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Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 392/02, Beschluss v. 17.12.2002, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 4 StR 392/02 - Beschluss vom 17. Dezember 2002 (LG Bielefeld)

Entziehung der Fahrerlaubnis (charakterliche Unzuverlässigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen; Gesamtwürdigung; Katalogtaten; Regelvermutung; verkehrsspezifischer Zusammenhang).

§ 69 Abs. 2 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Anders als bei Begehung einer der im Katalog des § 69 Abs. 2 StGB aufgeführten rechtswidrigen Taten begründet allein der Umstand, dass der Täter ein Kraftfahrzeug zur Begehung einer Straftat benutzt hat, nicht bereits eine Vermutung für seine charakterliche Unzuverlässigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen. Deshalb bedarf in diesen Fällen die Entziehung der Fahrerlaubnis einer eingehenden Begründung aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung von Tat und Täter, die auch den notwendigen verkehrsspezifischen Zusammenhang zwischen der abgeurteilten Straftat und dem Führen des Kraftfahrzeuges darstellen muss.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 22. Mai 2002, soweit es ihn betrifft, im Maßregelausspruch aufgehoben; der Ausspruch entfällt.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Bedrohung und Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat nur zum Maßregelausspruch Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Das Landgericht hat die Anordnung der Entziehung der Fahrerlaubnis damit begründet, daß der Angeklagte sich dadurch, daß er sein Fahrzeug dazu benutzt habe, um mit seinem Mittäter in die Nähe des Tatorts (die Wohnung der Eheleute G.) zu fahren und diesen anschließend mit der Beute (Bargeld und Schmuck) wieder zu verlassen, als charakterlich unzuverlässig erwiesen habe.

Diese Erwägung trägt die Anordnung der Maßregel nicht. Zwar ist der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts, daß § 69 Abs. 1 StGB nicht nur bei Verkehrsverstößen im engeren Sinne, sondern auch bei sonstigen strafbaren Handlungen anwendbar ist, sofern sie im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangen werden und sich daraus die mangelnde Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ergibt, zutreffend. Anders als bei Begehung einer der in § 69 Abs. 2 StGB aufgeführten rechtswidrigen Taten begründet jedoch allein der Umstand, daß der Täter ein Kraftfahrzeug zur Begehung einer Straftat benutzt hat, nicht bereits eine (Regel-)Vermutung für seine charakterliche Unzuverlässigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen; deshalb hat in diesen Fällen eine nähere Begründung der Entscheidung aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung zu erfolgen. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 25. September 2002 zutreffend ausgeführt hat, ergeben die Feststellungen den nach § 69 StGB erforderlichen - verkehrsspezifischen - Zusammenhang zwischen der abgeurteilten Straftat und dem Führen des Kraftfahrzeuges nicht (vgl. hierzu BGH, Beschluß vom 5. November 2002 - 4 StR 406/02). Solche Feststellungen sind auch in einer neuen Hauptverhandlung nicht zu erwarten. Der Maßregelausspruch hat daher zu entfallen.

2. Der geringfügige Teilerfolg des Rechtsmittels gibt keinen Anlaß, den Angeklagten auch nur teilweise von den Kosten seines Rechtsmittels freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).

Bearbeiter: Ulf Buermeyer