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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 781

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 93/22, Beschluss v. 03.05.2022, HRRS 2022 Nr. 781


BGH 3 StR 93/22 - Beschluss vom 3. Mai 2022 (LG Duisburg)

Voraussetzungen des Computerbetruges im SEPA-Lastschriftverfahren (Verwendung unrichtiger Daten; unbefugtes Verwenden von Daten; nicht existierende Schuldnerkonten; Gefährdungsschaden durch Gutschrift).

§ 263a StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Eine Eingabe unrichtiger Daten i.S.v. § 263a Abs. 1 Variante 2 StGB liegt unter anderem vor, wenn der Täter als Zahlungsempfänger seiner Bank auf elektronischem Wege einen Lastschriftauftrag im SEPA-Lastschriftverfahren übermittelt und hierbei in der entsprechenden Eingabemaske der Banking-Software eine Kennung verwendet, nach welcher der angeblich Zahlungspflichtige einen Abbuchungsauftrag zugunsten des Täters erteilt haben soll, obwohl ein solcher Auftrag tatsächlich nicht existiert. Das Verhalten des Täters stellt sich insofern als täuschungsäquivalent dar, da er einem gedachten Bankmitarbeiter konkludent die unwahre Tatsache vorspiegeln würde, der angeblich Zahlungspflichtige habe seiner Bank einen Abbuchungsauftrag erteilt. Ob das Konto der vermeintlich Zahlungspflichtigen existiert, ist dabei ohne Belang.

2. Unrichtig i.S.v. § 263a Abs. 1 Variante 2 StGB sind Daten, wenn der durch sie vermittelte Informationsgehalt keine Entsprechung in der Wirklichkeit hat; unvollständig sind sie, wenn sie den zugrundeliegenden Sachverhalt nicht ausreichend erkennen lassen. Unbefugtes Verwenden von Daten i.S.v. § 263a Abs. 1 Variante 3 StGB setzt dagegen grundsätzlich die Benutzung „richtiger“ Daten voraus.

3. Erreicht der Angeklagte durch Einreichung von Lastschriftaufträgen im SEPA-Lastschriftverfahren Gutschriften auf seinem Konto, begründet dies regelmäßig bereits einen Gefährdungsschaden, weil dem Angeklagten bis zum Zeitpunkt einer etwaigen Rücklastschrift die Möglichkeit des Zugriffs auf das Guthaben offensteht. Werden Beträge im weiteren Verlauf auf andere Konten von Beteiligten überwiesen, tritt regelmäßig ein endgültiger Vermögensverlust bei der Gläubigerbank ein, soweit sie für ihre Gutschrift von der Schuldnerbank keinen Ersatz verlangen kann.

Entscheidungstenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 8. Oktober 2021,

soweit es den Angeklagten A. betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben; im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels dieses Beschwerdeführers, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen;

soweit es den Angeklagten B. betrifft, dahin ergänzt, dass die in Frankreich erlittene Auslieferungshaft im Maßstab 1:1 auf die verhängte Freiheitsstrafe anzurechnen ist.

Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Der Beschwerdeführer B. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Beihilfe zum Computerbetrug zu Freiheitstrafen von drei Jahren und sechs Monaten (B.) bzw. zwei Jahren und sechs Monaten (A.) verurteilt. Außerdem hat es gegen beide die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Gegen das Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, die sie auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts stützen. Die Rechtsmittel haben mit der Sachbeschwerde den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Der Angeklagte B. war Geschäftsführer und Alleingesellschafter einer GmbH, für die er ein Geschäftskonto nebst Online-Banking bei der später geschädigten Volksbank eröffnete. Hierbei wurde er von dem Angeklagten A. unterstützt, der als Prokurist der Gesellschaft eingetragen war und als Dolmetscher fungierte. Die entsprechenden Anweisungen zur Kontoeröffnung erhielt A. von Hinterleuten unter anderem über eine E-Mailadresse, auf die er Zugriff hatte. Daneben nahm A. die Handelsregistereintragung der GmbH vor, bestellte bei der Volksbank einen TAN-Generator und installierte unter Mithilfe eines Dritten das TAN-Verfahren für das Geschäftskonto.

Nach Erhalt und Weiterleitung der beantragten Gläubiger-Identifikationsnummer an die Volksbank erteilte diese die Lastschrifteinzugsberechtigung für das Geschäftskonto. Anschließend reichte ein unbekannter Dritter mittels der ihm von B. überlassenen Bankkarte und der erforderlichen Zugangsdaten für das Online-Banking über ein TAN-Lesegerät zahlreiche Lastschriften bei der Bank ein, wodurch von nicht existierenden Schuldnerkonten vermeintliche Beträge von zumeist 5.000 € eingezogen und dem Geschäftskonto der GmbH gutgeschrieben wurden. Insgesamt wurden auf diese Weise innerhalb von ca. zwei Wochen 300 Gutschriften zu Gunsten des Kontos bewirkt, die sich auf einen Gesamtwert von gut 1,6 Mio. € beliefen.

