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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 339/99, Beschluss v. 22.12.1999, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 3 StR 339/99 - Beschluß v. 22. Dezember 1999 (LG Hannover)

Mittäterschaft beim Bandendiebstahl; Beabsichtigte Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung des BGH

§ 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB

Der Senat beabsichtigt zu entscheiden:

Ein Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, ist auch dann Täter eines Bandendiebstahls, wenn es zwar nicht am Tatort an der Ausführung des Diebstahls unmittelbar beteiligt ist, aber auf eine andere als täterschaftlicher Tatbeitrag zu wertende Weise daran mitwirkt und der Diebstahl von mindestens zwei weiteren Bandenmitgliedern in zeitlichem und örtlichem Zusammenwirken begangen wird.

Er legt die Sache den anderen Strafsenaten mit der Frage vor, ob sie an ihren entgegenstehenden Entscheidungen festhalten.

Gründe

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten, nachdem der Senat ein erstes Urteil des Landgerichts Hannover auf die Revision der Staatsanwaltschaft aufgehoben hatte, nunmehr wegen schweren Bandendiebstahls in acht Fällen und wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützten Revision.

Nach den Feststellungen, die das Landgericht auf der Grundlage der Einlassung des nunmehr insoweit geständigen Angeklagten getroffen hat, schloß sich der Angeklagte gegen Ende des Jahres 1997 einer aus fünf namentlich bekannten Personen sowie noch weiteren nicht ermittelten Tätern bestehenden Bande an, deren Ziel es war, den KfZ-Markt in Polen mit Ersatzteilen zu beliefern. Hierzu entwendeten die Mitglieder der Bande entsprechend dem gemeinsam gefaßten Tatplan jeweils mehrere Fahrzeuge - vorzugsweise der Marken VW Passat, Audi und Daimler Benz - im Rahmen mehrerer, jeweils in einer Nacht ausgeführter Tatserien. Nach dem gemeinsamen Tatplan fuhren der Angeklagte sowie seine Mittäter in sechs Fällen mit zwei bzw. drei Fahrzeugen, die auf den Angeklagten in Deutschland zugelassen waren, in ein entlegenes Waldgebiet in der Nähe einer Stadt. Von dort aus fuhren jeweils mindestens drei Täter, jedoch niemals der Angeklagte, mit einem oder zwei Fahrzeugen des Angeklagten los, um geeignete Diebstahlsobjekte zu suchen, die Fahrzeuge aufzubrechen und zu entwenden und dann in das Waldstück zu verbringen, wo sie ausgeschlachtet wurden. Die ausgebauten Autoteile wurden dann noch in derselben Nacht mit einem der Fahrzeuge des Angeklagten nach Görlitz an die polnische Grenze oder direkt nach Polen verbracht, wo sie verkauft wurden.

Der Angeklagte lebte als einziges Mitglied der im übrigen aus Polen stammenden Bande in der Bundesrepublik Deutschland und kannte sich im Raum Braunschweig, Hildesheim und Hannover aus. Ihm fiel nach dem gemeinsamen Tatplan zunächst die Aufgabe zu, Örtlichkeiten auszukundschaften, die sich zur Durchführung der Demontage der gestohlenen Fahrzeuge eigneten. Die Bande bevorzugte hierbei stadtnahe, aber dennoch abgelegene Waldstücke, die von der Straße her nicht eingesehen werden konnten, jedoch mit Fahrzeugen erreichbar waren. Im Rahmen der Tatausführung hatte der Angeklagte sodann seine Komplicen zu der von ihm ausgesuchten Stelle zu lotsen, indem er ihnen mit einem seiner Pkws vorausfuhr, während das zweite auf ihn zugelassene Fahrzeug und in zwei Fällen ein weiteres Fahrzeug mit den übrigen Bandenmitgliedern ihm folgte. Während der Angeklagte sodann auf einem in der Nähe gelegenen Parkplatz wartete oder in den nächsten Ort fuhr, um dort zu warten, entwendeten die anderen Mitglieder, die mit dem anderen auf den Angeklagten zugelassenen Fahrzeug zur Diebestour aufbrachen, Pkws und verbrachten sie in das Waldstück, wo sie dann ausgeschlachtet wurden. Von dort aus fuhr sodann ein Täter mit einem Fahrzeug des Angeklagten und der Diebesbeute Richtung Polen. Zu einem vorher vereinbarten Zeitpunkt, in der Regel morgens gegen fünf Uhr, holte der Angeklagte die anderen Täter wieder ab und fuhr sie nach Hause.

