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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 157/02, Beschluss v. 21.05.2003, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 4 StR 157/02 - Beschluss vom 21. Mai 2003 (LG Bochum)

Darlegungspflicht bei der Verfahrensrüge (Zulässigkeit; Entbehrlichkeit der Angabe von Beweismitteln und Aktenstellen).

§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO

Entscheidungstenor

Für die Zulässigkeit einer Verfahrensrüge genügt es nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, dass die den Mangel begründenden Tatsachen vollständig vorgetragen werden. Dagegen ist die Angabe von Beweismitteln und der Aktenstellen, aus denen sich diese Tatsachen ergeben, nicht erforderlich.

Entscheidungstenor

1. Das Verfahren wird gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen III B 11 und 21 der Urteilsgründe wegen Bestechlichkeit bzw. Betruges verurteilt worden ist. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 1. Oktober 2001 im Schuldspruch dahin geändert, daß die Verurteilung wegen Bestechlichkeit im Fall III B 11 und wegen Betruges im Fall III B 21 der Urteilsgründe entfällt.

3. Die weiter gehende Revision wird als unbegründet verworfen.

4. Der Angeklagte hat die übrigen Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechlichkeit in 15 Fällen und wegen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen. Gegen die Verurteilung wendet sich der Angeklagte, der die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt.

1. Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, soweit der Angeklagte wegen Bestechlichkeit im Fall III B 11 (UA 23) und Betruges im Fall III B 21 der Urteilsgründe (= Fall 27 der Anklage; UA 36) verurteilt worden ist. Die aufgrund dieser Teileinstellung erfolgte Änderung des Schuldspruchs führt zum Wegfall der wegen dieser Taten verhängten Einzelfreiheitsstrafen von neun und zwei Monaten. Der Senat kann im Hinblick auf die Höhe der verbleibenden 14 Einzelfreiheitsstrafen (Freiheitsstrafen zwischen sieben Monaten und ein Jahr zwei Monaten) mit einer Summe von insgesamt zehn Jahren und acht Monaten ausschließen, daß sich der Wegfall der zwei Einzelstrafen auf den Ausspruch über die Gesamtstrafe von drei Jahren und drei Monaten ausgewirkt hätte.

2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen unter Berücksichtigung der teilweisen Verfahrenseinstellung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Soweit die erhobenen Verfahrensrügen den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO entsprechen, sind sie jedenfalls unbegründet. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:

a) Die Rüge der Verletzung des § 244 StPO (Revisionsbegründung vom 2. Juli 2002; Bl. 103 bis Bl. 114) ist nicht zulässig erhoben, soweit der Angeklagte geltend macht, sein Beweisantrag auf Verlesung von Passagen aus verschiedenen Vernehmungsprotokollen der Belastungszeugen S. und B. sei vom Landgericht zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt worden, die Zeugen seien bereits umfassend und unter Vorhalt ihrer früheren Aussagen zu den betreffenden Anklagepunkten vernommen worden. Die Unzulässigkeit der Rüge ergibt sich allerdings abweichend von der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht schon daraus, daß die Revision es versäumt habe, die Fundstellen im Hauptverhandlungsprotokoll insbesondere über die Vernehmung der Zeugen anzugeben. Denn für die Zulässigkeit einer Verfahrensrüge genügt es nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, daß die den Mangel begründenden Tatsachen vollständig vorgetragen werden. Dagegen ist die Angabe von Beweismitteln und der Aktenstellen, aus denen sich diese Tatsachen ergeben, nicht erforderlich (Hanack in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 344 Rdn. 77; Kuckein in KK 4. Aufl. § 344 StPO Rdn. 41; Meyer-Goßner 46. Aufl. § 344 Rdn. 23; Pfeiffer StPO 4. Aufl. § 344 Rdn. 8; Temming in HK-StPO 3. Aufl. § 344 Rdn. 9). Der Revisionsführer beanstandet jedoch nur, daß "eine der zitierten Aussagen" des Zeugen S. diesem von der Kammer in der Hauptverhandlung nicht vorgehalten worden sei, teilt aber nicht mit, welche Aussage dies war und welcher verbleibende Widerspruch bewiesen werden sollte. Darüber hinaus unterläßt es die Revision, die zur Verlesung beantragten Aussagen des Zeugen B. vom "28.04." bzw. "24.04.1998" (Revisionsbegründung vom 2. Juli 2002; Bl. 110-111) vollständig mitzuteilen, so daß die behauptete Widersprüchlichkeit innerhalb der Aussagen, die nach Auffassung des Beschwerdeführers Anlaß zu weiteren Ermittlungen hätte geben sollen, nicht nachvollzogen werden kann.

b) Die Rüge der Verletzung der §§ 24 ff. StPO genügt ebenfalls nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, soweit die Ablehnung der erkennenden Berufsrichter auf die Versagung des Fragerechts bei der Vernehmung des Zeugen H. gestützt worden ist (Revisionsbegründungsschrift vom 2. Juli 2002, Bl. 49-50, 60, 64). Denn die Revisionsbegründung teilt wesentliche Umstände, die für die Beurteilung der Rüge von Bedeutung sein können, nicht mit (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Befangenheitsrüge 1); so benennt sie weder das Thema der Zeugenaussage oder den Inhalt der Urkunde, zu der der Verteidiger den Zeugen befragen wollte, noch die vom Verteidiger tatsächlich gestellte und vom Vorsitzenden beanstandete Frage.

Bearbeiter: Karsten Gaede