hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 809

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 551/24, Beschluss v. 04.03.2025, HRRS 2025 Nr. 809


BGH 3 StR 551/24 - Beschluss vom 4. März 2025 (LG Koblenz)

Abgrenzung zwischen Versuchs- und Vorbereitungshandlung (unmittelbares Ansetzen).

§ 22 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 22. Juli 2024 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) in Fall II. 2. der Urteilsgründe (dort als „Fall 3“ bezeichnet),

b) in den Aussprüchen über die Gesamtstrafen.

Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten unter Freispruch im Übrigen des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, des versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung (Fall II. 2. der Urteilsgründe; dort, der Anklage entsprechend, als Fall 3 bezeichnet; hier deshalb im Folgenden „Fall 3“) sowie den Angeklagten M. überdies der Verabredung zum Raub für schuldig befunden. Letzteren hat es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt, den Angeklagten E. zu einer solchen von acht Jahren. Außerdem hat es Einziehungsentscheidungen getroffen. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel erzielen den aus der Beschussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Soweit hier von Bedeutung, hat das Landgericht die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:

Die Angeklagten vereinbarten, zum Schein im Internet Fahrzeuge zum Verkauf anzubieten. Interessenten wollten sie telefonisch zu abgelegenen Orten zwecks vermeintlicher Geschäftsabwicklung bestellen. Dort sollte den Personen gewaltsam das für den Autokauf mitgeführte Bargeld entwendet werden.

Im hier maßgeblichen Fall 3 inserierte der Angeklagte E. in Ausführung des Tatplans unter Aliaspersonalien auf „mobile.de“ einen näher bezeichneten BMW mit angeblichem Motorschaden für 15.000 €. Nachdem sich ein Interessent gemeldet hatte, bestellte er diesen zu einer K. er Adresse. Dorthin begaben sich die Angeklagten mit einem eigens angemieteten Fluchtfahrzeug. Nach ihrer Vorstellung sollte es unmittelbar nach dem Erscheinen des (einen) Kaufinteressenten zu einer Gewaltanwendung mit dem Ziel der Wegnahme des von diesem mitgeführten Kaufpreises kommen. Hierfür wollte E. Pfefferspray einsetzen. Er erwartete das Opfer an der Straße, während sich M. in Sichtweite verbarg und hinzustoßen sollte, sobald E. zu dem Mann Kontakt aufgenommen hatte.

Die Angeklagten telefonierten miteinander, als wider Erwarten zwei Männer in einem Fahrzeug ohne Transportanhänger eintrafen. Angesichts des Erscheinungsbilds der Personen und der Anwesenheit von zwei Gegnern erkannten die Angeklagten, dass sie ihren eigentlichen Tatplan nicht würden ausführen können. Zudem waren sie unsicher, ob die Männer zum Kauf oder nur zum Besichtigen des Fahrzeugs und deshalb ohne Geld gekommen waren. Deshalb vereinbarten sie den Abbruch ihres Vorhabens. E. verleugnete, etwas mit dem inserierten BMW zu tun zu haben, als einer der Männer ihn ansprach. M. kam hinzu und verwies die „Käufer“ auf nahegelegene Kfz-Werkstätten. Gemeinsam begaben sich die Angeklagten zu ihrem Wagen und fuhren davon.

Das Landgericht hat die Tat als versuchten besonders schweren Raub in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung gewürdigt und unter Anwendung des Strafrahmens aus § 250 Abs. 2 StPO Einzelfreiheitsstrafen von fünf Jahren und zwei Monaten (M.) beziehungsweise fünf Jahren und vier Monaten (E.) verhängt. Eine Strafrahmenverschiebung nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB hat die Strafkammer für beide Angeklagten abgelehnt und dabei ausgeführt, dass „eine enorme Nähe zur Tatvollendung“ gegeben sei.