Dem Angeklagten, der über mehrere Fahrzeuge verfügte, oblag es weiter, der Bande mit deutschen Kennzeichen versehene Autos zur Verfügung zu stellen, um sie in die Lage zu versetzen, unauffälliger agieren zu können. Zu diesem Zweck ließ er auch im Eigentum anderer Täter stehende Fahrzeuge auf seinen Namen zu. Der Angeklagte wurde jeweils vor dem geplanten Beginn einer nächtens durchgeführten Tatserie fernmündlich verständigt; dabei war er über den Gesamtablauf der einzelnen Taten unterrichtet. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte in insgesamt acht Fällen auf die oben dargestellte Art und Weise an Diebstählen der Bande beteiligt und erhielt hierfür in sechs Fällen einen Anteil von 100 DM am Gewinn. In den verbleibenden zwei Fällen wurden ihm nur die Benzinkosten erstattet.

Das Landgericht hat die Tatbeteiligungen des Angeklagten als Mittäterschaft gewertet und die Annahme von Beihilfe abgelehnt. Maßgeblich hat es dabei darauf abgehoben, daß der über den Gesamtplan informierte Angeklagte für das Gelingen der arbeitsteilig ausgeführten Taten wichtige Tatbeiträge geleistet hat, fest in die Struktur der Bande und den Gesamtablauf der Taten ein gebunden und auch in der Mehrzahl der Fälle, wenn auch in geringem Umfang, finanziell beteiligt war, eine höhere Gewinnbeteiligung des Angeklagten hat das Landgericht mangels weiterer, über das Geständnis des Angeklagten hinausgehender Beweismittel nicht festzustellen vermocht. Die weitere Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei Mitglied einer Bande im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 2, § 244 a Abs. 1 StGB (ersichtlich ist die Alternative des § 244 a Abs. 1 i.V.m. § 243 Abs. 1 Satz 2 StGB gemeint) und habe als ein solches gehandelt, ist ebenfalls aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und zutreffend begründet worden. Nicht problematisiert hat die Strafkammer jedoch die Frage, ob der Angeklagte die Taten "unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds" begangen hat.

Der Generalbundesanwalt hat beantragt, auf die Revision des Angeklagten das Urteil im Schuldspruch dahin abzuändern, daß der Angeklagte der Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in acht Fällen und der Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen schuldig ist sowie im Ausspruch über die wegen schweren Bandendiebstahls verhängten Einzelstrafen und im Gesamtstrafenausspruch aufzuheben und zurückzuverweisen und die weitergehende Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

Der Senat erwägt, die Revision insgesamt als unbegründet zu verwerfen, sieht sich aber daran durch die bisherige ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehindert, wonach täterschaftlicher Bandendiebstahl nur dann in Betracht kommt, wenn ein Bandenmitglied mit einem anderen Bandenmitglied beim Diebstahl örtlich und zeitlich zusammenwirkt. Der Senat hält diese Auslegung des Tatbestandsmerkmals "unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds" jedoch für dogmatisch zu eng, vom Wortlaut und Zweck der Vorschrift her nicht zwingend und aus rechtspolitischen Gründen für überdenkenswert.

II.

Zum Tatbestand des Bandendiebstahls gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB gehört, daß sich mindestens zwei Personen (BGHSt 23, 239, 240) durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung zur fortgesetzten Begehung mehrerer selbständiger, im einzelnen noch unbestimmter Diebstähle oder Raubtaten verbunden haben (vgl. Ruß in LK 11.Aufl. § 244 Rdn. 11 ff. m.w.Nachw.). Ferner sieht er, wie auch die Mehrzahl der Bandendelikte (§ 250 Abs. 1 Nr. 4 StGB, § 373 Abs. 2 Nr. 3 AO, § 52 a Abs. 2 WaffG, § 19 Abs. 2 Nr. 1, § 22 a Abs. 2 KWKG) vor, daß ein Bandenmitglied die Tat unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

1. Nach bislang ständiger, an dieses Tatbestandsmerkmal anknüpfender Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs erfordert die bandenmäßige Begehung eines Diebstahls oder eines Raubes stets, daß die Bandenmitglieder während der Tatausführung zeitlich und örtlich, wenn auch nicht notwendig körperlich zusammenwirken (vgl. RGSt 66, 236, 240 ff.; 73, 322, 323; BGHSt 8, 205, 206 ff.; 25, 18; 33, 50, 52; BGH bei Holtz M.DR 1994, 763; BGH NStZ 1996, 493; BGH StV 1995, 586 und 1997, 247; BGH, Beschlüsse vom g. Dezember 1997 - 4 StR 544/97 und vom 18. Dezember 1997 - 4 StR 610/97; dagegen ausdrücklich offengelassen in BGH Beschl. vom 19. März 1997 - 5 StR 18/97). Diese Rechtsprechung hat zur Folge, daß ein am Tatort nicht selbst mitwirkendes Bandenmitglied auch dann nicht als Täter eines Bandendiebstahls bestraft werden kann, wenn es nach allgemeinen Grundsätzen aufgrund seines Täterwillens und seines Tatbeitrages als Mittäter an dem Grunddelikt des Diebstahls anzusehen ist. Für das abwesende Bandenmitglied kommt dann lediglich eine Bestrafung wegen mittäterschaftlicher Begehung des einfachen Diebstahls, ggf. in Tateinheit mit Beihilfe oder Anstiftung zum Bandendiebstahl in Betracht (BGHSt 25, 18, 19; 33, 50, 52; BGH StV 1997,247).

Diese Rechtsprechung ist in der Literatur zum Teil auf Zustimmung gestoßen (vgl. Herdegen in LK 11. Aufl. § 250 Rdn. 31; Hoyer in SK-StGB § 244 Rdn. 36; Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 244 Rdn. 8; Ruß in LK 11. Aufl. § 244 Rdn. 13; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 244 Rdn. 15; Taschke StV 1985, 367 f.; Miehe StV 1997, 247 ff.; Dünnebier JR 1956, 148 f. Anm. zu BGHSt 8, 205; Otto JZ 1985, 21, 25 sowie zuletzt Jura 1997, 464, 471; wohl auch Zopfs GA 1995, 320, 326 ff.; Küper Strafrecht BT (1996) S. 32 ff., anders aber in GA 1997, 327, 333).

