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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 185/00, Urteil v. 27.07.2000, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 4 StR 185/00 - Urteil v. 27. Juli 2000 (LG Saarbrücken)

Anforderungen an ein freisprechendes Urteil; Freispruch; Beweiswürdigung; Bestimmen zur Tat; Versuch der Anstiftung zu einem Verbrechen; Verbrechensverabredung; Bedingter Vorsatz; Ernstlichkeit

§ 267 Abs. 5 StPO; § 261 StPO; § 30 StGB; § 26 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Wird der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, so muß der Tatrichter im Urteil zunächst die Tatsachen feststellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen - zusätzlichen - Feststellungen nicht getroffen werden können. Die Begründung muß so abgefaßt werden, daß das Revisionsgericht prüfen kann, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind, insbesondere, ob er den den Entscheidungsgegenstand bildenden Sachverhalt erschöpfend gewürdigt hat. Bei einem Freispruch aus subjektiven Gründen ist hierbei regelmäßig zunächst der äußere Tathergang aufzuklären und darzustellen (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 6).

2. Die Anwendung des § 30 Abs. 1 StGB setzt voraus, daß die geplante Tat bereits hinreichend konkretisiert war.

3. Für die Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes des § 30 Abs. 1 StGB genügt es, daß der Anstifter es für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, daß der präsumtive Täter die Aufforderung ernst nimmt und durch sie zu der als Verbrechen mit Strafe bedrohten Handlung bestimmt wird. Einer darüber hinausgehenden "Ernstlichkeit" bedarf es - anders als bei der Verbrechensverabredung nach § 30 Abs. 2 StGB (vgl. hierzu BGHR StGB § 30 Abs. 2 Verabredung 5; BGH NStZ 1998, 403) - nicht (vgl. BGHSt 44, 99).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 11. Januar 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere - als Schwurgericht zuständige - Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen von dem Vorwurf der versuchten Anstiftung zum Mord freigesprochen. Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft die Aufhebung des freisprechenden Urteils. Das auf die Sachrüge gestützte Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.

1. Nach den Feststellungen unterhielt der verheiratete Angeklagte zu Frau A. eine länger andauernde sexuelle Beziehung. Das Verhältnis litt von Anfang an unter der Eifersucht des Angeklagten. Er forderte von Frau A. "absolute" Treue. Wenn er vermutete, sie sei eine Bekanntschaft zu einem anderen Mann eingegangen, beschimpfte er sie mit den Worten "Hure" oder "Nutte". Auch schlug er sie bei diesen Gelegenheiten "aus letztlich grundloser Eifersucht" und drohte, er werde sie "platt machen" (UA 3). Frau A. wollte sich schließlich wegen dieser Vorkommnisse vom Angeklagten trennen. In dieser Situation traf der Angeklagte in einer Gaststätte zufällig den ihm aus früherer Zeit bekannten M., der unter anderem von seinen finanziellen Schwierigkeiten erzählte. Der Angeklagte berichtete daraufhin von seiner Beziehung zu Frau A. Bei einem weiteren Treffen "kam wieder das Gespräch auf Frau A." "Dabei war auch die Rede davon, diese zu beobachten, ob sie Verhältnisse zu anderen Männern eingegangen sei". Der Angeklagte und M. begaben sich daraufhin noch in derselben Nacht zu der Wohnung von Frau A., "um dieser nachzuspionieren". M. "sollte" auch deren Auto beschädigen, etwa den Lack zerkratzen oder die Reifen zerstechen. Er tat dies jedoch nicht, sondern teilte der ihm bis dahin unbekannten Frau A. mit, daß er sie im Auftrag des Angeklagten beobachten und "ihr Auto manipulieren" solle. Diese vermochte dem zunächst keinen Glauben zu schenken. Etwa zwei Wochen danach, am 1. Juli 1998, trafen sich der Angeklagten und M. erneut. "Im Verlaufe dieses Gespräches kam auch die Rede darauf, daß man die [im, Hause von Frau A. befindliche] Gasheizung manipulieren könne, wodurch das Haus explodieren und dabei Frau A. zu Tode kommen könne" (UA 4). Bereits am nächsten Morgen folgte ein weiteres Treffen in der Cafeteria eines Supermarkts. "Auch hier war wieder die Rede von Frau A. und daß sie infolge einer Gasexplosion zu Tode kommen könnte". Nachdem M. Frau A. noch am selben Tag mitgeteilt hatte, der Angeklagte habe vor, sie umbringen zu lassen, begaben sich beide am 3. Juli 1998 zur Polizei, wo M. angab, daß der Angeklagte versucht habe, ihn anzustiften, Frau A. durch eine Gasexplosion zu töten.

