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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, StB 24/96, Beschluss v. 02.07.1997, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH StB 24/96 - Beschluss vom 2. Juli 1997 (KG Berlin)

BGHSt 43, 125; Verwirklichung des Straftatbestand der geheimdienstlichen Agententätigkeit durch ehemalige Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS); Tatbestand der Verschleppung im Sinne von § 234a StGB.

§ 99 Abs. 1 StGB; § 234a StGB

Leitsatz

Hat ein inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR in dessen Auftrag sein persönliches und berufliches Umfeld innerhalb der DDR ausgeforscht, so lag darin noch keine gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Agententätigkeit; daher vermag eine Fortsetzung dieser Zusammenarbeit mit dem MfS den Beginn der Verjährung einer zuvor daneben auch gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Agententätigkeit nicht hinauszuschieben. (BGHSt)

Entscheidungstenor

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft bei dem Kammergericht wird der Beschluß des Kammergerichts vom 20. Juni 1996 dahin abgeändert, daß das Hauptverfahren eröffnet und die Anklage vom 24. Mai 1994 zur Hauptverhandlung vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Berlin zugelassen wird, soweit der Angeschuldigten Verschleppung in zwei Fällen, davon in einem Fall von zwei Menschen, zur Last gelegt wird.

Im übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Der Staatskasse wird die Hälfte der der Angeschuldigten durch das Rechtsmittel erwachsenen notwendigen Auslagen auferlegt. Die Gebühr wird um die Hälfte ermäßigt.

Gründe

Die Staatsanwaltschaft bei dem Kammergericht hat die Angeschuldigte wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit nach § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) in der Zeit von November 1972 bis mindestens November 1989 angeklagt.

Im einzelnen wird ihr folgendes zur Last gelegt:

Die Angeschuldigte, die als Bürgerin der DDR während des Tatzeitraums dort auch lebte und in verschiedenen Gaststättenbetrieben arbeitete, hat sich im November 1972 zur Zusammenarbeit mit dem MfS unter dem Decknamen "Femina" bereiterklärt und eine Verpflichtungserklärung unterschrieben. Im Dezember 1973 machte sie Angaben über die Ausschleusung ihres Bekannten A.. In der Folgezeit nahm sie mit Wissen des MfS telefonisch mit dem Fluchthilfeorganisator L. in Westberlin Kontakt auf, wobei sie sich wahrheitswidrig als fluchtwillig ausgab und ihre Zusammenarbeit mit dem MfS verschwieg. Entsprechend ihrer Absicht schickte L. den Fluchthelfer W. zu ihr, der sie in seinem Pkw versteckte, um sie heimlich nach Westberlin verbringen zu können. Da die Angeschuldigte das MfS über das Vorhaben unterrichtet hatte, wurde W. am 3. Januar 1974 festgenommen und am 5. August 1974 durch ein DDR-Gericht wegen staatsfeindlichen Menschenhandels zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, die er bis zum 13. Oktober 1976 teilweise verbüßte. Nach der Festnahme von W. meldete sich die Angeschuldigte erneut telefonisch bei dem Fluchthilfeorganisator L. in Westberlin und gab wahrheitswidrig an, daß der angekündigte Fluchthelfer nicht erschienen sei. Entsprechend ihrer Absicht schickte ihr L. am 4. Januar 1974 die Brüder B. und J. Wa., um sie ebenfalls in einem Pkw versteckt auszuschleusen. Da die Angeschuldigte das MfS auch hierüber unterrichtet hatte, wurden beide am gleichen Tage festgenommen. Sie wurden wegen staatsfeindlichen Menschenhandels zu Freiheitsstrafen von fünf Jahren (B. Wa.) und drei Jahren (J. Wa.) verurteilt. J. Wa. wurde am 1. Oktober 1975 und B. Wa. am 11. August 1976 aus der Haft entlassen.

In den folgenden Jahren berichtete die Angeschuldigte gegenüber dem MfS über Bürger der DDR, nach der Anklage aber auch der Bundesrepublik Deutschland.

Im April 1987 wurde die Angeschuldigte, die zu einem Verwandtenbesuch in die Bundesrepublik reisen durfte, auf der Heimreise bei einem Ladendiebstahl in Berlin (West) festgenommen und anschließend von Beamten des Westberliner Staatsschutzes vernommen, da sich Hinweise auf eine Tätigkeit für das MfS ergeben hatten. Nach ihrer Rückkehr nach Berlin (Ost) berichtete sie dem MfS über die Umstände der Vernehmung, insbesondere die Örtlichkeit und die beteiligten Personen. Der letzte nachweisbare Treff der Angeschuldigten mit ihrem Führungsoffizier fand am 22. August 1989 und der letzte telefonische Kontakt am 11. September 1989 statt.

