgegenständlichen Taten beging der Angeklagte in der Zeit vom 26. Oktober 2002 bis zum 18. November 2002 (UA 15) und damit vor der Verurteilung vom 5. Februar 2004. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass mit den Einzelstrafen aus dem vorliegenden Verfahren und der Strafe aus dem früheren Urteil eine nachträgliche Gesamtstrafe nach § 55 StGB zu bilden gewesen wäre.

Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, nach § 354 Abs. 1 b StPO zu entscheiden, der bei Rechtsfehlern, die ausschließlich die Bildung einer Gesamtstrafe betreffen, die Möglichkeit eröffnet, den neuen Tatrichter auf eine Entscheidung im Beschlusswege gemäß §§ 460, 462 StPO zu verweisen. Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung obliegt somit dem nach § 462 a Abs. 3 StPO zuständigen Gericht (vgl. BGH NJW 2004, 3788).

3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Kostenentscheidung ist im vorliegenden Fall nicht dem Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO vorzubehalten, weil sicher abzusehen ist, dass das Rechtsmittel des Angeklagten insgesamt nur einen geringfügigen Teilerfolg haben wird, so dass der Senat die Kostenentscheidung gemäß § 473 Abs. 1 und 4 StPO selbst treffen kann.

HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 871

Bearbeiter: Karsten Gaede