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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 423/02, Urteil v. 06.02.2003, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 4 StR 423/02 - Urteil vom 6. Februar 2003 (LG Frankenthal)

Vernehmung einer Vertrauensperson (Unerreichbarkeit; Sperrerklärung; audiovisuelle Vernehmung); Bestechung; Vorteilsannahme (Unrechtsvereinbarung; Bestimmtheit; überspannte Anforderungen); Beweiswürdigung (Darlegungsanforderungen beim Freispruch).

§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO; § 54 StPO; § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO; § 331 StGB; § 332 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Ein Zeuge ist nicht unerreichbar, wenn die Verteidigung im Beweisantrag eine bestimmte Person unter Angabe einer ladungsfähigen Anschrift als Zeuge benannt hatte. Die Vernehmung eines Zeugen ist nicht schon deshalb unzulässig, weil er mit der Vertrauensperson identisch ist, deren Identität die zuständige Innenbehörde unter Berufung auf § 96 StPO nicht hat preisgeben wollen. Auch eine rechtmäßige Sperrerklärung führt nicht zu einem Beweisverbot, sondern bedeutet nur, dass das mit der Sache befaßte Gericht die Weigerung der Behörde, die Identität eines Zeugen zu offenbaren, hinnehmen muss. Kennt das Gericht aber aus sonstigen Erkenntnisquellen die Identität des Zeugen, steht seiner Ladung und Vernehmung die Sperrerklärung nicht entgegen. Dies gilt auch dann, wenn in einem Beweisantrag eine bestimmte Person benannt ist und diese mit der Vertrauensperson identisch sein kann, auf die sich die vorliegende Sperrerklärung bezieht (vgl. BGHSt 39, 141, 144 f.).

2. Von der Vernehmung eines solchen namentlich genannten Zeugen darf jedoch abgesehen werden, soweit durch die Vernehmung Gefahr für Leib oder Leben des Zeugen droht. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hat das Gericht in eigener Verantwortung zu prüfen (vgl. BGH aaO S. 145).

3. Spricht das Gericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen frei, so sind die der Beweiswürdigung zugrundeliegenden wesentlichen Erwägungen in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise in den Urteilsgründen darzulegen (vgl. BGHSt 37, 21, 22). Die Anforderungen an eine umfassende Würdigung der festgestellten Tatsachen sind beim freisprechenden Urteil nicht geringer als im Fall der Verurteilung. Hat der Tatrichter die zur Verurteilung erforderliche Überzeugung vom Vorliegen eines äußeren oder inneren Tatmerkmals nicht gewonnen, müssen die Urteilsgründe in überprüfbarer Weise belegen, dass er die für die Schuld des Angeklagten sprechenden Beweisergebnisse ebenso wie entgegenstehende in ihrer Bedeutung zutreffend gewertet hat und dass die Anwendung des Zweifelssatzes auf der Grundlage einer umfassenden Gesamtwürdigung dieser Ergebnisse erfolgt ist (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11).

4. Zur Verurteilung wegen Vorteilsannahme gemäß § 331 StGB a.F. genügt nicht schon die Feststellung der Annahme eines Vorteils durch den Amtsträger, und zwar auch dann nicht, wenn die Zuwendung mit Rücksicht auf seine Dienststellung oder aus Anlass oder bei Gelegenheit einer Amtshandlung erfolgt (vgl. BGHSt 39, 45, 46; BGH NStZ 1984, 24). Die Anforderungen an die Bestimmtheit der zu entgeltenden Diensthandlungen dürfen aber namentlich dann, wenn der Amtsträger den Vorteil um eines künftigen Verhaltens willen erhält, nicht überspannt werden. Es genügt, wenn unter den Beteiligten Einverständnis besteht, dass der Amtsträger innerhalb eines bestimmten Aufgabenbereichs oder Kreises von Lebensbeziehungen nach einer gewissen Richtung hin tätig werden soll und die ins Auge gefaßte Diensthandlungen dabei nach ihrem sachlichen Gehalt mindestens in groben Umrissen erkennbar und festgelegt ist (st. Rspr.: BGHSt 39, 45, 46/47; BGH NStZ 1999, 561). Für die Annahme dieser Voraussetzungen kann von Bedeutung sein, ob der Amtsträger nur für einen beschränkten Aufgabenkreis zuständig ist, welcher Art die Beziehungen des Vorteilsgebers zu der Dienststelle des Amtsträgers sind und ob die Interessen des Vorteilsgebers sich dem Aufgabenbereich des Amtsträgers zuordnen lassen (vgl. BGH aaO).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 18. März 2002, soweit er wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses (Fall 19 der Anklageschrift) verurteilt worden ist, und im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbenannte Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte in den Fällen 5 bis 17 der Anklageschrift freigesprochen worden ist.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Strafvollstreckungsvereitelung und wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses zu einer Gesamtgeldstrafe von 160 Tagessätzen zu 64 ? verurteilt. Hinsichtlich des Vorwurfs des unerlaubten Erwerbs von Munition hat es das Verfahren (wegen Verjährung) eingestellt; im übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen.

Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision gegen den Freispruch in den Fällen 5 bis 17 der Anklageschrift.

Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge teilweise Erfolg. Die Staatsanwaltschaft hat mit ihrer Revision in vollem Umfang Erfolg.

I.

Revision des Angeklagten

1. Soweit sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung wegen einer Verletzung des Dienstgeheimnisses (Fall 19 der Anklageschrift) wendet, hat sein Rechtsmittel mit einer Verfahrensrüge Erfolg, mit der die Ablehnung der von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung beantragten Vernehmung einer angeblichen Vertrauensperson als Zeuge beanstandet wird.

a) Nach den bisherigen Feststellungen erhielt der Angeklagte im Jahre 1998 von seiner Ehefrau, einer Kriminalbeamtin in L., Informationen über ein Ermittlungsverfahren gegen S., ein mit ihm befreundetes Mitglied der Rockergruppe "Bones", und gab die Informationen an S. weiter. Insoweit hat das Landgericht seine Überzeugung im wesentlichen auf die durch die Vernehmung des Kriminalhauptkommissars N. als Zeugen in die Hauptverhandlung eingeführten Bekundungen einer Vertrauensperson bei ihrer polizeilichen Vernehmung am 7. August 1998 gestützt.

In der Hauptverhandlung am 13. Februar 2002 beantragte der Verteidiger des Angeklagten zum Beweis der Tatsache, daß der Zeuge N. die Aussage der Vertrauensperson unzutreffend wiedergegeben habe und daß die Vertrauensperson die in dem Beweisantrag näher bezeichneten Angaben nicht gemacht habe, die Vernehmung von P. als Zeugen. Bei dem benannten Zeugen handele es sich um die von dem Zeugen N. vernommene Vertrauensperson.

In der Hauptverhandlung am 1. März 2002 wurde eine Sperrerklärung des Ministeriums des Innern und für Sport "hinsichtlich einer Vertrauensperson des Polizeipräsidiums Rheinpfalz" verlesen. Der Verteidiger des Angeklagten beantragte sodann, eine audiovisuelle Vernehmung des Zeugen P. durchzuführen. Das Landgericht wies den "Antrag auf Vernehmung des Zeugen P. " zurück und führte in der Begründung des Beschlusses u.a. aus: "Bei einer Vernehmung des Zeugen P. müßte dieser bei wahrheitsgemäßer Beantwortung der Frage, ob er die VP sei, möglicherweise dies bejahen. Insoweit besteht für die VP aber keine Aussagegenehmigung. Diese ist durch Schreiben des Ministeriums des Innern und für Sport vom 01.03.2002 verweigert worden. Die Sperrerklärung gilt fort und der Zeuge ist unerreichbar. Diese Gründe gelten auch für die beantragte Videoüberwachung. Auch in diesem Fall besteht die Gefahr einer Enttarnung."