a) In früheren Entscheidungen hat das Reichsgericht den Wortlaut des § 243 Nr. 6 StGB - der Vorgängervorschrift des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB in der Fassung des 1. StrRG -, wonach ein Bandendiebstahl voraussetzte, daß "an dem Diebstahl mehrere mitwirken, welche sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden haben" zunächst dahingehend verstanden und ausgelegt, daß der Begriff "der Mitwirkung mehrerer" keinesfalls mehr voraussetze als der Begriff der Mittäterschaft (RG Rspr. Bd. 6, 644, 646 f.; RGSt 25, 421, 422 f.). Es hat erstmals in der Entscheidung RGSt 66, 236 die Auffassung vertreten, daß das Merkmal "der Mitwirkung mehrerer beim Diebstahl" enger sei als der weite Begriff der Mittäterschaft. In dieser Entscheidung hat das Reichsgericht in bewußter Abgrenzung zu der damals herrschenden sog. subjektiven Täterlehre das Merkmal des "Mitwirkens mehrerer beim Diebstahl" dahin ausgelegt, daß ein irgendwie geartetes zeitliches und örtliches Zusammenwirken mehrerer Mitglieder der Bande bei der Ausführung der einzelnen Diebstähle vorauszusetzen sei (vgl. RGSt 66, 236, 241). Denn der weite Täterbegriff der sog. Interessentheorie, die auf den Grad des eigenen Interesses am Taterfolg abstellte, so daß für die Annahme von Mittäterschaft eine geistige oder intellektuelle Mitwirkung fern vom Ort der Tat als Tatbeitrag genügen kannte, wenn nur das Interesse am Erfolg der Tat genügend ausgeprägt war, war nach dieser Auffassung nicht gleichzusetzen mit der besonderen Strafwürdigkeit des Bandendiebstahls, der gerade durch die infolge gemeinschaftlicher Ausführung gesteigerte Gefährlichkeit der Tat gekennzeichnet werde. Grund für die erhöhte Strafdrohung beim Bandendiebstahl war nach dem Verständnis des Reichsgerichts zum einen zwar die in dem willensmäßigen Zusammenschluß für die Dauer - und damit in der Bandenabrede - liegende allgemeine Gefahr, zum anderen aber auch der gefahrerhöhende Umstand des örtlichen und zeitlichen Zusammenwirkens mehrerer bei der Tatausführung, so daß nur diejenigen Bandenmitglieder - gleich ob als Täter oder Teilnehmer -, die bei der Ausführung zugegen und mittätig waren, aus § 243 Nr. 6 StGB a.F. bestraft werden konnten (vgl. RGSt.66, 236, 242; 73, 322, 323).

b) Diese vor allem auf die Einschränkung der ausufernden subjektiven Täterschaftslehre abzielende Rechtsprechung des Reichsgerichts (vgl. dazu Jakobs JR 1985, 340, 342 f. Anm. zu BGHSt 33, 50 und Meyer JuS 1986, 189, 191; auch schon Kielwein MDR 1956, 308 Anm. zu BGHSt 8, 205), hat der Bundesgerichtshof im wesentlichen übernommen (vgl. BGH, Urt. vom 18. Februar 1954 - 3 StR 814/53); sie ist in der Entscheidung BGHSt 8, 205 jedoch dahin eingeschränkt worden, daß nur noch für die Annahme der Täterschaft beim Bandendiebstahl vorausgesetzt wurde, daß das Bandenmitglied auch an dem einzelnen Diebstahl örtlich und zeitlich, wenn auch nicht notwendig körperlich gemeinsam zusammen mit mindestens einem weiteren Bandenmitglied gewirkt hat. Soweit das Reichsgericht das Mitwirken am Tatort auch für Teilnehmer des Bandendiebstahls für eine Bestrafung aus dem Strafrahmen des § 243 Nr. 6 StGB a.F. als notwendig erachtet hätte, hat der Bundesgerichtshof dies ausdrücklich aufgegeben. Grund für diese Kehrtwendung war die Überlegung, daß zwar außerhalb der Bände stehende Nichtmitglieder als Anstifter oder Gehilfe des Bandendiebstahls bestraft werden könnten, dies aber bei einem Bandenmitglied, das örtlich nicht tätig geworden sei, nicht möglich sein solle, obwohl es eine höhere Mitschuld an der Tat treffe als ein Nichtmitglied, weil es am Fortbestehen der gefährlichen Verbrechensverabredung der Bande noch immer teilhabe (BGHSt 8, 205, 207 f.). Die Mitgliedschaft in einer Bande wurde dabei noch nicht als persönliches Verhältnis oder Merkmal verstanden. Auf dieser durch BGHSt 8, 205 vorgegebenen Linie hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zum Bandendiebstahl, auch nach der Neufassung des Tatbestandes durch das 1. StrRG in § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. (im Rahmen des 6. StrRG als § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB neu gefaßt), die den Regelungsgehalt des Bandendiebstahls unverändert lassen sollte (vgl. BT-Drucks. V/4094 S. 36 i.V.m. BT-Drucks. IV/650 S. 407), fortgeschrieben. Dabei hat er vor allem deshalb auf die Notwendigkeit der Mitwirkung eines weiteren Bandenmitglieds am Ort der Tat abgestellt, weil durch sie die Effizienz der eigentlichen tatbestandsmäßigen Handlung der Wegnahme und die vom einzelnen Täter ausgehende "Aktionsgefahr" erhöht werde.