Das Kammergericht hat auf diese Anklage mit Beschluß vom 20. Juni 1996 die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt, weil die Angeschuldigte aus Rechtsgründen nicht wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit verfolgt werden könne. Die Angeschuldigte habe ihre gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Tätigkeit allein vom Gebiet der DDR aus begangen und im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Einheit Deutschlands dort noch ihren Lebensmittelpunkt gehabt. Für sie würden die Grundsätze der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 92, 277, 335 f. gelten, denen auch nicht der Umstand widerspreche, daß sich die Angeschuldigte zweimal (Juli 1985 und März/April 1987) zu privaten Verwandtenbesuchen in der Bundesrepublik aufgehalten habe. Da es keine Anhaltspunkte dafür gäbe, daß diese Besuche mit nachrichtendienstlichem Auftrag erfolgt seien, könne die Angeschuldigte auch nicht der weiteren vom Bundesverfassungsgericht gebildeten Tätergruppe zugerechnet werden, die ihre Tätigkeit auch im Bundesgebiet entfaltet habe und dabei das Risiko bewußt eingegangen sei, enttarnt und strafrechtlich verfolgt zu werden. Eine Abwägung ergebe schließlich, daß auch unter Berücksichtigung der Berichte der Angeschuldigten über ihre Vernehmung im April 1987 eine Strafverfolgung dem Übermaßverbot im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts widerspreche.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft beim Kammergericht, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg, soweit mit ihm die Zulassung der Anklage wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit nach § 99 StGB begehrt wird. Dagegen ergibt eine umfassende Überprüfung der Eröffnungsentscheidung, daß die angeklagte Tat (§ 264 StPO) rechtlich abweichend von der Anklageschrift als Verschleppung in zwei Fällen, davon in einem Fall von zwei Menschen, zu würdigen ist (§ 207 Abs. 2 Nr. 3 StPO). Der zugrundeliegende Lebenssachverhalt ist - anders als in dem in BGHSt 41, 292, 297 entschiedenen Fall - im Anklagesatz vollständig enthalten und wird vom Verfolgungswillen der Staatsanwaltschaft erfaßt.

1. Es kann dahinstehen, ob die Auffassung des Kammergerichts zur Annahme eines Verfolgungshindernisses bei Agenten, die als Bürger der DDR zwar ihre Agententätigkeit nur vom Boden der DDR aus entfaltet, sich gleichwohl aus privaten Gründen zu Besuchen in die Bundesrepublik begeben haben und damit das Risiko einer Strafverfolgung eingegangen sind, zutrifft. Denn die gegen Fluchthelfer gerichtete Tätigkeit der Angeschuldigten, die sich von Dezember 1973 bis Januar 1978 erstreckte, wäre unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der geheimdienstlichen Agententätigkeit verjährt. Ob die Berichte der Angeschuldigten von April 1987 über die Umstände ihrer Vernehmung diesen Tatbestand erfüllen, kann offen bleiben, da jedenfalls insoweit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein Verfolgungshindernis besteht. Ihr übriges Verhalten als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) rechtfertigt nicht den hinreichenden Verdacht einer gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten geheimdienstlichen Agententätigkeit im Sinne des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB.