b) Die Ablehnung der Vernehmung des Zeugen P. hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Soweit das Landgericht auf das Fehlen einer Aussagegenehmigung für den Zeugen abstellt, wäre die Beweiserhebung allerdings unzulässig (§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO), wenn hinsichtlich seiner Vernehmung ein Beweiserhebungsverbot nach § 54 StPO bestünde. Auch wenn P., wie in dem Beweisantrag behauptet, die vom Zeugen N. vernommene Vertrauensperson wäre, stünde aber § 54 StPO seiner Vernehmung nicht entgegen. Die Annahme des Landgerichts, durch Schreiben des Ministeriums des Innern und für Sport sei eine Aussagegenehmigung für die Vertrauensperson verweigert worden, findet in der verlesenen Sperrerklärung keine Stütze. Vielmehr wird darin lediglich die für die Führer der Vertrauensperson erteilte Aussagegenehmigung dahin beschränkt, daß Fragen, die zur Identifizierung der Vertrauensperson führen können, nicht beantworten dürfen. Zudem lassen sich weder der Sperrerklärung noch der Begründung der Beweisanträge Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß es sich bei dem Zeugen, einem Mitglied der Rockergruppe, um einen der Verschwiegenheitspflicht unterliegenden öffentlich Bediensteten handeln könnte.

Rechtsfehlerhaft ist auch die Annahme des Landgerichts, der Zeuge P. sei unerreichbar (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO), da die Verteidigung im Beweisantrag eine bestimmte Person unter Angabe einer ladungsfähigen Anschrift als Zeuge benannt hatte. Die Vernehmung eines Zeugen ist nicht schon deshalb unzulässig, weil er mit der Vertrauensperson identisch ist, deren Identität die zuständige Innenbehörde unter Berufung auf § 96 StPO nicht hat preisgeben wollen. Auch eine rechtmäßige Sperrerklärung führt nicht zu einem Beweisverbot, sondern bedeutet nur, daß das mit der Sache befaßte Gericht die Weigerung der Behörde, die Identität eines Zeugen zu offenbaren, hinnehmen muß. Kennt das Gericht aber aus sonstigen Erkenntnisquellen die Identität des Zeugen, steht seiner Ladung und Vernehmung die Sperrerklärung nicht entgegen. Dies gilt auch dann, wenn in einem Beweisantrag eine bestimmte Person benannt ist und diese - wie hier - mit der Vertrauensperson identisch sein kann, auf die sich die vorliegende Sperrerklärung bezieht (vgl. BGHSt 39, 141, 144 f.). Von der Vernehmung eines solchen namentlich genannten Zeugen darf jedoch abgesehen werden, soweit durch die Vernehmung Gefahr für Leib oder Leben des Zeugen droht. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hat das Gericht in eigener Verantwortung zu prüfen (vgl. BGH aaO S. 145). Diese Prüfung hat das Landgericht jedoch - wie die Revision zu Recht beanstandet - nicht vorgenommen.

Die aus den vorgenannten Gründen rechtsfehlerhafte Ablehnung des Beweisantrages führt zur Aufhebung der Verurteilung im Fall 19 der Anklageschrift und des Ausspruchs über die Gesamtstrafe.

2. Soweit sich der Angeklagte mit weiteren Verfahrensrügen und der Sachrüge gegen die Verurteilung wegen versuchter Strafvollstreckungsvereitelung (Fall 1 der Anklageschrift) wendet, ist sein Rechtsmittel aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.

II.

Revision der Staatsanwaltschaft

Der von der Staatsanwaltschaft angefochtene Freispruch in den Fällen 5 bis 17 der Anklageschrift hat keinen Bestand.