Die Volksbank überprüfte die IBAN der von der GmbH im SEPA-Lastschriftverfahren mitgeteilten Schuldnerkonten lediglich auf Schlüssigkeit, nicht aber darauf, ob sie tatsächlich existierten. Noch bevor sie von den Schuldnerbanken über die fehlende Existenz der jeweiligen Schuldnerkonten informiert wurde, Rücklastschriften vornehmen und das Geschäftskonto sperren konnte, hatten die Hinterleute der Angeklagten unmittelbar nach den Gutschriften vom Geschäftskonto einen Gesamtbetrag von über 600.000 € auf verschiedene weitere Bankkonten überwiesen, die teilweise von B. eröffnet worden waren. Die auf diese Weise übertragenen Gelder hoben beide Angeklagte in Teilen selbst ab oder ermöglichten die Abhebung durch Dritte, denen B. zuvor die Bankkarte überlassen hatte.

Die Angeklagten wussten von Beginn an, dass die Gründung der GmbH und die Eröffnung der Bankkonten allein kriminellen Zwecken unter Verwendung unberechtigter Lastschriften dienten.

II.

1. Revision des Angeklagten A.

a) Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und damit unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

b) Die aufgrund der Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten A. nicht ergeben. Die auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen tragen eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Computerbetrug gemäß § 263a Abs. 1, § 27 Abs. 1 StGB zum Nachteil der Volksbank; jedoch ist entgegen der Ansicht der Strafkammer nicht die Tatvariante der unbefugten Verwendung von Daten (§ 263a Abs. 1 Variante 3 StGB), sondern die der Verwendung unrichtiger Daten (§ 263a Abs. 1 Variante 2 StGB) erfüllt.

aa) Unrichtig sind Daten, wenn der durch sie vermittelte Informationsgehalt keine Entsprechung in der Wirklichkeit hat; unvollständig sind sie, wenn sie den zugrundeliegenden Sachverhalt nicht ausreichend erkennen lassen (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 - 1 StR 416/12, BGHSt 58, 119 Rn. 26; MüKoStGB/Hefendehl/Noll, 4. Aufl., § 263a Rn. 49; Fischer, StGB, 69. Aufl., § 263a Rn. 7). Unbefugtes Verwenden von Daten setzt dagegen grundsätzlich die Benutzung „richtiger“ Daten voraus (vgl. BT-Drucks. 10/5058, S. 30; LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 263a Rn. 40 mwN).

Beim von der GmbH praktizierten SEPA-Lastschriftverfahren wird der Zahlungsvorgang nicht vom Zahlungspflichtigen, sondern vom Zahlungsempfänger aufgrund der Zustimmung des Zahlers gegenüber dem Zahlungsempfänger, dessen Zahlungsdienstleister oder seinem eigenen Zahlungsdienstleister ausgelöst. Der Zahlungsempfänger reicht die Lastschrift bei seinem Kreditinstitut (erste Inkassostelle) ein, das ihm den Betrag vorläufig gutschreibt und erst anschließend von dem Kreditinstitut des Zahlungspflichtigen (Zahlstelle) einzieht (Müller-Gugenberger/Trück/Hadamitzky, Wirtschaftsstrafrecht, 7. Aufl., Rn. 49.28 mwN; Graf/Jäger/Wittig/Dannecker, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 263 Rn. 332). Diesen Vorgang setzten die Hinterleute der Angeklagten durch Verwendung von Phantasie-IBAN und mithin unrichtigen Daten in Gang.

Eine Eingabe unrichtiger Daten liegt unter anderem vor, wenn der Täter als Zahlungsempfänger seiner Bank auf elektronischem Wege einen Lastschriftauftrag im SEPA-Lastschriftverfahren übermittelt und hierbei in der entsprechenden Eingabemaske der Banking-Software eine Kennung verwendet, nach welcher der angeblich Zahlungspflichtige einen Abbuchungsauftrag zugunsten des Täters erteilt haben soll, obwohl ein solcher Auftrag tatsächlich nicht existiert (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 - 1 StR 416/12, BGHSt 58, 119 Rn. 29 für den Fall des Dreieckscomputerbetruges zum Nachteil des Zahlungspflichtigen; MüKoStGB/Hefendehl/Noll, 4. Aufl., § 263a Rn. 60; Müller-Gugenberger/Trück/Hadamitzky, Wirtschaftsstrafrecht, 7. Aufl., Rn. 49.52a; Fischer, StGB, 69. Aufl., § 263a Rn. 7; Graf/Jäger/Wittig/Bär, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 263a Rn. 12a; offengelassen in BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015 - 3 StR 45/15, juris Rn. 6). Das Verhalten des Täters stellt sich insofern als täuschungsäquivalent dar, da er einem gedachten Bankmitarbeiter konkludent die unwahre Tatsache vorspiegeln würde, der angeblich Zahlungspflichtige habe seiner Bank einen Abbuchungsauftrag erteilt (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 - 1 StR 416/12, BGHSt 58, 119 Rn. 29; MüKoStGB/Hefendehl/Noll, 4. Aufl., § 263a Rn. 60 mwN; Müller-Gugenberger/Trück/Hadamitzky, Wirtschaftsstrafrecht, 7. Aufl., Rn. 49.33). So liegt der Fall hier. Ob das Konto der vermeintlich Zahlungspflichtigen existiert, ist dabei ohne Belang.