2. Durch diese Rechtsprechung wurde bzw. wird § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F., § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB n.F. als Sonderdelikt behandelt (BGHSt 6, 205, 207: "Sonderregelung der Täterschaft beim Bandendiebstahl"), ohne daß der Wortlaut des Gesetzes dazu Anlaß bot bzw. bietet (vgl. Dünnebier JR 1956, 148, 149 Anm. zu BGHSt 8, 205; vgl. auch Arzt JuS 1972, 576, 580 unter VI 2. a.E.). Nach einer anderen Auffassung (vgl. Küper GA 1997, 327, 332 f.) wird auf diese Weise das örtliche und zeitliche Zusammenwirken zum täterschaftsbegründenden, Eigenhändigkeit voraussetzenden Tatbestandsmerkmal. Ein nicht unwesentlicher Teil des Schrifttums steht deshalb der Rechtsprechung kritisch bis ablehnend gegenüber (Arzt JuS 1972, 576; Brandts/Seier JA 1985, 367; Eser in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 244 Rdn. 27; Geilen Jura 1979, 445, 501; Günther in SK-StGB 43. Lfg. § 250 Rdn. 40; Jakobs JR 1985, 342; Joerden StV 1985, 329; Kielwein MDR 1956, 308; Küper GA 1997, 328, 333; Kindhäuser in NK-StGB 5. Lfg. § 244 Rdn. 34 ff.; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT 1. Teilbd. 8. Aufl. § 33 Rdn. 125; Meyer JuS 1986, 189; Rengier, Strafrecht BT/1 2. Aufl. § 4 Rdn. 47; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT/2 21. Aufl. § 4 Rdn. 272), zumal der zur Zeit der Entscheidung RGSt 66, 236 vorherrschende extensive Täterbegriff in der Rechtsprechung und nach der h.M. im Schrifttum keine Anwendung mehr findet.

Von den Vertretern dieser Gegenmeinung wird zum einen geltend gemacht, daß der Gesetzeswortlaut "unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds" über die Art und Weise der Mitwirkung nichts aussage, insbesondere nicht festlege, daß es sich um eine "örtliche und zeitliche" und nicht eine lediglich geistige Mitwirkung als "Kopf der Bande" handeln müsse (Meyer JuS 1986, 189, 190; ähnlich Arzt JuS 1972, 576, 579; Eser in Schönke/Schröder 25. Aufl. § 244 Rdn. 27; Kindhäuser NK-StGB § 244 Rdn. 35 f.; Schild GA 1982, 55, 83; a.A. Hoyer SK-StGB § 244 Rdn. 36; Taschke StV 1985, 367 f.). Als wesentliches Argument gegen die Rechtsprechung und der ihr folgenden Literatur wird eingewandt, daß auch die Voraussetzungen der täterschaftlichen Begehung des Bandendiebstahls nach den heute geltenden Grundsätzen der Teilnahmelehre gehandhabt werden müßten, weil es sonst hinsichtlich des Grunddelikts des § 242 StGB und der Qualifikation des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu einer "gespaltenen Täterschaft" komme (vgl. Brandts/Seier JA 1985, 367; Joerden StV 1985, 329 f. Anm. zu BGHSt 33, 50; Meyer JuS 1986, 189, 191). Wenn aber die allgemeinen Grundsätze für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme maßgebend seien, so müsse einem als Mittäter am Diebstahl gemäß § 242 StGB anzusehenden Bandenmitglied das Mitwirken mehrerer anderer Bandenmitglieder an der Wegnahme als tatbezogenes, die Tatausführung selbst kennzeichnendes Merkmal zugerechnet werden, wenn die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 StGB gegeben seien (vgl. Arzt/Weber BT/3 Rdn. 235; Eser in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 244 Rdn. 27; Joerden StV 1985, 329, 330; Kindhäuser NK-StGB § 244 Rdn. 35; Küper GA 1997, 327, 333 f.; Rengier BT/1 § 4 Rdn. 47; Günther in SK-StGB § 250 Rdn. 40; Wessels/Hillenkamp BT/2 § 4 111 2; Schünemann JA 1980, 393, 395). Aus diesen Gründen läßt ein Teil der Literatur für die Täterschaft beim Bandendiebstahl schon das Zusammenwirken eines Bandenmitglieds, das sich nicht am Ort der Tat befindet, mit einem weiteren, den Diebstahl ausführenden Bandenmitglied genügen (vgl. Arzt JuS 1972, 576, 579; Schild GA 1982, 55, 83; Schünemann JA 1980, 393, 395). Die überwiegende Zahl der der Rechtsprechung entgegentretenden Schrifttumsvertreter hält es jedoch für erforderlich, daß wenigstens zwei Bandenmitglieder den Diebstahl ausführen, weil dann die für den Schutzzweck des Tatbestandes des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB kennzeichnende erhöhte Gefahr für die Geschädigten und die Effizienzsteigerung der Tatausführung infolge arbeitsteiliger Wegnahmehandlung vorliege, so daß es für ein weiteres Bandenmitglied genüge, wenn es auf sonstige Weise mit den vor Ort tätigen Bandenmitgliedern zusammenwirke, und wenn damit zugleich auch die Voraussetzungen der Täterschaft erfüllt seien.