1. Nach den Feststellungen hatte sich der Angeklagte, der im Tatzeitraum 1996 bis Juli 1998 bei der Kriminalpolizei in S. stellvertretender Kommissariatsleiter war, jahrelang dienstlich mit der Rockergruppe Motorradclub "Bones", die sich Ende der 90iger Jahre mit dem Motorradclub "Hell's Angels" zusammenschloß, beschäftigt und sämtliche ihm zugänglichen Erkenntnisse über den Club gesammelt. Er hatte sich im Zuge seiner Nachforschungen u.a mit J., einem Vizepräsidenten der M. Abteilung der "Bones", und S. angefreundet, der ebenfalls Clubmitglied war und mehrere Sonderpostenmärkte betrieb.

In den Fällen 5 bis 11 der Anklageschrift wird dem Angeklagten zur Last gelegt, mit S. übereingekommen zu sein, diesen über polizeiliche Erkenntnisse über ihn und die von ihm betriebenen Geschäftsbetriebe zu unterrichten, insbesondere über dienstlich bekannt werdende geplante Polizeiaktionen und Maßnahmen anderer Behörden. Als Gegenleistung hierfür habe der Angeklagte im Tatzeitraum mindestens zweimal in dem Restpostenmarkt "P. " in W. und zumindest in fünf weiteren Fällen im Restpostenmarkt "B. " in G. Waren ohne Bezahlung abgeholt.

Nach Auffassung des Landgerichts ist lediglich "der kostenlose Einkauf" einer Couchgarnitur sowie einer Schrankwand im Wert von "höchstens" 1.800 DM erwiesen. Dem liege jedoch keine Unrechtsvereinbarung im Sinne einer Vorteilsannahme oder Bestechlichkeit der §§ 331, 332 StGB a.F. zugrunde.

Das Landgericht hat geprüft, ob S. betreffende Diensthandlungen des Angeklagten vor der Überlassung der Möbel (Erkundigungen und Vermittlung in einem Bußgeldverfahren wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit; Einsatz für weitere Geldzahlungen an J. und S. aufgrund einer Auslobung der Familie O.) und danach (Einflußnahme in einem weiteren Bußgeldverfahren sowie die Verletzung des Dienstgeheimnisses im Fall 19 der Anklageschrift) Gegenstand einer Unrechtsvereinbarung gewesen sind. Es hat dies insbesondere mit Rücksicht darauf, daß zwischen dem Angeklagten und S. im Tatzeitraum eine "recht enge Freundschaft" bestand, und wegen der geringen Bedeutung der nach den Feststellungen rechtmäßigen Diensthandlungen vor Überlassung der Möbel und wegen des zeitlichen Abstands der späteren Handlungen verneint.

In den Fällen 12 bis 17 der Anklageschrift ist dem Angeklagten zur Last gelegt worden, im Tatzeitraum mit J. und zwei weiteren Mitgliedern des Motorradclubs "Bones" übereingekommen zu sein, für eine angemessene Entlohnung auf Anforderung polizeiinterne Erkenntnisse abzufragen, an sie weiterzugeben und aufzupassen, ob irgendwelche polizeiliche Maßnahmen gegen sie geplant seien. Das Landgericht hat insoweit lediglich festgestellt, daß J. - möglicherweise auf Veranlassung des Angeklagten und aufgrund ihrer freundschaftlichen Beziehungen - der Freundin des Angeklagten eine goldene Armbanduhr im Wert von 6.000 DM geschenkt hat. Es hat den Angeklagten gleichwohl von den gegen ihn in den Fällen 12 bis 17 der Anklageschrift erhobenen Vorwürfen der versuchten Strafvereitelung, des Verrats von Dienstgeheimnissen und der Bestechlichkeit freigesprochen. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat das Landgericht vorab die Bedenken dargelegt, die nach seiner Auffassung gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen J. und die Glaubhaftigkeit seiner Aussage bestehen, soweit sie die vorgenannten Fälle betrifft, und hat sodann hinsichtlich jedes Einzelfalles eine gesonderte Würdigung der Beweise vorgenommen. Obwohl die Bekundungen des Zeugen J. teilweise durch weitere Beweisanzeichen gestützt werden, hat sich das Landgericht jeweils durch den Zweifelsgrundsatz gehindert gesehen, sich eine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten zu bilden.

