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HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1150

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 1/23, Beschluss v. 09.08.2023, HRRS 2023 Nr. 1150


BGH 3 StR 1/23 - Beschluss vom 9. August 2023 (LG Osnabrück)

Reihenfolge der Vollstreckung (kein Ausspruch in der Urteilsformel über Nichtanordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt); Einziehung des Wertes von Taterträgen (gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Tatbeteiligter).

§ 67 Abs. 1 StGB; § 73 StGB; § 73c StGB; § 354 Abs. 1 StPO analog

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 2. Juni 2022 geändert

a) im Strafausspruch dahin, dass der Ausspruch über die Nichtanordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt entfällt;

b) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen dahin, dass der Angeklagte in Höhe von 146.500 € als Gesamtschuldner haftet.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „banden- und gewerbsmäßig begangenen Betruges in neun tateinheitlichen Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch geblieben ist, sowie des banden- und gewerbsmäßig begangenen Betruges in drei weiteren Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch geblieben ist“, unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Mainz vom 16. Dezember 2019 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Des Weiteren hat es auf die Einziehung des Wertes „des Taterlangten“ von 149.000 €, davon in Höhe von 7.000 € als Gesamtschuldner, erkannt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat lediglich in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Ausspruch über die Nichtanordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt weist keinen von dem in § 67 Abs. 1 StGB beschriebenen gesetzlichen Normalfall abweichenden Regelungsgehalt auf und kann - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat - entfallen.

2. Der Ausspruch über die Einziehung des Wertes von unzutreffender Weise als „Taterlangtes“ bezeichneten Taterträgen in Höhe von 149.000 € ist rechtsfehlerfrei. Allerdings hat der Angeklagte über den Betrag von 7.000 € hinaus hinsichtlich eines Teilbetrages von insgesamt 146.500 € nicht die alleinige sondern nur Mitverfügungsgewalt an den ertrogenen Geldern und Wertsachen erlangt, weswegen er insoweit gesamtschuldnerischer Haftung unterliegt.

Der Generalbundesanwalt hat insoweit das Folgende ausgeführt:

„Ein Vermögenswert im Rechtssinne ist ,durchʻ die Tat erlangt, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann. Bei mehreren Beteiligten ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand haben. Dies ist der Fall, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf ihn nehmen können. Unerheblich ist bei der gebotenen gegenständlichen (tatsächlichen) Betrachtungsweise dagegen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Täter oder Teilnehmer eine unmittelbar aus der Tat gewonnene (Mit-) Verfügungsmacht später aufgegeben hat und der zunächst erzielte Vermögenszuwachs durch Mittelabflüsse etwa bei Beuteteilung gemindert wurde (Senat, Urt. v. 15. Juni 2022 - 3 StR 29/21, juris Rn. 11; BGH, Urt. v. 13. November 2019 - 5 StR 343/19, Rn. 13).

Gemessen daran hatte der Angeklagte an der Tatbeute in den Fällen 1, 2, 3, 5, 9, 10 und 11 Mitverfügungsgewalt. Denn nach den getroffenen Feststellungen wurde die Tatbeute jeweils von weisungsgebundenen Abholern entgegengenommen, welche die Tatbeute an den „Logistiker“ abzuliefern hatten (UA Bl. 47). In den Fällen 1, 2, 3, 5, 9, 10 und 11 erlangten die Abholer R. und J. von den jeweiligen Geschädigten Tatbeute im Gesamtwert von 142.500 € (7.300 € [Fall 1, UA Bl. 49 f.]; 12.000 € [Fall 2, UA Bl. 50 f.]; 26.000 € [Fall 3, UA Bl. 52]; 30.000 € [Fall 5, UA Bl. 55 f.]; 27.700 € [Fall 9, UA Bl. 64 f.]; 20.500 € [Fall 10; UA Bl. 66 f.] und 19.000 € [Fall 11, UA Bl. 68]), welche sie anschließend weisungsgemäß an den Angeklagten übergaben (in Fall 11 über den Mitangeklagten Ba. [UA Bl. 69]). Der Angeklagte hatte mithin als Hintermann die tatsächliche Verfügungsgewalt über die vereinnahmte Beute. Daneben hatten aber jedenfalls auch die Abholer jeweils faktische Mitverfügungsgewalt über die Beute. Denn die Fahrten waren jeweils von einiger Dauer, weshalb insoweit kein bloß transitorischer Besitz vorlag (vgl. BGH, Urt. v. 15. Juli 2020 - 2 StR 46/20, juris Rn. 16; BGH, Urt. v. 1. Juni 2022 - 1 StR 421/21, juris Rn. 28 ff.). Die sich daraus ergebende gesamtschuldnerische Haftung des Angeklagten ist in der Entscheidungsformel zu kennzeichnen, um eine doppelte Inanspruchnahme zu vermeiden; der individuellen Benennung der anderen Gesamtschuldnerin bedarf es nicht (Senat, Beschl. v. 10. August 2022 - 3 StR 217/22, juris Rn. 8 mwN).

In den Fällen 4 (1.500 €, UA Bl. 54) und 7 (2.500 €, UA Bl. 60) hat der Angeklagte zudem insgesamt Beuteteile aus der jeweiligen Tatbeute i.H.v. 4.000 € von dem Mitangeklagten Ba. erhalten (UA Bl. 54, 60), für welche er gesamtschuldnerisch haftet (UA Bl. 149). In Fall 6 wurde das erbeutete Gold bereits auf der Rückfahrt einem unbekannten Bandenmitglied übergeben. Im Nachgang erhielt der Angeklagte 2.500 € (UA Bl. 58). Insoweit hat das Landgericht eine gesamtschuldnerische Haftung verneint (UA Bl. 149; vgl. BGH, Beschl. v. 24. Oktober 2018 - 1 StR 358/18, juris Rn. 4).“

Dem schließt sich der Senat an und ergänzt den Ausspruch über die Wertersatzeinziehung von Taterträgen gemäß § 354 Abs. 1 StPO analog (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2021 - 3 StR 428/20, juris Rn. 2). Überdies ist zugleich ein offensichtlicher Rechenfehler des Generalbundesanwalts zu berichtigen, der dazu geführt hat, dass der gesamtschuldnerischer Haftung unterliegende Betrag in der Antragsschrift irrtümlich um 1.000 € zu hoch beziffert worden ist. Wird entsprechend den oben wiedergegebenen Ausführungen der Einziehungsbetrag von 149.000 € um 2.500 € reduziert, verbleibt rechnerisch zutreffend der in der Beschlussformel bezeichnete Betrag von lediglich 146.500 €.

3. Angesichts des nur geringfügigen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1150

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede