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HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 21

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 329/03, Beschluss v. 07.10.2003, HRRS 2004 Nr. 21


BGH 4 StR 329/03 - Beschluss vom 7. Oktober 2003 (LG Hamburg)

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (Hang zum Alkoholmissbrauch).

§ 64 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 7. Mai 2003 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von der Unterbringung dieses Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.

2. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere - allgemeine - Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit zweifacher gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren sechs Monaten verurteilt.

Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, ist teilweise begründet.

Die Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Das Rechtsmittel hat jedoch insoweit Erfolg, als das Landgericht nicht geprüft hat, ob der Angeklagte gemäß § 64 StGB in einer Entziehungsanstalt unterzubringen ist.

Nach den Feststellungen ist der Angeklagte in hohem Maße alkoholgewöhnt (UA 10) und neigt unter Alkoholeinfluß zur Gewalttätigkeit (UA 3, 9). Bei der abgeurteilten Tat, bei der er als Beifahrer im Rahmen von Streitigkeiten mit seiner - jetzigen - Ehefrau absichtlich einen Frontalzusammenstoß des von ihr geführten Kraftfahrzeugs mit einem entgegenkommenden Pkw herbeiführte, wies der Angeklagte eine Blutalkoholkonzentration von maximal 3,26 ‰ (Entnahmewert 2,36 ‰) auf, die zur Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) führte (UA 5/6 und 10). Noch während des laufenden Strafverfahrens kam es zu einer - ersichtlich ebenfalls unter Alkoholisierung begangenen - weiteren Tätlichkeit des Angeklagten gegen die Geschädigte (UA 3). Wegen seines nach wie vor "regelmäßigen" Alkoholkonsums ist die Strafkammer von einer negativen Sozialprognose ausgegangen (UA 14).

Diese Feststellungen legen einen Hang des Angeklagten zum Alkoholmißbrauch, einen symptomatischen Zusammenhang des Hangs mit der Tat und die Besorgnis weiterer alkoholbedingter Gewalttaten in der Zukunft nahe. Daß bei dem Angeklagten die hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolges nicht besteht (vgl. BVerfGE 91, 1 ff. = NJW 1995, 1077 ff.), ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Das Landgericht hätte daher - nach Anhörung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - darlegen müssen, warum es gleichwohl von der Unterbringung abgesehen hat (vgl. BGHSt 37, 5, 7; BGHR StGB § 64 Ablehnung 5, Anordnung 1 und § 64 Abs. 1 Erfolgsaussicht 4; NStZ 1994, 286; BGH, Beschluß vom 6. März 2002 - 4 StR 13/02). Daß nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGHSt 37, 5, 9).

Der aufgezeigte Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung des Urteils nur, soweit die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Der Senat schließt aus, daß das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Der Strafausspruch kann daher bestehen bleiben.

Der Senat verweist die Sache, nachdem § 74 Abs. 2 Nr. 4 oder 5 GVG nicht mehr einschlägig ist, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück (vgl. BGH NJW 1994, 3304, 3305 m.w.N.).

HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 21

Bearbeiter: Ulf Buermeyer