2. Gegen die dem Freispruch in den vorgenannten Fällen zugrundeliegende Beweiswürdigung wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft zu Recht: Spricht das Gericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen frei, so sind die der Beweiswürdigung zugrundeliegenden wesentlichen Erwägungen in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise in den Urteilsgründen darzulegen (vgl. BGHSt 37, 21, 22; BGH NStZ 2002, 446 jew.m.w.N.). Die Anforderungen an eine umfassende Würdigung der festgestellten Tatsachen sind beim freisprechenden Urteil nicht geringer als im Fall der Verurteilung. Hat der Tatrichter die zur Verurteilung erforderliche Überzeugung vom Vorliegen eines äußeren oder inneren Tatmerkmals nicht gewonnen, müssen die Urteilsgründe in überprüfbarer Weise belegen, daß er die für die Schuld des Angeklagten sprechenden Beweisergebnisse ebenso wie entgegenstehende in ihrer Bedeutung zutreffend gewertet hat und daß die Anwendung des Zweifelssatzes auf der Grundlage einer umfassenden Gesamtwürdigung dieser Ergebnisse erfolgt ist (vgl. BGH NStZ 2002, 446; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11).

Diesen Anforderungen genügt die Beweiswürdigung in den vorgenannten Fällen nicht. Sie ist lückenhaft und läßt zudem besorgen, daß die Strafkammer zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung von der Schuld des Angeklagten gestellt hat (vgl. BGH NStZ 1999, 153; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 25).

a) Soweit dem Angeklagten in den Fällen 5 bis 11, 14 und 17 der Anklageschrift Bestechlichkeit zur Last gelegt wird, hat das Landgericht seiner rechtlichen Prüfung hinsichtlich der Taten, deren Tatzeiten möglicherweise vor dem Inkrafttreten der Neufassung der Bestechungsdelikte durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption am 20. August 1997 liegen, zutreffend die Straftatbestände der §§ 331, 332 StGB als die gegenüber den neu gefaßten Bestimmungen milderen Gesetze im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB zugrundegelegt. Die Urteilsausführungen lassen jedoch besorgen, daß es dabei an die Annahme der nach beiden Straftatbeständen erforderlichen - ausdrücklich oder konkludent - getroffenen Unrechtsvereinbarung, bei der eine bestimmte Diensthandlung für die Vorteilsgewährung als Äquivalent erbracht wird (st. Rspr.; BGHSt 39, 45, 46; BGH NStZ 1999, 561), zu hohe Anforderungen gestellt und deshalb die gebotene Gesamtwürdigung aller nach dem Beweisergebnis für den Abschluß einer solchen Unrechtsvereinbarung sprechenden Umstände unterlassen hat.

Zwar genügt - auch zur Verurteilung wegen Vorteilsannahme gemäß § 331 StGB a.F. - nicht schon die Feststellung der Annahme eines Vorteils durch den Amtsträger, und zwar auch dann nicht, wenn die Zuwendung mit Rücksicht auf seine Dienststellung oder aus Anlaß oder bei Gelegenheit einer Amtshandlung erfolgt (vgl. BGHSt 39, 45, 46; BGH NStZ 1984, 24). Die Anforderungen an die Bestimmtheit der zu entgeltenden Diensthandlungen dürfen aber namentlich dann, wenn der Amtsträger den Vorteil um eines künftigen Verhaltens willen erhält, nicht überspannt werden. Es genügt, wenn unter den Beteiligten Einverständnis besteht, daß der Amtsträger innerhalb eines bestimmten Aufgabenbereichs oder Kreises von Lebensbeziehungen nach einer gewissen Richtung hin tätig werden soll und die ins Auge gefaßte Diensthandlungen dabei nach ihrem sachlichen Gehalt mindestens in groben Umrissen erkennbar und festgelegt ist (st. Rspr.: BGHSt 39, 45, 46/47; BGH NStZ 1999, 561). Für die Annahme dieser Voraussetzungen kann von Bedeutung sein, ob der Amtsträger nur für einen beschränkten Aufgabenkreis zuständig ist, welcher Art die Beziehungen des Vorteilsgebers zu der Dienststelle des Amtsträgers sind und ob die Interessen des Vorteilsgebers sich dem Aufgabenbereich des Amtsträgers zuordnen lassen (vgl. BGH aaO).

Soweit es die Fälle 5 bis 11 der Anklageschrift betrifft, hätte sich das Landgericht daher nicht auf die Prüfung der Frage beschränken dürfen, ob die festgestellten Handlungen des Angeklagten, die zwei Bußgeldverfahren, ein Ermittlungsverfahren und die Auszahlung einer Belohnung betreffen, die es - entgegen der Auffassung der Revision auch hinsichtlich des Bußgeldbescheides vom 9. Januar 1996 - zutreffend als Diensthandlungen im Sinne der §§ 331 Abs. 1, 332 Abs. 1 StGB a.F. (vgl. BGH NStZ 2000, 596, 598) angesehen hat, Gegenstand einer zwischen dem Angeklagten und S. abgeschlossenen Unrechtsvereinbarung waren. Vielmehr hätte es, insbesondere auch im Hinblick darauf, daß nach § 332 Abs. 3 Nr. 1 StGB a.F. der Tatbestand der Bestechlichkeit bereits dann erfüllt ist, wenn sich der Täter dem anderen gegenüber bei Abschluß der Unrechtsvereinbarung bereit gezeigt hat, bei der Handlung seine Pflichten zu verletzen, einer Gesamtwürdigung auch der Beweisanzeichen bedurft, die dafür sprechen, daß zwischen dem Angeklagten und S. bei der kostenlosen Überlassung der Möbelstücke Einverständnis darüber bestand, daß der Angeklagte (auch) künftig Diensthandlungen vornehmen wollte und bereit war, dabei seine Pflichten zu verletzen. Dies gilt in gleicher Weise, soweit dem Angeklagten in den Fällen 14 und 17 zur Last gelegt wird, mit J. und zwei weiteren Mitgliedern des Motorradclubs "Bones" vereinbart zu haben, auf Anforderung gegen eine angemessene Entlohnung Informationen über polizeiinterne Erkenntnisse und bevorstehende polizeiliche Maßnahmen an sie weiterzugeben, und in einem der Fälle auf der Grundlage dieser Vereinbarung eine Geldzahlung entgegengenommen sowie in einem weiteren Fall die schenkweise Überlassung einer goldenen Uhr an seine Freundin mit J. vereinbart zu haben.

Für die Annahme einer tatbestandsmäßigen Unrechtsvereinbarung spricht bereits der Wert der nach den bisherigen Feststellungen dem Angeklagten von S. und der Freundin des Angeklagten von J. überlassenen Geschenke. Dies gilt - wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat - nicht nur für die Zuwendung der goldenen Uhr im Wert von 6.000 DM, sondern auch für die dem Angeklagten überlassenen Möbel, deren Wert von etwa 1.800 DM entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht "preislich im unteren Bereich" lag.

Für die Annahme einer Unrechtsvereinbarung kann ferner von Bedeutung sein, daß der Angeklagte im Tatzeitraum als stellvertretender Kommissariatsleiter mit Ermittlungen gegen Mitglieder der "Bones" und - bis zur Abgabe des Verfahrens an die Kriminalpolizei in L. - auch gegen die "Hell's Angels" befaßt war und dienstlich Zugang zu allen Mitglieder dieser Gruppen betreffenden und diese interessierenden Informationen hatte. Sowohl die Interessen von S. als auch die von J. und anderen Mitgliedern der "Bones" lassen sich demgemäß dem Aufgabenbereich des Angeklagten zuordnen.