Die Angeschuldigte stand bereits vor November 1972 in Kontakt mit der Kreisdienststelle Halle des MfS und erklärte sich zur Zusammenarbeit mit dem Ziel der Aufklärung des Handels mit Rauschgift und pornografischen Schriften bereit. Nach einer vorübergehenden Einstellung dieser Informationstätigkeit setzte sie im September 1973 die Zusammenarbeit fort, wobei ihre Verpflichtung gegenüber der Abteilung XX der Verwaltung für Staatssicherheit in Berlin erfolgte. Die "Linie" XX ist innerhalb des MfS zuständig für die Bekämpfung politischer Untergrundtätigkeit und politisch-ideologischer Diversion" mit Hilfe der Durchdringung staatlicher und gesellschaftlicher Bereiche mit Inoffiziellen Mitarbeitern (vgl. Fricke, MfS intern, 1991, S. 28, 32). Damit wurde die Angeschuldigte lediglich als IM zur Ausforschung DDR-interner Vorgänge krimineller und gesellschaftlicher Art eingesetzt. Diese Tätigkeit erfüllt nicht den Tatbestand einer gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten geheimdienstlichen Agententätigkeit im Sinne des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Denn die Zielrichtung der Ausforschungsbemühungen ist auf die internen Verhältnisse der DDR gerichtet, nicht gegen die Bundesrepublik Deutschland, wie es § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB voraussetzt. Im Verlaufe dieser IM-Tätigkeit hat die Angeschuldigte von Dezember 1973 bis Januar 1978 allerdings auch Angaben über ihr bekanntgewordene Ausschleusungen gemacht und sich schließlich als Lockvogel zur Überführung und Festnahme von Fluchthelfern aus der Bundesrepublik zur Verfügung gestellt. Eine solche Bespitzelung von Fluchthelfern ist von der Rechtsprechung mehrfach als geheimdienstliche Agententätigkeit gegen die Bundesrepublik angesehen worden, weil diese Bestrebungen darauf abzielen, die Freizügigkeit der Deutschen einzuschränken und damit auch die staatlichen Interessen der Bundesrepublik berührt werden (vgl. Träger in LK 10. Aufl. § 99 Rdn. 10 m.w.Nachw.). Diese auf die Ausspähung von Fluchthelfern gerichtete geheimdienstliche Agententätigkeit war im Januar 1978 beendet und nach Ablauf von fünf Jahren verjährt (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Nach § 78 a StGB beginnt die Verjährungsfrist mit der Beendigung der Tat, die bei der geheimdienstlichen Agententätigkeit, einem Fall tatbestandlicher Handlungseinheit (BGHSt 42, 215), erst mit dem endgültigen Abbruch der geheimdienstlichen Beziehung eintritt (BGH NJW 1997, 1715, zum Abdruck in BGHSt bestimmt). Da die Ermittlungen für die Zeit nach Januar 1978 keinen Anhaltspunkt dafür ergeben haben, daß die Angeschuldigte weitere Ausforschungsbemühungen gegen Fluchthelfer oder eine sonstige Agententätigkeit gegen die Bundesrepublik entfaltet hätte, muß von einem endgültigen Abbruch dieser geheimdienstlichen Beziehung im Sinne des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB im Januar 1978 ausgegangen werden. Daß die Angeschuldigte nach diesem Zeitpunkt weiterhin ihre Spitzeltätigkeit als IM des MfS zur Ausspähung ihres persönlichen und beruflichen Umfeldes fortgesetzt hat, vermag den Beginn der Verjährung der zuvor daneben auch gegen die Bundesrepublik gerichteten Agententätigkeit nicht hinauszuschieben, denn diese Beziehung zum MfS hat - wie ausgeführt - nicht den Charakter einer geheimdienstlichen Agententätigkeit im Sinne des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB.

Für die Zeit nach Januar 1978 beschreibt die Angeschuldigte selbst ihren Auftrag damit, daß sie während ihrer weiteren beruflichen Tätigkeit in unregelmäßigen Abständen aufgefordert worden sei, über ihr Umfeld Berichte abzugeben (Bl. 365 d.SA). Etwas anderes ergeben auch die Ermittlungen nicht. Die Treffberichte belegen, daß die Angeschuldigte nur noch über Angelegenheiten aus ihrem persönlichen und beruflichen Bereich berichtete. Soweit in der Anklage Angaben über Bekannte aus Berlin (West) erwähnt werden, handelt es sich um Erklärungen der Angeschuldigten über den Schmuggel von mit Heimatliedern bespielten Kassetten, die ihr ihre in P. lebende Mutter über eine in Berlin (West) lebende Bekannte zukommen hat lassen. Auch diese Informationen der Angeschuldigten nach Januar 1978 bewegen sich im Rahmen ihrer DDR-internen Spitzeltätigkeit. Das Kammergericht hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, daß die Befürwortung der beiden Besuchsreisen der Angeschuldigten in die Bundesrepublik durch das MfS aus "Operativen Gründen" nicht belegt, daß diese dort tatsächlich einen geheimdienstlichen Auftrag zu erfüllen hatte, für den es sonst keine Anhaltspunkte gibt, sondern eine Gefälligkeit gegenüber einem IM darstellen kann, um diesem eine Ausreiseerlaubnis zu beschaffen.

