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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 506/95, Beschluss v. 15.03.1996, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 3 StR 506/95 - Beschluß vom 15.März 1996 (OLG Düsseldorf)

BGHSt 42, 79; Gesetzlichkeitsprinzip und Bestimmtheitsgrundsatz (Geltung bei Ordnungswidrigkeiten; Auslegung bei Blanketttatbeständen; Bestimmtheit einer kommunalen Baumschutzsatzung in Nordrhein-Westfalen, insbesondere die Bestimmtheit des räumlichen Geltungsbereichs als Grundlage zur Verhängung eines Bußgeldes); Vorlage.

Art. 103 Abs. 2 GG; § 79 Abs. 3 OWiG; § 121 Abs. 2 GVG

Leitsätze

1. Eine das Bußgeldblankett des § 70 Abs. 1 Nr. 17 LandschaftsG NW ausfüllende Gemeindesatzung zum Schutz des Baumbestandes ist hinreichend bestimmt, wenn der räumliche Geltungsbereich auf der Grundlage des § 45 LandschaftsG NW "innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile und des Geltungsbereichs der Bebauungspläne" festgelegt ist. (BGHSt)

2. Artikel 103 Abs. 2 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, daß Tragweite und Anwendungsbereich der Strafnorm zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen (vgl. BVerfGE 75, 329, 341). Diese Verpflichtung gilt auch für Bußgeldtatbestände. Sie dient einem doppelten Zweck. Zum einen soll der Normadressat vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Zum anderen soll sichergestellt werden, daß der Gesetzgeber selbst über die Strafbarkeit oder Ahndbarkeit eines Verhaltens entscheidet (vgl. BVerfGE 75, 329, 341). (Bearbeiter)

3. Das Gebot der Bestimmtheit schließt nicht eine Verwendung von Begriffen aus, die in besonderem Maße der Deutung durch den Richter bedürfen. Auch im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht steht der Gesetzgeber vor der Notwendigkeit, bei der Ausgestaltung von Straf- und Bußgeldtatbeständen der Vielfalt der zu erfassenden Sachverhalte Rechnung zu tragen. Es läßt sich nicht vermeiden, daß in Grenzfällen zweifelhaft sein kann, ob ein konkretes Verhalten noch unter den gesetzlichen Tatbestand fällt oder nicht (vgl. BVerfGE 75, 329, 341, 342). Die Auslegungsbedürftigkeit einer Vorschrift läßt noch nicht die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit entfallen ( BVerfGE 63, 312, 324). Bei der Frage, ob der Gesetzgeber in einer Vorschrift unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet oder sie ins einzelne gehend faßt, verfügt er über einen Gestaltungsspielraum, wobei nicht zuletzt auch Erwägungen der praktischen Handhabbarkeit seine Entscheidung beeinflussen dürfen (BVerfGE 49, 89, 137). (Bearbeiter)

4. Eine Geldbuße kann nach Artikel 103 Abs. 2 GG nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes oder aufgrund einer Rechtsverordnung verhängt werden, die im Rahmen einer nach Inhalt, Zweck und Ausmaß derart bestimmten gesetzlichen Ermächtigung ergangen ist. Gesetze in diesem Sinne sind auch Satzungen von Gemeinden (vgl. BVerfGE 32, 346, 362; BVerfG NStZ 1990, 394). Verwendet der Gesetzgeber Blankettvorschriften, so sind diese mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar, sofern durch sie der "vorgeformte" Tatbestand so hinreichend umschrieben ist, daß die Ahndbarkeit schon aufgrund des Blanketts in Verbindung mit der gesetzlichen Ermächtigungsnorm vorausgesehen werden kann; den ausfüllenden Rechtsvorschriften dürfen nur gewisse Spezifizierungen des Tatbestandes überlassen bleiben (BVerfGE 75, 329, 342; 78, 374, 383; BGHSt 37, 266, 272). (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

Eine das Bußgeldblankett des § 70 Abs. 1 Nr. 17 LandschaftsG NW (LG NW) ausfüllende Gemeindesatzung zum Schutz des Baumbestandes ist hinreichend bestimmt, wenn der räumliche Geltungsbereich auf der Grundlage des § 45 LG NW "innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile und des Geltungsbereichs der Bebauungspläne" festgelegt ist.

Gründe

I. Das Amtsgericht Wuppertal hat den Betroffenen am 22. Dezember 1994 wegen vorsätzlicher Ordnungswidrigkeit nach § 70 Abs. 1 Nr. 17, § 71 Abs. 1 LG NW in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Buchst. a der Satzung zum Schutz des Baumbestandes der Stadt Heiligenhaus in 37 Fällen zu einer Geldbuße von insgesamt 9.250 DM verurteilt. Nach den Feststellungen wollte der Betroffene auf seinem mit zahlreichen Bäumen bewachsenen Grundstück ein Mehrfamilienwohnhaus mit 36 Wohnungen errichten. Obwohl ein großer Teil der vorhandenen Bäume unter die Baumschutzsatzung der Stadt Heiligenhaus fiel und der Betroffene eine Ausnahmegenehmigung nicht beantragt hatte, veranlaßte er die Fällung der Bäume. Nachdem etwa die Hälfte der auf dem Grundstück stehenden Bäume gefällt war, verhinderte ein Mitarbeiter der Stadt zunächst die weitere Fällung. Daraufhin fällte einen Tag später der Betroffene die restlichen Bäume selbst. Von den gefällten Bäumen fielen 37 als schützenswert unter § 3 der Baumschutzsatzung.

Der Betroffene beanstandet mit seiner Rechtsbeschwerde die Annahme des Amtsgerichts, § 2 Abs. 1 der Baumschutzsatzung der Stadt Heiligenhaus beschreibe mit der Formulierung "innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile und des Geltungsbereichs der Bebauungspläne" den räumlichen Geltungsbereich der Satzung hinreichend bestimmt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf möchte die Rechtsbeschwerde als unbegründet verwerfen. Es teilt die Rechtsauffassung des Tatrichters hinsichtlich der Bestimmtheit der Regelung und führt hierzu aus:

Das in Artikel 103 Abs. 2 GG normierte Bestimmtheitsgebot erfordere, Sanktionsvorschriften in ihren Voraussetzungen und ihrem Inhalt so zu fassen, daß sie eine zuverlässige Rechtsanwendung ermöglichen. Das beziehe sich auch auf die Festlegung des örtlichen Geltungsbereichs. Dem werde die angegriffene Satzung gerecht. Sie verwende Begriffe aus dem Baurecht. Bebauungspläne würden in einem förmlichen Verfahren erlassen; sie legten ihren räumlichen Geltungsbereich im einzelnen zeichnerisch fest. Jedermann habe daher die Möglichkeit, sich durch Einsichtnahme darüber zu informieren, ob das Grundstück, auf dem sich ein zu fällender Baum befinde, im Bereich eines Bebauungsplanes liege. Die hinreichende Bestimmtheit sei aber auch insoweit gewahrt, als auf die "im Zusammenhang bebauten Ortsteile" verwiesen werde. Dieser Begriff, welcher auch in § 34 BauGB verwendet werde, habe zu einer umfangreichen Judikatur zu seiner Auslegung geführt. Damit sei hinreichend bestimmbar, ob ein Grundstück hierunter falle oder nicht.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf sieht sich an der beabsichtigten Entscheidung durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. Februar 1993 (3 Ss Owi 1060/92, NVwZ-RR 1993, 615) gehindert. Dieses Gericht hat in einem ähnlichen Fall - es hatte über einen Verstoß gegen § 70 Abs. 1 Nr. 17, § 71 Abs. 1 LG NW in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Buchst. a der Baumschutzsatzung der Stadt Bielefeld zu befinden - die identische Regelung über den räumlichen Geltungsbereich in § 2 Abs. 1 der Baumschutzsatzung ("Schutz des Baumbestandes innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile und des Geltungsbereichs der Bebauungspläne") als nicht hinreichend bestimmt angesehen, da für den Bürger als Normadressaten nicht ohne weiteres erkennbar sei, ob sein Grundstück vom Geltungsbereich der Satzung erfaßt sei. Die Satzung verwende einen unbestimmten Rechtsbegriff, obwohl ihr räumlicher Geltungsbereich auch ohne diesen genügend genau hätte bestimmt werden können. Er hätte zum einen in einer Karte mit genügend großem Maßstab "metergenau" dargestellt werden können. Zum anderen hätte er zusätzlich oder allein textlich umschrieben werden können, indem z.B. die Straßen aufgezählt worden wären, für die die Baumschutzsatzung hätte gelten sollen, oder indem der räumliche Geltungsbereich mit Straßen, markanten Punkten oder Linien beschrieben worden wäre. Mit der getroffenen Regelung habe der Satzungsgeber gegen die Forderung der "optimalen Bestimmtheit" verstoßen.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Sache mit Beschluß vom 21. Juni 1995 nach § 46 Abs. 1 OWiG (gemeint: § 79 Abs. 3 OWiG), § 121 Abs. 2 GVG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt:

Ist die Baumschutzsatzung einer Gemeinde hinreichend bestimmt, wenn sie den örtlichen Geltungsbereich wie folgt festlegt:

"Diese Satzung regelt den Schutzbereich (gemeint ist: den Schutz des Baumbestandes) innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile und des Geltungsbereichs der Bebauungspläne"?

Der Generalbundesanwalt hat beantragt, wie aus der Beschlußformel ersichtlich zu entscheiden.

II. Die Vorlegungsvoraussetzungen nach § 79 Abs. 3 OWiG in Verbindung mit § 121 Abs. 2 GVG sind erfüllt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf kann nicht wie beabsichtigt entscheiden, ohne von der Rechtsansicht des Oberlandesgerichts Hamm abzuweichen. Daß die Vorlegungsfrage landesrechtliche Vorschriften betrifft, ist unerheblich (BGHSt 23, 370, 372; 25, 347, 348). Die Vorlegungspflicht wird auch nicht dadurch berührt, daß sich die beiden Urteile auf Satzungen verschiedener Gemeinden des Landes Nordrhein-Westfalen beziehen. Diese sind, soweit es auf die hier zu entscheidende Rechtsfrage ankommt, im Wortlaut gleich.

Allerdings ist die Vorlegungsfrage zu weit gefaßt. Aus dem Vorlegungsbeschluß ergibt sich jedoch, daß sich die Vorlegungsfrage nicht auf Baumschutzsatzungen allgemein bezieht, die ihren räumlichen Geltungsbereich "innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile und des Geltungsbereichs der Bebauungspläne" festlegen, sondern nur auf solche von Gemeinden des Landes Nordrhein-Westfalen erlassene Baumschutzsatzungen, die auf § 45 LG NW beruhen und das Bußgeldblankett des § 70 Abs. 1 Nr. 17, § 71 Abs. 1 LG NW erfüllen.

III. Der Senat beantwortet die Vorlegungsfrage dahin, daß eine das Bußgeldblankett des § 70 Abs. 1 Nr. 17 LG NW ausfüllende Gemeindesatzung zum Schutz des Baumbestandes hinreichend bestimmt ist, wenn der räumliche Geltungsbereich auf der Grundlage des § 45 LG NW innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile und des Geltungsbereichs der Bebauungspläne festgelegt ist. Er befindet sich in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, das in dem Fall der insoweit wortgleichen Baumschutzsatzung der nordrhein-westfälischen Stadt Marl ebenso entschieden hat (BVerwGE 96, 110).

1. Nach der gesetzlichen Ermächtigung des § 45 LG NW können die Gemeinden durch Satzung den Schutz des Baumbestandes "innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile und des Geltungsbereichs der Bebauungspläne" regeln. Auf diese Vorschrift verweist § 70 Abs. 1 Nr. 17 LG NW. Diese Norm bestimmt, daß ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer Satzung einer Gemeinde nach § 45 LG NW zuwiderhandelt, sofern sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist. Nach § 71 Abs. 1 LG NW können Ordnungswidrigkeiten nach § 70 LG NW mit einer Geldbuße bis zu 100.000 DM geahndet werden.

Auf diese Ermächtigung stützt sich die von der Stadt Heiligenhaus erlassene Satzung zum Schutz des Baumbestandes, die in § 2 den Geltungsbereich benennt - Schutz des Baumbestandes "innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile und des Geltungsbereichs der Bebauungspläne" -, in § 4 die verbotenen Handlungen festlegt - im Geltungsbereich dieser Satzung ist es verboten, geschützte Bäume zu entfernen, zu zerstören ... - und in § 12 Abs. 1 Buchst. a auf die Blankettvorschrift verweist - ordnungswidrig gemäß § 70 Abs. 1 Nr. 17 LG NW handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig geschützte Bäume entgegen den Verboten des § 4 und ohne Ausnahmegenehmigung nach § 6 entfernt, zerstört ... -.

2. Die auf die genannten Vorschriften gestützte Bußgeldregelung ist im Sinne von § 3 OWiG, Art. 103 Abs. 2 GG hinreichend bestimmt.

Artikel 103 Abs. 2 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, daß Tragweite und Anwendungsbereich der Strafnorm zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen (vgl. BVerfGE 75, 329, 341 m.w.Nachw.). Diese Verpflichtung gilt auch für Bußgeldtatbestände (vgl. Leibholz-Rinck-Hesselberger, GG Art. 103 Rz 1148). Sie dient einem doppelten Zweck. Zum einen soll der Normadressat vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Zum anderen soll sichergestellt werden, daß der Gesetzgeber selbst über die Strafbarkeit oder Ahndbarkeit eines Verhaltens entscheidet (vgl. BVerfGE 75, 329, 341).

Das Gebot der Bestimmtheit schließt nicht eine Verwendung von Begriffen aus, die in besonderem Maße der Deutung durch den Richter bedürfen. Auch im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht steht der Gesetzgeber vor der Notwendigkeit, bei der Ausgestaltung von Straf- und Bußgeldtatbeständen der Vielfalt der zu erfassenden Sachverhalte Rechnung zu tragen. Es läßt sich nicht vermeiden, daß in Grenzfällen zweifelhaft sein kann, ob ein konkretes Verhalten noch unter den gesetzlichen Tatbestand fällt oder nicht (vgl. BVerfGE 75, 329, 341, 342). Die Auslegungsbedürftigkeit einer Vorschrift läßt noch nicht die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit entfallen (BVerfGE 63, 312, 324). Bei der Frage, ob der Gesetzgeber in einer Vorschrift unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet oder sie ins einzelne gehend faßt, verfügt er über einen Gestaltungsspielraum, wobei nicht zuletzt auch Erwägungen der praktischen Handhabbarkeit seine Entscheidung beeinflussen dürfen (BVerfGE 49, 89, 137).

Eine Geldbuße kann nach Artikel 103 Abs. 2 GG nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes oder aufgrund einer Rechtsverordnung verhängt werden, die im Rahmen einer nach Inhalt, Zweck und Ausmaß derart bestimmten gesetzlichen Ermächtigung ergangen ist. Gesetze in diesem Sinne sind auch Satzungen von Gemeinden (vgl. BVerfGE 32, 346, 362; BVerfG NStZ 1990, 394). Verwendet der Gesetzgeber Blankettvorschriften, so sind diese mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar, sofern durch sie der "vorgeformte" Tatbestand so hinreichend umschrieben ist, daß die Ahndbarkeit schon aufgrund des Blanketts in Verbindung mit der gesetzlichen Ermächtigungsnorm vorausgesehen werden kann; den ausfüllenden Rechtsvorschriften dürfen nur gewisse Spezifizierungen des Tatbestandes überlassen bleiben (BVerfGE 75, 329, 342; 78, 374, 383; BGHSt 37, 266, 272).

3. Diesen Voraussetzungen entspricht die zur Festlegung des räumlichen Geltungsbereichs der blankettausfüllenden Baumschutzsatzung nach § 45 LG NW verwendete Formulierung "innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile und des Geltungsbereichs der Bebauungspläne". Beide Begriffe sind hinreichend bestimmt.

