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Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 105/02, Beschluss v. 16.05.2002, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 4 StR 105/02 - Beschluss vom 16. Mai 2002 (LG Magdeburg)

Sichverschaffen kinderpornographischer Schriften; Hinweispflicht (Änderung des rechtlichen Gesichtspunkts bei geständigem Angeklagten).

§ 184 Abs. 3 und 5 StGB; § 265 StPO

Entscheidungstenor:

1. Auf Antrag des Generalbundesanwalts wird das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen II. 1., 6. und 7. wegen Verbreitung von pornographischen Schriften verurteilt worden ist. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.

2. Mit Zustimmung des Generalbundesanwalts wird der Fall II. 8. der Urteilsgründe von der Strafverfolgung ausgenommen.

3. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 6. Dezember 2001

a) im Schuldspruch dahin geändert und neu gefaßt, daß der Angeklagte des schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in drei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Sichverschaffen kinderpornographischer Schriften, sowie des schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit Sichverschaffen kinderpornographischer Schriften schuldig ist;

b) mit den Feststellungen aufgehoben im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer - Jugendschutzkammer - des Landgerichts zurückverwiesen.

5. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten des "schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in vier Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Verbreitung pornographischer Schriften, und der Verbreitung von pornographischen Schriften in vier (weiteren Fällen) schuldig" gesprochen. Es hat ihn unter Einbeziehung der Strafen aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts.

1. Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, soweit der Angeklagte in den Fällen II. 1., 6. und 7. der Urteilsgründe jeweils wegen Verbreitung von pornographischen Schriften verurteilt worden ist. Ferner wird mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154 a Abs. 2 StPO die in der Überlassung der Videokassette, auf der vom Angeklagten das Tatgeschehen im Fall 5 der Urteilsgründe aufgezeichnet worden war, an einen Dritten (Fall II. 8. der Urteilsgründe) liegende Gesetzesverletzung von der Strafverfolgung ausgenommen; damit entfällt auch diese Verurteilung. Die Überlassung einer solchen pornographischen Schrift (§ 11 Abs. 3 StGB) an einen Dritten erfüllt entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht den Tatbestand des § 184 Abs. 3 Nr. 2 StGB, sondern den Tatbestand der Besitzverschaffung im Sinne des Abs. 5 Satz 1 dieser Vorschrift.

2. Der Wegfall der Verurteilung in den vorgenannten Fällen nötigt zur Aufhebung der Gesamtstrafe.

Im übrigen ist das Rechtsmittel des Angeklagten unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO; jedoch wird der Schuldspruch zur Klarstellung des Schuldumfanges, wie vom Generalbundesanwalt angeregt, dahin geändert, daß der Angeklagte im Fall II. 4. der Urteilsgründe des schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen sowie in allen vier Fällen des schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern jeweils tateinheitlich des Sichverschaffens kinderpornographischer Schriften (§ 184 Abs. 5 Satz l StGB; vgl. BGHSt 43, 366, 368 f.) schuldig ist. § 265 StPO steht nicht entgegen, da auszuschließen ist, daß sich der geständige Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf anders als geschehen verteidigt hätte.

3. Die pauschale Verweisung auf die nach Auffassung des Landgerichts verwirklichten Straftatbestände im Rahmen der rechtlichen Würdigung gibt Anlaß zu dem Hinweis, daß es insbesondere bei einer Vielzahl von Taten - wie hier - angezeigt ist, eine rechtliche Zuordnung der einzelnen Taten vorzunehmen und die Taten mit den in den übrigen Abschnitten der Urteilsgründe verwendeten Ordnungsziffern zu bezeichnen.

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2003, 294

Bearbeiter: Ulf Buermeyer