Ob die Schilderung der näheren Umstände der Vernehmung der Angeschuldigten durch Beamte des Westberliner Staatsschutzes im April 1987 als geheimdienstliche Agententätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland zu beurteilen ist, kann offen bleiben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu solchen einmaligen Befragungen durch Organe der DDR kommt es auf eine Gesamtwertung des Verhaltens des Befragten an, insbesondere inwieweit er sich zur Vermeidung von Nachteilen einer solchen Befragung nicht entziehen konnte und ob er dabei von sich aus bereitwillig über die von ihm geforderten Angaben hinaus Erkenntnisse offenbart hat (BGHSt 24, 369, 373; 30, 294, 297). Diese den Anwendungsbereich des Tatbestands des § 99 StGB einengenden Grundsätze müssen um so mehr gelten, wenn es sich nicht um die Befragung eines Bürgers der Bundesrepublik Deutschland durch Organe der DDR handelt, sondern wenn ein DDR-Bürger nach seiner Rückkehr von einem Westbesuch über aufgetretene Komplikationen berichtet, die seine Stellung als IM berühren. Das Kammergericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß es für die Angeschuldigte praktisch unumgänglich war, die Tatsache und die Umstände ihrer Vernehmung zu offenbaren. Jedenfalls greifen aber für diesen Tatabschnitt ab April 1987 nach dem letzten Westbesuch die Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts über ein Verfolgungshindernis (BVerfGE 92, 277, 335) unmittelbar ein. Denn durch einen freiwilligen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland konnte die Angeschuldigte nur das Risiko der Strafverfolgung für eine davor liegende geheimdienstliche Agententätigkeit eingehen; ein nachfolgendes, möglicherweise den Tatbestand des § 99 StGB erfüllendes Verhalten würde hiervon nicht berührt.

2. Die Angeschuldigte hat jedoch durch List die Fluchthelfer W. sowie B. und J. Wa. veranlaßt, sich aus Westberlin in die DDR zu Fluchthilfeunternehmen zu begeben und sie damit der Gefahr ausgesetzt, aus politischen Gründen durch Willkürmaßnahmen der Freiheit beraubt zu werden, strafbar als zwei Verbrechen der Verschleppung nach § 234 a Abs. 1 StGB, davon in einem Fall gegen zwei Menschen gerichtet (Brüder Wa.). Bei solchen offensichtlich in schwerwiegender Weise gegen die Menschenrechte verstoßenden Verbrechen bedarf es einer einschränkenden Auslegung, wie sie der Senat zur politischen Verdächtigung nach § 241 a StGB entwickelt hat (BGHSt 40, 125, 135), nicht.

Das Vorspiegeln von Fluchtwilligkeit und das Verschweigen des Umstandes, daß sie im Auftrag und mit Wissen des MfS handelt, ist eine List i.S. des § 234 a Abs. 1 StGB (vgl. Tröndle, StGB 48. Aufl. § 234 Rdn. 3). Die Ermittlungs- und Strafmaßnahmen der DDR-Organe gegen Fluchthelfer wegen "staatsfeindlichen Menschenhandels" nach § 105 Abs. 1 StGB-DDR stellen grundsätzlich eine im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen stehende Verfolgung aus politischen Gründen dar (vgl. zur Anwendbarkeit des § 234 a Abs. 1 StGB auf die Verschleppung von Fluchthelfern LG Berlin, NJ 1993, 518 f., bestätigt durch Beschluß des BGH vom 13. Oktober 1993 gemäß § 349 Abs. 2 StPO - 5 StR 570/93).

Da die Angeschuldigte die Taten durch ihre Telefonanrufe bei dem Fluchthelfer L. in Westberlin und die damit dort hervorgerufene Täuschung der Fluchthelfer sowie ihre Veranlassung, Westberlin zu verlassen und sich zu den Fluchthilfeunternehmen in die DDR zu begeben, auch in Westberlin als Tatort begangen hat, ist nach §§ 3, 9 StGB der Tatbestand des § 234 a StGB unmittelbar anwendbar. Diese Strafvorschrift gilt seit 1. April 1970 auch im Land Berlin, Art. 103 Abs. 2, Art. 105 Abs. 2 1. StrRG (BGBl I 1969, 645, 680).

Die beiden Verschleppungshandlungen stehen zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit, da ein in Tateinheit konkurrierendes Vergehen der geheimdienstlichen Agententätigkeit nicht die Kraft hat, die beiden mit wesentlich höherer Strafe bedrohten Verbrechen zu einer Tat zu verklammern (vgl. BGHSt 31, 29, 31; BGHR StGB § 129 a Konkurrenzen 4; KG NJW 1989, 1373, 1374).

Verjährung ist insoweit noch nicht eingetreten. Die Verjährungsfrist beträgt nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 StGB zwanzig Jahre und ist noch nicht abgelaufen, auch wenn man von einem Fristbeginn gemäß § 78 a StGB mit dem Zeitpunkt der Einreise der Fluchthelfer in die DDR im Januar 1974 ausgeht (vgl. BGHSt 32, 293 f. zum Verjährungsbeginn bei § 241 a StGB), da mit der Anordnung der Beschuldigtenvernehmung zu diesen Tatvorwürfen am 8. Juli 1993 nach § 78 c Abs. 1 Nr. 1 StGB die Verjährung unterbrochen worden ist.

Externe Fundstellen: BGHSt 43, 125; NJW 1997, 2609; NStZ 1997, 490

Bearbeiter: Rocco Beck