2. Das Landgericht hat zur Begründung des Freispruchs ausgeführt, der Angeklagte habe "die Tat in Abrede gestellt". Der einzige "Tatzeuge", M., sei sich bei seiner Vernehmung nicht sicher gewesen, "ob der Angeklagte wirklich die Herbeiführung einer Gasexplosion, insbesondere den Tod von Frau A. wollte". Es könne daher nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Überzeugung festgestellt werden, "daß der Angeklagte den Zeugen ernsthaft zu einem Verbrechen zu bestimmen versucht hat".

3. Die angefochtene Entscheidung unterliegt schon deshalb der Aufhebung, weil sie nicht den Anforderungen an ein freisprechendes Urteil genügt (vgl. hierzu BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2, 5, 6 und 8). Wird der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, so muß der Tatrichter im Urteil zunächst die Tatsachen feststellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen - zusätzlichen - Feststellungen nicht getroffen werden können. Die Begründung muß so abgefaßt werden, daß das Revisionsgericht prüfen kann, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind, insbesondere, ob er den den Entscheidungsgegenstand bildenden Sachverhalt erschöpfend gewürdigt hat. Bei einem Freispruch aus subjektiven Gründen ist hierbei regelmäßig zunächst der äußere Tathergang aufzuklären und darzustellen (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 6; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 267 Rdnr. 33). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht:

a) Die Darstellung der objektiven Umstände der "Treffen" zwischen dem Angeklagten und M. ist lückenhaft und zu unbestimmt. Offen bleibt insbesondere, auf wessen Initiative und warum es zu den Zusammenkünften vom 1. und 2. Juli 1998 kam, vor allem aber, wer "die Rede" darauf brachte, "man" könne durch Manipulationen an der Gasheizung Frau A. töten. Unklar ist auch, ob bereits über Einzelheiten der Tatausführung gesprochen wurde und ob nach dem 2. Juli 1998 eventuell noch weitere Treffen folgen sollten. Ohne Kenntnis dieser Umstände ist dem Revisionsgericht jedoch die Überprüfung nicht möglich, ob überhaupt ein "Bestimmen" im Sinne des § 30 Abs. 1 StGB vorliegt und ob die geplante Tat bereits hinreichend konkretisiert war (vgl. zu letzterem Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 30 Rdnr. 7). Auch die Beurteilung der subjektiven Tatseite hängt wesentlich von diesen Umständen ab.

b) Das Urteil teilt darüber hinaus weder die Einlassung des Angeklagten (vgl. hierzu BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 8) noch die Aussage des Hauptbelastungszeugen M. mit. Damit entzieht sich die tatrichterliche Beweiswürdigung weitgehend der Überprüfung durch das Revisionsgericht.

4. Im übrigen begegnen auch die Ausführungen zur Frage der Ernsthaftigkeit des Anstiftungsversuchs rechtlichen Bedenken. Sie lassen besorgen, daß das Landgericht zu hohe Anforderungen an die subjektive Tatseite gestellt hat.

Die versuchte Anstiftung nach § 30 Abs. 1 StGB verlangt in subjektiver Hinsicht ebenso wie die vollendete Anstiftung nach § 26 StGB (lediglich) den doppelten Anstiftervorsatz. Hierbei reicht - ebenfalls nicht anders als im Fall des § 26 StGB - bedingter Vorsatz aus (vgl. BGHSt 44, 99 = NStZ 1998, 615). Für die Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes des § 30 Abs. 1 StGB genügt es also, daß der Anstifter es für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, daß der präsumtive Täter die Aufforderung ernst nimmt und durch sie zu der als Verbrechen mit Strafe bedrohten Handlung bestimmt wird. Einer darüber hinausgehenden "Ernstlichkeit" bedarf es - anders als bei der Verbrechensverabredung nach § 30 Abs. 2 StGB (vgl. hierzu BGHR StGB § 30 Abs. 2 Verabredung 5; BGH NStZ 1998, 403) - nicht (vgl. BGHSt 44, 99).

Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.

Bearbeiter: Karsten Gaede