Bei dieser Sachlage drängt sich - wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat - bei lebensnaher Bewertung der gesamten Umstände regelmäßig der Schluß auf, daß die Zuwendung eines Geschenks im Wert von 1.800 DM an einen Polizeibeamten, der sich bereits zweimal für den Vorteilsgeber eingesetzt hat, als Gegenleistung für die bereits erfolgten Diensthandlungen und auch für künftige - vergleichbare - Diensthandlungen gewährt worden ist. Dies wird nicht allein dadurch ausgeschlossen, daß zwischen Vorteilsgeber und Vorteilsnehmer eine recht enge Freundschaft besteht.

Einer solchen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung der zwischen Mitgliedern der "Bones" und dem Angeklagten bestehenden Beziehungen und der Interessen dieser mit dem Angeklagten befreundeten Mitglieder der "Bones" an dem Aufgabenbereich des Angeklagten hätte es auch hinsichtlich der schenkweisen Überlassung einer goldenen Uhr im Wert von 6.000 DM an die Freundin des Angeklagten bedurft. Als möglicher Gegenstand der Unrechtsvereinbarung hätten neben der versuchten Strafvollstreckungsvereitelung zum Vorteil des damaligen Vizepräsidenten der "Bones", J. (Fall 1 der Anklageschrift), und der Verletzung des Dienstgeheimnisses im Juli/August 1998 (Fall 19 der Anklageschrift) auch vergleichbare künftige Diensthandlungen des Angeklagten zu Gunsten von Mitgliedern der "Bones" in Betracht gezogen werden müssen.

b) Die Beweiswürdigung in den Fällen 12 bis 17 der Anklageschrift, in denen der Angeklagte nicht nur durch den Zeugen J., sondern durch weitere Beweisanzeichen belastet wird, begegnet im übrigen auch deshalb durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil das Landgericht keine umfassende Gesamtwürdigung aller gegen eine Falschbelastung des Angeklagten durch diesen Zeugen und für die Glaubhaftigkeit seiner Aussage auch in diesen Fällen sprechenden Beweisanzeichen vorgenommen hat. Sowohl bei der bei jedem Einzelfall vorgenommenen Würdigung der Beweise als auch im Rahmen der abschließenden Darstellung des Beweisergebnisses in den Fällen 12 bis 17 der Anklageschrift (UA 84/85) hat es trotz Vorliegens aussagekräftiger Beweisanzeichen, die für die Richtigkeit der Bekundungen des Zeugen J. sprechen, wie Eintragungen im Kalender des Angeklagten (UA 62, 65, 66, 70), ausgeführt, es erscheine zwar als möglich, daß sich die Sachverhalte so, wie von dem Zeugen geschildert, abgespielt haben. Letztlich überwögen jedoch die Zweifel daran. Das Landgericht hat dabei zwar nicht verkannt, daß der Angeklagte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in verschiedenen Punkten nachweislich die Unwahrheit gesagt und zudem auch Zeugen in ihren Aussagen beeinflußt hat. Es hat aber, wie der Generalbundesanwalt zu Recht beanstandet, bei der Würdigung der Aussage des Zeugen J. nicht erkennbar bedacht, daß dem Zeugen nicht eine unwahre Aussage nachzuweisen war, sondern daß sich nach Auffassung der Kammer die Bekundungen dieses Zeugen zu anderen Tatkomplexen - zumindest überwiegend - als zutreffend erwiesen haben (UA 54, 76, 78). Die Urteilsausführungen zu den Fällen 12 bis 17 der Anklageschrift, insbesondere die zusammenfassende Betrachtung des Beweisergebnisses (UA 84/85), lassen zudem besorgen, daß die Kammer auch insoweit überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat.

III.

Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO Gebrauch gemacht und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an ein anderes Landgericht zurückverwiesen.

Externe Fundstellen: NStZ 2003, 610; StV 2003, 316

Bearbeiter: Karsten Gaede