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Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 410/02, Beschluss v. 09.01.2003, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 4 StR 410/02 - Beschluss vom 9. Januar 2003 (LG Halle)

Rücktritt bei Mittäterschaft (einvernehmliches Nichtweiterhandeln); Tenor bei mehreren Tatopfern; Sicherungsverwahrung; Jugendstrafen.

§ 24 Abs. 2 StGB; § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB; § 66 Abs. 1 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 31. Januar 2002 mit den Feststellungen aufgehoben,

a) insgesamt, soweit es den Angeklagten G. betrifft,

b) im Fall II 2 der Urteilsgründe (Tat vom 24. Mai 2001) sowie im gesamten Rechtsfolgenausspruch, mit Ausnahme der Einzelstrafe wegen Körperverletzung (Fall II 1), soweit es den Angeklagten S. betrifft.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten S. wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II 2), den Angeklagten S. darüber hinaus wegen einer weiteren Körperverletzung (Fall II 1) zur Jugendstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten (G.) bzw. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten (S.) verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten S. in der Sicherungsverwahrung angeordnet und ihn verurteilt, Schmerzensgeld zu zahlen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts rügen. Das Rechtsmittel des Angeklagten G. hat insgesamt Erfolg, das des Angeklagten S. den aus der Beschlußformel ersichtlichen Teilerfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Wie der Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften vom 2. Oktober 2002 im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat, kann der Schuldspruch im Fall II 2 der Urteilsgründe keinen Bestand haben, weil das Landgericht - im Hinblick auf beide Tatopfer (die Eheleute W.) - nicht zureichend geprüft hat, ob die Angeklagten von den Tötungsversuchen strafbefreiend zurückgetreten sind. Zwar haben die Angeklagten nach den Feststellungen als Mittäter gehandelt, so daß nicht - wie der Generalbundesanwalt meint - § 24 Abs. 1 StGB, sondern § 24 Abs. 2 StGB zu erörtern war; jedoch kommt auch nach dieser Vorschrift ein strafbefreiender Rücktritt in Betracht, wenn die Angeklagten nämlich - was nach den Feststellungen nicht fernliegt - nach unbeendetem Versuch einvernehmlich nicht weiterhandelten, obwohl sie dies hätten tun können (vgl. BGHSt 42, 158, 162; 44, 204, 208; BGH NStZ 1989, 317, 318; 1999, 449 f.; Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 24 Rdn. 41).

2. Mit der Aufhebung des Urteils im Fall II 2 der Urteilsgründe entfällt beim Angeklagten G. der Strafausspruch insgesamt, beim Angeklagten S. die für diese Tat verhängte Einzelstrafe (sechs Jahre Freiheitsstrafe), der Ausspruch über die Gesamtstrafe, die Anordnung der Sicherungsverwahrung und die Verurteilung zu Schmerzensgeldzahlung. Die im Fall II 1 verhängte Einzelstrafe (ein Jahr Freiheitsstrafe) kann dagegen bestehen bleiben, weil sie von dem Rechtsfehler nicht berührt wird.

3. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

a) Falls der nunmehr entscheidende Tatrichter zu Feststellungen gelangen sollte, wie sie dem angefochtenen Urteil im Fall II 2 zugrunde liegen, muß im Schuldspruch zum Ausdruck kommen, daß sich die Tat gegen zwei Tatopfer gerichtet hat (vgl. Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 260 Rdn. 26). Bei Tateinheit wird § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB zu beachten sein (vgl. UA 38).

b) Bei der Prüfung der Frage, ob gegen den Angeklagten S. die Sicherungsverwahrung anzuordnen ist, wird zu bedenken sein, daß bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung gegenüber jungen Tätern, die bisher nur nach Jugendrecht verurteilt wurden, grundsätzlich Zurückhaltung geboten ist (vgl. BGHSt 26, 152, 155; BGH StV 2000, 254, 255). Im Hinblick auf die Vorverurteilungen wird zu beachten sein, daß die pauschale Bezugnahme auf in einer früheren Verurteilung zu (Einheits-) Jugendstrafe angeführte Strafzumessungserwägungen (vgl. UA 41) eine revisionsrechtliche Überprüfung nicht ermöglicht, ob der Richter in dem früheren Verfahren wenigstens bei einer der einheitlich geahndeten Vortaten eine Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verhängt hätte, wenn er diese Tat als Einzeltat gesondert abgeurteilt hätte (BGH NStZ 1996, 331 f.; 2002, 29; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Vorverurteilungen 6; vgl. hierzu auch Brunner/Dölling JGG 11. Aufl. § 31 Rdn. 18).

Bearbeiter: Ulf Buermeyer