bb) Die unrichtigen Daten wurden auch verwendet, indem sie von außen in den Datenverarbeitungsprozess eingeführt wurden (MüKoStGB/Hefendehl/Noll, 4. Aufl., § 263a Rn. 51; Schönke/Schröder/Perron, StGB, 27. Aufl., § 263a Rn. 8).

cc) Die Beteiligten beeinflussten im Rahmen der vollautomatisierten Vorgänge durch Einreichung von fingierten Lastschriften mittels Online-Banking unter Verwendung eines TAN-Lesegeräts darüber hinaus das Ergebnis eines unmittelbar vermögensrelevanten Datenverarbeitungsvorgangs.

dd) Die jeweiligen Gutschriften auf dem Geschäftskonto begründeten bereits einen Gefährdungsschaden, weil den Angeklagten bis zum Zeitpunkt der Rücklastschrift die Möglichkeit des Zugriffs auf das Guthaben offenstand (MüKoStGB/Hefendehl/Noll, 4. Aufl., § 263a Rn. 181; Müller-Gugenberger/Trück/Hadamitzky, Wirtschaftsstrafrecht, 7. Aufl., Rn. 49.32a, 49.34; Graf/Jäger/ Wittig/Bär, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 263a Rn. 32). In Höhe derjenigen Beträge, die nachfolgend auf weitere Konten der Beteiligten überwiesen wurden, trat sodann ein endgültiger Vermögensverlust bei der Gläubigerbank ein, weil sie für ihre Gutschrift von der Schuldnerbank keinen Ersatz verlangen konnte.

c) Auch die Einziehungsanordnung weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten A. auf.

d) Hingegen kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben, weil die Strafkammer eine mögliche Strafmilderung nach § 46b StGB nicht erwogen hat.

aa) Nach den von ihr getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte A. bereits im Ermittlungsverfahren umfassende Angaben zum Tatablauf sowie zu seinen eigenen Tatbeiträgen gemacht und dadurch insbesondere zur Identifizierung einer der Hintermänner beigetragen. Dies hat die Strafkammer nach Annahme eines besonders schweren Falles gemäß § 263a Abs. 1 und 2, § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB lediglich im Rahmen der konkreten Strafzumessung als allgemeinen Strafmilderungsgrund berücksichtigt.

bb) Die Urteilsfeststellungen legen es nahe, dass die Voraussetzungen des vertypten Strafmilderungsgrunds des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 StGB, § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. n StPO, § 263a Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB vorlagen. Es ist daher zu besorgen, dass die Strafkammer rechtsfehlerhaft einen besonders schweren Fall nach § 263a Abs. 2, § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB angenommen beziehungsweise eine Strafrahmenverschiebung nach § 46b Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 1 StGB zugunsten des Angeklagten A. nicht in den Blick genommen hat.

Der Umstand, dass der Angeklagte bestritten hat, den kriminellen Hintergrund des Lastschriftbetruges gekannt und eine Entlohnung erhalten zu haben, steht der Anwendung des § 46b StGB nicht entgegen, sondern ist im Rahmen der Prüfung des besonders schweren Falls und der Ermessensausübung nach § 46b Abs. 2 StGB zu berücksichtigen (BGH, Beschlüsse vom 27. März 2012 - 3 StR 83/12, NStZ-RR 2012, 201; vom 14. April 2011 - 2 StR 34/11, StV 2011, 534).

cc) Der Strafausspruch beruht auf dem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht den Angeklagten A. milder bestraft hätte, wenn es den vertypten Milderungsgrund des § 46b StGB angenommen hätte.

2. Revision des Angeklagten B.

a) Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und damit unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

b) Die aufgrund der Sachrüge des Angeklagten gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat weder zum Schuldspruch (vgl. die obigen Ausführungen unter Ziffer II. 1. b]) noch zum Strafausspruch oder zur Einziehungsanordnung einen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben.

c) Das Landgericht hat es jedoch versäumt, gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB in der Urteilsformel eine Bestimmung über den Maßstab zu treffen, nach dem die in Frankreich erlittene Freiheitsentziehung auf die hier erkannte Freiheitsstrafe anzurechnen ist. Dies holt der Senat entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts nach (vgl. zum Anrechnungsverhältnis BGH, Beschlüsse vom 9. Februar 2022 - 3 StR 447/21, juris Rn. 6; vom 25. November 2021 - 4 StR 103/21, juris Rn. 7; vom 1. September 2009 - 3 StR 264/09, NStZ-RR 2010, 27).

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 781

Bearbeiter: Christian Becker