III.

Der Senat will an seiner in BGHSt 8, 205 geäußerten und auch seinen späteren Entscheidungen zugrundeliegenden Rechtsauffassung nicht mehr festhalten. Er hält insbesondere die Einwände gegen die widersprüchliche Anwendung der geltenden Grundsätze der Teilnahmelehre für stichhaltig, zumal der Gesetzeswortlaut "als Mitglied einer Bande ... unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt" nicht zwingend in dem Sinne ausgelegt werden muß, daß jedes mittäterschaftlich an einem konkreten Diebstahl beteiligte Bandenmitglied seinen Tatbeitrag am Ort der Tatausführung leisten muß, um als Täter des Bandendiebstahls behandelt zu werden. Gegen eine solche enge Interpretation des Tatbestandes sprechen zudem schon in der Vergangenheit immer wieder angeführte kriminalpolitische Aspekte, die es insbesondere nicht einleuchten lassen, daß der im Hintergrund agierende "Bandenchef", der das Geschehen dirigiert und alle Fäden in der Hand hält, zwar als Täter am Grunddelikt des § 242 StGB "mitwirken" kann, nicht aber an der Qualifikation des § 244 Abs. 1 Nr. 2, § 244 a Abs. 1 StGB. Warum er insoweit "Gehilfe" oder "Anstifter" sein soll, hat noch niemand einleuchtend zu erklären vermocht; denn auch die Begehung des einfachen Diebstahls kann dem nicht am Tatort anwesenden Bandenmitglied nur über die Zurechnungsregeln der Mittäterschaft zum Vorwurf gemacht werden. Überdies sollte die Entscheidung BGHSt 8,205 nicht der Manifestation der Reichsgerichtsrechtsprechung dienen, sondern war als Lockerung der Voraussetzung en einer Strafbarkeit aus § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. bzw. deren Vorgängervorschrift § 243 Nr. 6 StGB a.F. gedacht, weil es ungerecht erschien, daß ein immerhin noch am Fortbestehen der gefährlichen Bandenabrede teilhabendes Bandenmitglied nur aus § 242 StGB bestraft werden kann, und weil es nicht an Ort und Stelle der Tatausführung anwesend war (vgl. BGHSt aa0 S. 208).

1. Eine Auslegung des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB dahingehend, daß auch ein nicht am Tatort anwesendes Bandenmitglied den Bandendiebstahl täterschaftlich begehen kann, wenn es auf sonstige Weise Tatbeiträge leistet und dadurch am Diebstahl mitwirkt, läßt sich jedenfalls für den Fall, daß mindestens zwei Bandenmitglieder arbeitsteilig am Tatort handeln, dogmatisch ohne weiteres begründen.

