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HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 1001

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 403/04, Beschluss v. 14.10.2004, HRRS 2004 Nr. 1001


BGH 4 StR 403/04 - Beschluss vom 14. Oktober 2004 (LG Halle)

Das Leben gefährdende Behandlung (Würgegriff am Hals).

§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Ein festes Würgen am Hals kann geeignet sein, eine Lebensgefährdung herbeizuführen (vgl. BGH GA 1961, 241; BGHR StGB § 223 a Abs. 1 (a.F.) Lebensgefährdung 7). Es reicht hierfür jedoch nicht jeder Griff an den Hals aus, der zu würgemalähnlichen Druckmerkmalen oder Hautunterblutungen führt. Von maßgeblicher Bedeutung sind vielmehr Dauer und Stärke der Einwirkung, die zwar nicht dazu führen muss, dass das Opfer der Körperverletzung tatsächlich in Lebensgefahr gerät, aber abstrakt geeignet sein muss, das Leben des Opfers zu gefährden (vgl. BGH NJW 2002, 3264, 3265 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 29. April 2004 - 4 StR 43/04).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle/Saale vom 16. März 2004 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und gegen ihn unter Einbeziehung einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe aus einem anderen Urteil eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verhängt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er allgemein die Verletzung sachlichen Rechts beanstandet, hat Erfolg.

Die Begründung, mit welcher das Landgericht eine gefährliche Körperverletzung wegen Vorliegens einer das Leben gefährdenden Behandlung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB bejaht hat, hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Nach den Feststellungen riß der erheblich alkoholisierte Angeklagte seine alkoholgewohnte, im Tatzeitpunkt ebenfalls stark angetrunkene Lebensgefährtin zu Boden und setzte sich rittlings auf die auf dem Rücken liegende Geschädigte. Er würgte sie "einmal mit seiner rechten Hand am Hals" (UA 11). Das Tatopfer erlitt hierdurch im Halsbereich zahlreiche punktförmige Hauteinblutungen, sowie oberflächliche Rötungen und leichte Hautschwellungen. Am Tag nach der Tat verspürte die Geschädigte leichte Schluckbeschwerden (UA 12 f.). Der rechtsmedizinische Sachverständige hat "echte Würgemale" und Hinweise auf eine Kompression des Halses der Geschädigten nicht festzustellen vermocht. Er hat ausgeführt, daß "die Intensität des Griffes schwer einzuschätzen (sei), da solche Hautunterblutungen am Hals im Falle alkoholtoxischer Gewöhnung des Opfers sehr schnell auftreten könnten". Bei Ausübung großen Druckes hätten sich deutlich schwerwiegendere Verletzungen beim Tatopfer ergeben (UA 21 f.). Das Landgericht hat sich den Ausführungen des Sachverständigen angeschlossen.

Die Wertung, der Angeklagte habe durch das Würgen das Leben des Tatopfers im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB gefährdet, wird durch diese Feststellungen nicht belegt. Zwar kann festes Würgen am Hals geeignet sein, eine Lebensgefährdung herbeizuführen (vgl. BGH GA 1961, 241; BGHR StGB § 223 a Abs. 1 (a.F.) Lebensgefährdung 7). Es reicht hierfür jedoch nicht jeder Griff an den Hals aus, der zu würgemalähnlichen Druckmerkmalen oder Hautunterblutungen führt. Von maßgeblicher Bedeutung sind vielmehr Dauer und Stärke der Einwirkung, die zwar nicht dazu führen muß, daß das Opfer der Körperverletzung tatsächlich in Lebensgefahr gerät, aber abstrakt geeignet sein muß, das Leben des Opfers zu gefährden (vgl. BGH NJW 2002, 3264, 3265 m.w.N.; Senatsbeschluß vom 29. April 2004 - 4 StR 43/04). Das Landgericht hat jedoch weder zur Dauer (UA 11) noch zur Intensität des Würgegriffs Feststellungen getroffen. Dies war hier auch nicht ausnahmsweise entbehrlich, da nach den Ausführungen des Sachverständigen wegen einer möglichen Neigung der alkoholgewohnten Geschädigten zu Hautunterblutungen aus dem festgestellten Verletzungsbild keine zuverlässigen Rückschlüsse auf Dauer oder Intensität der Einwirkung des Angeklagten auf den Halsbereich des Tatopfers gezogen werden können.

Obwohl die Darlegungen des gerichtsmedizinischen Sachverständigen eher gegen eine erhebliche Intensität des Würgegriffs des Angeklagten sprechen, kann der Senat nicht ausschließen, daß weitergehende Feststellungen, die die Tatvariante des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB belegen können, noch getroffen werden können.

HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 1001

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2005, 44

Bearbeiter: Karsten Gaede