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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 699

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 81/22, Beschluss v. 21.04.2022, HRRS 2022 Nr. 699


BGH 3 StR 81/22 - Beschluss vom 21. April 2022 (LG Kleve)

Führen eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung eines Rauschmittels (Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit; Mindestkonzentration; verfassungskonforme Auslegung); Teleskopschlagstock als Waffe.

§ 24 StVG; § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG; § 2 WaffG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Das Tatbestandsmerkmal „unter der Wirkung“ in § 24a Abs. 2 StVG erfordert keine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit; es ist vielmehr dann gegeben, wenn eine der Substanzen der Anlage zu § 24a StVG im Blut nachgewiesen ist. Auf eine bestimmte Mindestkonzentration im Blut kommt es nach dem Gesetzeswortlaut grundsätzlich nicht an. Im Hinblick auf eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift ist es jedoch erforderlich, dass sich die im Blut nachgewiesene Wirkstoffkonzentration in einem Bereich bewegt, der eine Einschränkung der Fahrtüchtigkeit zumindest als möglich erscheinen lässt.

2. Bei einem Teleskopschlagstock handelt es sich nicht um einen Totschläger i.S. der Anlage 2 zu § 2 Abs. 2 bis 4 WaffG. Bei den Totschlägern handelt es sich um biegsame Gegenstände, welche im Unterschied zu vielen Stahlruten nicht zusammengeschoben werden können und zudem einen oder mehrere Metallköpfe aufweisen. Dementsprechend werden Totschläger auch als flexibler Griff beschrieben, an dessen einem Ende sich eine Beschwerung (meist aus Metall) befindet. Die Biegsamkeit ist wesentliches Kriterium, da nur durch diese die beabsichtigte Verstärkung der Schlagwirkung gewährleistet wird.

Entscheidungstenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 25. Oktober 2021

im Schuldspruch dahin geändert, dass sie jeweils der bewaffneten Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig sind,

in dem den Angeklagten P. S. betreffenden Ausspruch über das Fahrverbot aufgehoben; dieses entfällt.

Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln „in nicht geringer Menge“ in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit einem „vorsätzlichen Verstoß gegen das Waffengesetz“ zu Freiheitsstrafen von drei Jahren verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Gegen den Angeklagten P. S. hat es außerdem ein zweimonatiges Fahrverbot verhängt.

Die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten erzielen den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Das Landgericht hat festgestellt, dass die Angeklagten in einem PKW die Grenze von den Niederlanden nach Deutschland überquerten und dabei wissentlich knapp 1,5 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 17,4 % THC mit sich führten, das unbekannte Hinterleute gewinnbringend verkaufen wollten. Beide trugen während der Fahrt in einer um die Brust gehängten Tasche einen Teleskopschlagstock bei sich. Der Angeklagte P. S., der das Auto fuhr, hatte Marihuana und Kokain konsumiert und eine Konzentration von 0,8 ng/ml THC sowie Benzoylecgonin im Blut, ein Abbauprodukt von Kokain.

2. Der Schuldspruch bedarf der Änderung dahin, dass die Angeklagten jeweils der bewaffneten Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig sind (zur Fassung der Urteilsformel in Fällen einer Strafbarkeit nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG vgl. etwa BGH, Beschluss vom 3. Februar 2015 - 3 StR 632/14, juris Rn. 3).

Die Verurteilung der Angeklagten wegen eines ebenfalls tateinheitlich begangenen „Verstoßes gegen das Waffengesetz“ hat zu entfallen. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG ist unter Strafe gestellt, wer entgegen § 2 Abs. 1 oder 3 WaffG einen Gegenstand führt, der in einer der in der Vorschrift genannten Nummern der Anlage 2 angeführt ist.

Bei dem Teleskopschlagstock handelt es sich zwar um eine Waffe im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 2a WaffG i.V.m. Anlage 1 Unterabschnitt 2 Ziffer 1.1, er unterfällt aber nicht der Strafnorm des § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG. Die dort in Bezug genommene Nr. 1.3.2 der Anlage 2 Abschnitt 1 nennt lediglich Stahlruten, Totschläger und Schlagringe.

Bei den Totschlägern handelt es sich um biegsame Gegenstände, welche im Unterschied zu vielen Stahlruten nicht zusammengeschoben werden können und zudem einen oder mehrere Metallköpfe aufweisen. Dementsprechend werden Totschläger auch als flexibler Griff beschrieben, an dessen einem Ende sich eine Beschwerung (meist aus Metall) befindet. Die Biegsamkeit ist wesentliches Kriterium, da nur durch diese die beabsichtigte Verstärkung der Schlagwirkung gewährleistet wird (Gade/Gade, 2. Aufl. 2018, WaffG § 62 Rn. 40; MüKoStGB/Heinrich, 3. Aufl. 2018, WaffG § 2 Rn. 13). Bei einem Teleskopschlagstock handelt es sich nicht um einen Totschläger i.S. der Anlage 2 zu § 2 Abs. 2 bis 4 WaffG (BGH, Urt. v. 24. Juni 2003 - 1 StR 25/03, NStZ 2004, 111; Beschl. v. 1. Juli 2009 - 2 StR 84/09, NStZ-RR 2009, 355; Gade/Gade, 2. Aufl. 2018, WaffG § 62 Rn. 40; Erbs/Kohlhaas/Pauckstadt-Maihold/Lutz, 238. EL September 2021, WaffG § 52 Rn. 42; Steindorf/B. Heinrich, 10. Aufl. 2015, WaffG § 2 Rn. 12). Da der Teleskopschlagstock nicht bei einer öffentlichen Veranstaltung geführt wurde, kommt auch die Strafvorschrift des § 52 Abs. 3 Nr. 9 i.V.m. § 42 Abs. 1 WaffG nicht in Betracht. Soweit es nach § 42a Abs. 1 Nr. 2 WaffG verboten ist, einen Teleskopschlagstock zu führen, stellt ein Zuwiderhandeln nur eine Ordnungswidrigkeit nach § 53 Abs. 1 Nr. 21a WaffG dar. Da diese tateinheitlich zur Straftat des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verwirklicht worden ist (BGH, Urt. v. 7. Juli 2020 - 1 StR 242/19, BeckRS 2020, 21332), wird nur das Strafgesetz angewendet (§ 21 Abs. 1 OWiG).“

Dem ist zuzustimmen.

Die verhängten Freiheitsstrafen haben trotz der Änderung des Schuldspruchs Bestand. Es ist auszuschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Würdigung niedrigere Strafen festgesetzt hätte. Zum einen hat sie sich bei Annahme minder schwerer Fälle gemäß § 30a Abs. 3 BtMG aufgrund der Bejahung einer Sperrwirkung des § 30 Abs. 1 BtMG an der unteren Grenze von dessen Strafrahmen orientiert. Zum anderen kann die wegen § 21 Abs. 1 Satz 1 OWiG verdrängte Ordnungswidrigkeit bei der Bemessung der Strafe Berücksichtigung finden (KKOWiG/Mitsch, 5. Aufl., § 21 Rn. 14 mwN; BeckOK OWiG/Sackreuther, 34. Ed., § 21 Rn. 13).

3. Das gegen den Angeklagten P. S. verhängte Fahrverbot hat ebenfalls zu entfallen. Zu diesem hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegt:

„Das Landgericht hat den Umstand, dass der Angeklagte unter Wirkung von Tetrahydrocannabinol stand, ausschließlich auf das toxikologische Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Düsseldorf gestützt (UA S. 24), wonach die Blutuntersuchung beim Angeklagten 0,8 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) und Benzoylecgonin ergeben hat (UA S. 10). Das Tatbestandsmerkmal 'unter der Wirkung' erfordert keine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit; es ist vielmehr dann gegeben, wenn eine der Substanzen der Anlage zu § 24a StVG im Blut nachgewiesen ist (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 13. April 2005 - 1 Ss 50/05, NJW 2005, 2168; OLG Bamberg Beschl. v. 27. Februar 2007 - 3 Ss OWi 688/05, NStZRR 2007, 186 mwN). Auf eine bestimmte Mindestkonzentration im Blut kommt es nach dem Gesetzeswortlaut grundsätzlich nicht an. Im Hinblick auf eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift ist es jedoch erforderlich, dass sich die im Blut nachgewiesene Wirkstoffkonzentration in einem Bereich bewegt, der eine Einschränkung der Fahrtüchtigkeit zumindest als möglich erscheinen lässt (vgl. BVerfG Beschl. v. 21. Dezember 2004 - 1 BvR 2652/03, NZV 2005, 270).

Stellt man mit der Rechtsprechung auf die Grenzwerte der Empfehlung der Grenzwertkommission vom 20.11.2002 (abgedr. in BA 2005, 160) ab, ab deren Vorliegen der Nachweis einer konkreten Beeinträchtigung nicht mehr geführt werden muss, ist dieser Grenzwert, der bei THC (Cannabisprodukte) bei 1 ng/ml liegt (BGH, Beschl. v. 14. Februar 2017 - 4 StR 422/15, BeckRS 2017, 105703; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22. September 2010 - 3 (7) SsBs 541/10 - AK 189/10, NZV 2011, 413; König in: Hentschel/König/Dauer Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 24a StVG Rn. 21a), hier bezüglich THC unterschritten. Die Menge des im Blut festgestellten Benzoylecgonins geht aus dem Urteil nicht hervor, so dass unklar bleibt, ob der Grenzwert von 75 ng/ml (König in: Hentschel/ König/Dauer Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 24a StVG Rn. 21a mwN) unterschritten ist. Unterhalb dieser Grenzwerte kommt eine Verurteilung nur in Betracht, wenn Umstände (z.B. drogenbedingte Ausfallerscheinungen) festgestellt werden, aus denen sich ergibt, dass die Fahrtüchtigkeit trotz der relativ geringen Betäubungsmittelkonzentration beeinträchtigt gewesen sein kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 23. Oktober 2014 - 3 C 3/13, NJW 2015, 2439; OLG Celle, Beschl. v. 30. März 2009 - 322 SsBs 57/09, NZV 2009, 300; König in: Hentschel/König/Dauer Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 24a StVG Rn. 21a; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/ Hühnermann, 27. Aufl. 2022, StVG § 24a Rn. 21 ff.). Solches ist hier nicht festgestellt.“

Auch dem schließt sich der Senat an und entscheidet in der Sache selbst (§ 354 Abs. 1 StPO analog).

4. Angesichts des geringen Erfolgs der Revisionen ist es nicht unbillig, die Angeklagten mit den gesamten Kosten ihrer Rechtsmittel zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 699

Bearbeiter: Christian Becker