2. Die Würdigung des Landgerichts hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die getroffenen Feststellungen belegen nicht, dass die Angeklagten die Schwelle zum Versuch überschritten. Dies versteht sich angesichts der Gesamtumstände auch nicht von selbst. Es gilt:

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Dafür ist nicht erforderlich, dass der Täter bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Es genügt, dass er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und in die Tatbestandshandlung unmittelbar einmünden, die mithin - aus der Sicht des Täters - das geschützte Rechtsgut in eine konkrete Gefahr bringen. Dementsprechend erstreckt sich das Versuchsstadium auf Handlungen, die im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen. Dies ist der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreitet und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteile vom 26. August 1986 - 1 StR 351/86, BGHR StGB § 22 Ansetzen 5; vom 25. Oktober 2012 - 4 StR 346/12, BGHR StGB § 22 Ansetzen 36 Rn. 14; Beschluss vom 29. November 2022 - 3 StR 238/22, BGHR StGB § 281 Überlassen 1 Rn. 26; jeweils mwN). Mittäter treten einheitlich in das Versuchsstadium ein, sobald einer von ihnen zur tatbestandlichen Ausführungshandlung ansetzt (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom 6. September 1989 - 3 StR 268/89, BGHSt 36, 249, 250; vom 12. Dezember 2023 - 3 StR 422/23, BGHR StGB/22 Ansetzen 42 Rn. 11).

Hieran gemessen können die Aktivitäten der Angeklagten lediglich Vorbereitungshandlungen gewesen sein, die den Tatbestand der Verabredung eines Verbrechens erfüllen mögen (§ 30 Abs. 2 StGB), nicht aber dessen Versuch. Denn nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen bleiben die zeitlichen und räumlichen Verhältnisse sowie das Vorstellungsbild der Angeklagten letztlich unklar.

In dem gestreckten Ablauf, in dem die Angeklagten zunächst einigen Aufwand betrieben, um den Raub vorzubereiten, bedurfte es für den Erfolg aus ihrer Sicht eines wesentlichen Zwischenschritts: Das Opfer musste an dem vereinbarten Treffpunkt bei dem wartenden E. eintreffen, wo der Überfall stattfinden sollte. Ob diese Hürde genommen war, bevor sich die Angeklagten auf den Abbruch verständigten, lassen die Urteilsgründe offen. Denn sie erläutern nicht, wie weit sich das potenzielle Opfer bereits räumlich angenähert hatte, als die Angeklagten ihren Tatplan verwarfen. Nahe liegt, dass E. den Beifahrer von Weitem oder jedenfalls zu einem Zeitpunkt ausmachte, in dem die Männer noch im Wagen saßen. In diesem Moment bildeten die Distanz und der Schutz durch den PKW ein Hindernis für die Gewaltanwendung. Sollten die Angeklagten die Tatausführung bereits jetzt gestoppt haben, wären die potentiellen Opfer räumlich und zeitlich noch außerhalb der Gefahrenzone gewesen.

Die Feststellungen lassen auch die subjektiven Umstände offen. So bleibt unklar, ob E. nach seiner Vorstellung zum Zeitpunkt des Abbruchs bereits die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschritten hatte. Dagegen spricht, dass er durchgehend mit M. telefonierte, für einen sofortigen Angriff also offenbar noch nicht präpariert war. Außerdem stellten die Angeklagten verschiedene Abwägungen an, was ebenfalls darauf hindeutet, dass die Entscheidung zum Start noch nicht gefallen war. Schließlich wusste E. nicht, welcher der zwei ankommenden Männer hätte überfallen werden müssen, denn er hatte mit dem Interessenten vorher nur telefoniert. Dies alles lässt es jedenfalls nicht ausgeschlossen erscheinen, dass es für ihn eines weiteren Willensimpulses bedurft hätte, um tatsächlich mit der Gewaltanwendung zu beginnen.

Soweit das Landgericht die Kontaktaufnahme des einen Mannes mit E. als Beleg dafür angeführt hat, dass es „nach dem Plan der Angeklagten … in diesem Moment keine weiteren wesentlichen Zwischenschritte geben“ sollte, mithin die Schwelle zum „jetzt geht´s los“ bereits überschritten war (UA 58), hat es verkannt, dass die Angeklagten ihren Tatplan verworfen hatten, bevor der Interessent E. ansprach.

3. Fall 3 bedarf danach neuer Verhandlung und Entscheidung. Dies bringt auch die Gesamtstrafenaussprüche zu Fall. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie eigene Feststellungen zu ermöglichen.

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 809

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede