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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 191/00, Beschluss v. 06.06.2000, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 4 StR 191/00 - Beschluß v. 6. Juni 2000 (LG Frankenthal)

(Schadensgleiche) Vermögensgefährdung durch Ausstellung eines Schuldscheins; Betrug; Nachteilszufügung; Versuchter Betrug bei Observierung durch die Polizei

§ 263 Abs. 1 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 6. Januar 2000

a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der versuchten schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist,
b) im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

2. Die Sachbeschwerde führt zur Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs; im übrigen hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Die Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme einer vollendeten Nachteilszufügung gemäß §§ 253, 255, 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F. Zwar kann bereits die erzwungene Ausstellung eines Schuldscheins einen Vermögensnachteil in Form einer Vermögensgefährdung darstellen. Dies setzt aber voraus, daß hierdurch das Vermögen schon konkret gefährdet, also mit wirtschaftlichen Nachteilen ernstlich zu rechnen ist (BGHSt 34, 394, 395 m.w.N.). Das ist dann der Fall, wenn bereits im Zeitpunkt der Tatbegehung aus der Sicht des Genötigten konkret mit der Inanspruchnahme durch den nach Aushändigung der Erklärung beweisbegünstigten Täter zu rechnen ist (BGH aaO; BGH NStZ-RR 1998, 233, 234). Dafür, daß der Angeklagte den durch die Drohungen mit dem Messer erzwungenen Schuldschein gerichtlich durchsetzen wollte, enthält das Urteil jedoch keine Anhaltspunkte. Vielmehr kam es dem Angeklagten ersichtlich auf die unmittelbare Herausgabe von Geld an: Er vereinbarte mit dem Geschädigten, daß der angeblich geschuldete Betrag am 2. Dezember 1997 - vier Tage nach Ausstellung des Schuldscheins - zu übergeben sei; auf einen Einwand des Tatopfers erklärte er sodann sein Einverständnis mit einer Herabsetzung der zu zahlenden Summe. Der Geschädigte erlitt somit unter den hier gegebenen Umständen durch die erzwungene bloße Ausstellung des Schuldscheins noch keinen wirtschaftlichen Nachteil (vgl. BGH NStZ 1999, 618, 619; 2000, 197). Ein solcher konnte auch nicht im weiteren Verlauf des Geschehens entstehen, da der Angeklagte "bei der Übergabe" des Geldes durch die vom Erpressungsopfer eingeschaltete Polizei festgenommen wurde (vgl. zur polizeilichen Überwachung der Geldübergabe BGH StV 1989, 149; 1998, 661; BGHR StGB § 255 Versuch 1). Feststellungen, die die Annahme einer Tatbestandsvollendung rechtfertigen könnten, sind von einer neuen Hauptverhandlung nicht zu erwarten. Der Senat hat daher den Schuldspruch entsprechend geändert. § 265 StPO steht nicht entgegen, da auszuschließen ist, daß sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf anders als geschehen verteidigt hätte.

b) Die Schuldspruchänderung nötigt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Der neu entscheidende Tatrichter wird auch zu prüfen haben, ob die Dauer des Verfahrens Anlaß zu einer Strafmilderung gibt (vgl. BGH NJW 1999, 1198).

3. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils ist durch dessen Teilaufhebung gegenstandslos.

Bearbeiter: Karsten Gaede