Die Mitgliedschaft in einer Bande ist nach inzwischen herrschender Meinung ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB (BGH bei Holtz MDR 1978, 624 unter Bezugnahme auf BGHSt - GSSt - 12, 220; BGH StV 1995, 408; NStZ 1996, 128; BGH, Beschl. vom 18. März 1998 - 5 StR 1/98; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 244 Rdn. 15; Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 244 Rdn. 7; Herdegen in LK 11. Aufl. § 250 Rdn. 32; Ruß in LK 11. Aufl. § 244 Rdn. 13; Günther in SK-StGB § 250 Rdn. 41; Arzt JuS 1972, 576, 579; Schünemann JA 1980, 393, 395 f.; Schild GA 1982, 55, 83; Wessels/Hillenkamp BT/2 Rdn. 272; abweichend noch BGHSt 8, 205, 208), das in der Person eines jeden Teilnehmers am Diebstahl gegeben sein muß, um eine Strafbarkeit aus § 244 Abs. 1 Nr. 2, § 244 a Abs. 1 StGB zu eröffnen.

Das Merkmal "unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds" ist demgegenüber ein tatbezogenes, die Tatausführung näher kennzeichnendes Tatbestandsmerkmal, das akzessorisch zu behandeln ist und nach den allgemeinen Teilnahmeregeln, insbesondere nach § 25 Abs. 2 StGB dem nicht am Tatort agierenden Bandenmitglied, zugerechnet werden kann (so auch Arzt JuS 1972, 576, 579; Eser in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 244 Rdn. 28; Günther in SK-StGB § 250 Rdn. 40; Schünemann JA 1980, 393, 395; Wessels/Hillenkamp BT/2 Rdn. 272; ähnlich auch Küper GA 1997, 327, 333 f.).

Danach reicht es nach Auffassung des Senats für eine mittäterschaftliche Verwirklichung des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB aus, daß zwei Bandenmitglieder am Tatort den Diebstahl in örtlichem und zeitlichem Zusammenwirken begehen, wenn das dritte oder jedes weitere Bandenmitglied zwar nicht am Tatort anwesend ist, aber auf eine sonstige Art und Weise - in der Vorbereitungs- oder Beendigungsphase oder zeitgleich mit der unmittelbaren Ausführung durch die am Ort handelnden Täter - seine die Tat fördernde, stützende oder begleitende Tatbeiträge leistet. Die gleichen Grundsätze müssen danach auch für die Mittäterschaft bei der Qualifikation des schweren Bandendiebstahls nach § 244 a StGB gelten. Auch hier muß der Tatbeitrag zunächst die Voraussetzungen des täterschaftlichen Bandendiebstahls nach § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllen, hinsichtlich der Qualifikationsmerkmale des § 244 Abs. 1 StGB gelten die allgemeinen Zurechnungsgrundsätze: Handelt es sich um ein tatbezogenes Merkmal, genügt es, wenn das die Tat nicht ausführende Bandenmitglied, das mit den die Tat unmittelbar ausführenden Bandenmitgliedern auf sonstige Weise zusammenwirkt, diese Umstände kennt und will (vgl. Eser in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 244 a Rdn. 4 und 9; Zopfs GA 1995, 320, 328, der im übrigen - Fn 43 - die hier vorgeschlagene Auslegung des Merkmals "unter Mitwirkung eines anderen Mitglieds" zumindest für vertretbar hält). Handelt es sich hingegen, wie etwa beim Merkmal "gewerbsmäßig" des § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB, um ein besonderes persönliches Merkmal, so muß es auch in der Person des Teilnehmers, dem es zugerechnet werden soll, vorliegen.