Bei der Bezugnahme auf den "Geltungsbereich der Bebauungspläne" handelt es sich um eine zulässige "dynamische Verweisung" (vgl. BVerfGE 47, 285, 311 ff.; BVerwGE 96, 110, 115, 116) des Satzungsgebers auf andere Rechtsvorschriften, nämlich auf Ortsrecht der eigenen Gemeinde.

Die Formulierung "innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile" entspricht den in § 34 BauGB verwendeten Worten zur Abgrenzung von Außenbereich und unbeplantem Innenbereich. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff ist dort Anknüpfungspunkt für die Bebaubarkeit einer bestimmten Grundstücksfläche und damit für deren Qualifizierung als Bauland oder aber als nicht bebaubare Außenbereichsfläche. Für die Inhaltsbestimmung des Eigentums i.S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist er somit von wesentlicher Bedeutung. Nach § 34 BauGB ist ein Grundstück innerhalb eines bereits vorhandenen Bebauungszusammenhangs grundsätzlich bebaubar. Ein Bebauungszusammenhang im Sinne des § 34 BauGB ist gegeben, soweit "die aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit (Zusammengehörigkeit) vermittelt" (vgl. BVerwG DöV 1969, 645; BVerwGE 96, 110, 112; BVerwG NVwZ-RR 1989, 6; 1989, 4; OVG Münster NVwZ-RR 1994, 256). Der erfaßte räumliche Bereich ist in der weit überwiegenden Zahl der Anwendungsfälle ohne weiteres aufgrund der Siedlungsstruktur erkennbar. Ergeben sich in Grenzfällen Auslegungsschwierigkeiten, so können diese durch Rücksprache bei der Gemeinde oder durch Einholung von Rechtsrat behoben werden.

4. Nichts anderes gilt für die Verwendung desselben Begriffs hinsichtlich des die Grundrechte weniger stark berührenden Bereichs des Baumschutzes in einer Baumschutzsatzung. § 45 LG NW, dessen Umschreibung des räumlichen Geltungsbereichs des Baumschutzes von den Baumschutzsatzungen der Städte Heiligenhaus und Bielefeld übernommen worden ist, ermächtigt die Gemeinden in Nordrhein-Westfalen, den räumlichen Geltungsbereich der Satzung in der Weise zu bestimmen, daß der Baumschutz "dynamisch" auch auf die Gebiete erstreckt wird, die erst nach Erlaß der Satzung durch die faktische Ausweitung des Bebauungszusammenhangs oder durch die künftige Aufstellung von Bebauungsplänen die gesetzlichen Kriterien erfüllen. Danach darf der Satzungsgeber auch den künftigen Innen- und Planbereich dem Baumschutz unterstellen. Er hat im Wege der dynamischen Verweisung auf das Verweisungsobjekt in seiner jeweiligen Gestalt Bezug genommen, nämlich in dem Sinne, daß Außenbereichsflächen des Gemeindegebiets zum potentiellen Anwendungsbereich der Baumschutzsatzung gehören und daß sich diese Zugehörigkeit aktualisiert, sobald weitere Flächen in einen Planbereich einbezogen werden oder durch Erweiterung der im Zusammenhang bebauten Ortslage die Merkmale des § 34 BauGB aufweisen (BVerwGE 96, 110, 115, 116).

Wie das Bundesverwaltungsgericht näher ausgeführt hat, können andere Festlegungen des räumlichen Geltungsbereichs ungeeignet oder mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden sein. Selbst wenn in der einen oder anderen Gemeinde eine solche Möglichkeit zur Bestimmung des räumlichen Geltungsbereichs der Baumschutzsatzung besser geeignet schiene, wäre - entgegen der Auffassung des OLG Hamm NVwZ-RR 1993, 615, 616 - die hier gewählte Art der Abgrenzung nicht unzulässig. Verfassungsrechtlich geboten ist nicht eine optimale Bestimmtheit um jeden Preis, sondern eine auch unter Berücksichtigung der praktischen Handhabung (vgl. BVerfGE 49, 89, 137) ausreichende Bestimmtheit.

Externe Fundstellen: BGHSt 42, 79; NJW 1996, 1482; NStZ 1996, 342

Bearbeiter: Rocco Beck