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Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 498/98, Beschluss v. 27.11.1998, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 3 StR 498/98 - Beschluss vom 27. November 1998 (LG Osnabrück)

Anforderungen an die Anordnung einer Entziehungskur als Maßregel; Notwendigkeit einer konkreten Aussicht auf Behandlungserfolg; Reihenfolge der Vollstreckung von Strafe und Maßregel

§ 64 StGB; § 67 Abs. 2 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Bei verfassungskonformer Auslegung erfordert § 64 StGB für die Anordnung einer Entziehungskur über seinen Wortlaut hinaus eine konkrete Aussicht auf Heilungserfolg.

2. Die Anordnung der - auch teilweisen - Vollstreckung der Strafe vor der Maßregel gemäß § 67 Abs. 2 StGB erfordert eine eingehende, an der Persönlichkeit des Angeklagten orientierte Begründung.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 4. Juni 1998 im Maßregelausspruch mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler ergeben. Dagegen hält die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die Strafkammer hat die Unterbringung gemäß § 64 StGB, deren sonstige Voraussetzungen ohne Rechtsfehler bejaht worden sind, angeordnet, weil nach Ansicht des gehörten Sachverständigen eine Entziehungskur nicht von vornherein aussichtslos erscheine. Diese am bloßen Wortlaut des § 64 Abs. 2 StGB orientierte Begründung reicht nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Entscheidung vom 16. März 1994 diese Bestimmung für teilnichtig erklärt und von Verfassungs wegen für die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB die hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolgs gefordert (BVerfGE 91, 1 ff. = NStZ 1994, 578). Daß diese gesteigerten Anforderungen bei den Besonderheiten des Falles erfüllt wären, kann der Senat auch dem Zusammenhang der Urteilsgründe nicht hinreichend entnehmen; dies bedarf vielmehr tatrichterlicher Prüfung.

Bei einer erneuten Anordnung der Maßregel wird zudem zu berücksichtigen sein, daß ein Abweichen von dem gesetzlichen Reihenfolge der Vollstreckung nach § 67 Abs. 2 StGB einer eingehenden, an der Persönlichkeit des Angeklagten orientierten Begründung bedarf (vgl. BGHSt 33, 285) und allein die Überlegung, daß nach einem teilweisen Vorwegvollzug der Strafe und anschließendem Maßregelvollzug eine Entlassung auf Bewährung in die Freiheit ermöglicht werden soll, nicht ausreicht (vgl. BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 12; BGH NStZ-RR 1998, 296 f.) Dazu bedarf es der Begründung, warum gerade bei diesem Angeklagten ein anschließender Strafvollzug den Maßregelvollzug gefährden würde; zudem wäre bei der Bestimmung des vorweg zu vollziehenden Teils auch zu berücksichtigen, daß die Dauer des Maßregelvollzugs nach § 67 Abs. 4 Satz 1 StGB auf die Strafe anzurechnen ist.

Bearbeiter: Ulf Buermeyer