Eine solche vom Senat erwogene Auslegung des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB - ggf. in Verbindung mit § 244 a Abs. 1 StGB - würde dem Zweck der §§ 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB, 244 a Abs. 1 StGB und beiden stets für die erhöhte Strafbarkeit angeführten Gründen gerecht: Zum einen wäre das Erfordernis des örtlichen und zeitlichen Zusammenwirkens von mindestens zwei Bandenmitgliedern am Tatort nach wie vor gegeben, so daß die von der Rechtsprechung für die Täterschaft beim Bandendiebstahl vorausgesetzte erhöhte Gefährlichkeit der Tatausführung oder gesteigerte Effizienz «der Wegnahmehandlung auch bei der weiteren Auslegung vorliegt. Zum anderen würde der besonderen Gefährlichkeit der Verbrechensverabredung (BGHSt 8, 205, 209) und damit dem "kriminellen Motor der Bandenmitgliedschaft" (Schünemann JA 1980, 393, 395) hinreichend Rechnung getragen. Auch dasjenige Bandenmitglied kann dann entsprechend dem Gewicht seines Tatbeitrages bestraft werden, dem aufgrund seiner Einbindung in die bandenmäßige Organisation und Ausführung der Tat gerade kein Platz bei der unmittelbaren Tatbegehung zugedacht ist, sondern dem eine andere für die Tatausführung und deren Gelingen wesentliche Rolle im Hintergrund zugeteilt worden ist, wo es auf seine Weise an dem konkreten Diebstahl mitwirkt. Damit würde ferner das unbefriedigende Ergebnis vermieden, daß Mitglieder einer Bande, die aus mehr als der für die Bandenbildung notwendigen Mindestzahl von zwei Personen besteht und deshalb von vornherein gefährlicher ist, nur deshalb ein geringeres Strafbarkeitsrisiko eingehen, weil sie nicht unmittelbar am Tatort gehandelt haben.

2. Im übrigen sprechen für eine weitergehende Auslegung des Merkmals "unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds" nicht zuletzt auch kriminalpolitische Erwägungen. Das kriminologische Phänomen der Bande hat sich im Laufe der Jahre fortentwickelt und von der historischen Erscheinungsform der - fast beschaulich anmutenden - Bande als einer Verbindung mit fester genossenschaftlicher und überschaubarer Organisation und gewerbsmäßigen Verbrechensbetrieb (vgl. RGSt 9, 296) gelöst. Die klassische Diebes- oder Räuberbande ist neuen kriminellen Erscheinungsformen gewichen, die im auch international organisiertem Zusammenwirken mehrerer Personen an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten arbeitsteilig agieren. Das einzelne Mitglied der Bande ist nicht zwangsläufig in alle Phasen der Tat eingebunden, sondern leistet nur noch isolierte Tatbeiträge. Die Banden bedienen sich zur Erreichung ihrer Zwecke auch zunehmend des Einsatzes von Spezialisten in Teilbereichen. Eine sorgfältige Planung und Vorbereitung kann zudem die Anwesenheit eines neben dem die Tat unmittelbar ausführenden weiteren Bandenmitglieds am Tatort überflüssig machen. Die Effizienz der Wegnahme kann ebenso steigen, wenn die Bandenmitglieder in funktionaler Arbeitsteilung vorgehen. Entscheidend für die Gefährlichkeit überregional operierender krimineller Banden ist die bandenmäßige Begehung im Sinne der in der Bandenverbindung geplanten Arbeitsteilung. Es erscheint jedenfalls kriminalpolitisch wenig sinnvoll, einen Bandendiebstahl zu verneinen, wenn eine Bande dank sorgfältiger Planung nur eines oder wenige ihrer Mitglieder an den Tatort zu schicken braucht. Die horizontale Teilung der Ausführung ist letztlich ebenso gefährlich wie die vertikale Arbeitsteilung von der Planung der Tat bis zur Verwertung der Beute (vgl. zu diesem Aspekt bereits Jakobs JR 1985, 342, 343 Anm. zu BGHSt 33, 150).

Bei der vom Senat erwogenen Auslegung des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB würden auch die in jüngerer Zeit geltend gemachten Wertungswidersprüche bei gemischten Banden aus Dieben und Hehlern (vgl. Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 260 Rdn. 3; Erb NStZ 1998, 537, 539 f. - jeweils m.w.Nachw.) mindestens verringert.

Externe Fundstellen: NStZ 2000, 255; StV 2000, 310

Bearbeiter: Rocco Beck