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HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 269

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 373/21, Beschluss v. 17.11.2022, HRRS 2023 Nr. 269


BGH 3 StR 373/21 - Beschluss vom 17. November 2022 (LG Hamburg)

Vorlage zur Vorabentscheidung (Auslegung der Begriffe „Ursprung in Birma/Myanmar“, „aus Birma/Myanmar ausgeführt“); Verstoß gegen Einfuhrverbote.

Art. 267 Abs. 3 AEUV; Art. 2 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 194/2008; § 34 Abs. 4 Nr. 2 AWG a.F.; § 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AWG

Leitsätze des Bearbeiters

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 194/2008 des Rates vom 25. Februar 2008 zur Verlängerung und Ausweitung der restriktiven Maßnahmen gegen Birma/Myanmar und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 817/2016 (ABl. L 66 vom 10. März 2008, S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1. Ist der Begriff „Ursprung in Birma/Myanmar“ des Art. 2 Abs. 2 a) i) der EG-Verordnung 194/2008 dahin auszulegen, dass keine der nachfolgend aufgeführten Bearbeitungen von in Myanmar gewachsenen Teakholzstämmen in einem Drittstaat (hier: Taiwan) einen Ursprungswechsel bewirkte, so dass es sich bei entsprechend bearbeiteten Teakhölzern weiterhin um „Güter mit Ursprung in Birma/ Myanmar“ handelte: - Entasten und Entrinden von Teakholzstämmen; - Zusägen von Teakholzstämmen zu Teak-Squares (entastete und entrindete sowie zu Holzquadern zugesägte Stämme); - Zersägen von Teakholzstämmen zu Bohlen oder Brettern (Schnittholz)?

2. Ist der Begriff „aus Birma/Myanmar ausgeführt“ des Art. 2 Abs. 2 a) ii) der EG-Verordnung 194/2008 dahin auszulegen, dass nur Güter erfasst wurden, die direkt aus Myanmar in die Europäische Union eingeführt wurden, so dass Güter, die zunächst in einen Drittstaat (hier: Taiwan) verbracht und von dort in die Europäische Union weiter transportiert wurden, der Regelung nicht unterfielen, und zwar unabhängig davon, ob sie im Drittstaat ursprungsbegründend bearbeitet oder verarbeitet wurden?

3. Ist Art. 2 Abs. 2 a) i) der EG-Verordnung 194/2008 dahin auszulegen, dass ein von einem Drittstaat (hier: Taiwan) ausgestelltes Ursprungszeugnis, wonach zersägte beziehungsweise zugesägte und aus Myanmar stammende Teakholzstämme durch diese Bearbeitung im Drittstaat den Ursprung dieses Staates erlangt hätten, für die Beurteilung eines Verstoßes gegen das Einfuhrverbot des Art. 2 Abs. 2 der EG-Verordnung 194/2008 nicht bindend ist?

Entscheidungstenor

I. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 194/2008 des Rates vom 25. Februar 2008 zur Verlängerung und Ausweitung der restriktiven Maßnahmen gegen Birma/Myanmar und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 817/2016 (ABl. L 66 vom 10. März 2008, S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist der Begriff „Ursprung in Birma/Myanmar“ des Art. 2 Abs. 2 a) i) der EG-Verordnung 194/2008 dahin auszulegen, dass keine der nachfolgend aufgeführten Bearbeitungen von in Myanmar gewachsenen Teakholzstämmen in einem Drittstaat (hier: Taiwan) einen Ursprungswechsel bewirkte, so dass es sich bei entsprechend bearbeiteten Teakhölzern weiterhin um „Güter mit Ursprung in Birma/Myanmar“ handelte:

- Entasten und Entrinden von Teakholzstämmen;
- Zusägen von Teakholzstämmen zu Teak-Squares (entastete und entrindete sowie zu Holzquadern zugesägte Stämme);
- Zersägen von Teakholzstämmen zu Bohlen oder Brettern (Schnittholz)?

2. Ist der Begriff „aus Birma/Myanmar ausgeführt“ des Art. 2 Abs. 2 a) ii) der EG-Verordnung 194/2008 dahin auszulegen, dass nur Güter erfasst wurden, die direkt aus Myanmar in die Europäische Union eingeführt wurden, so dass Güter, die zunächst in einen Drittstaat (hier: Taiwan) verbracht und von dort in die Europäische Union weiter transportiert wurden, der Regelung nicht unterfielen, und zwar unabhängig davon, ob sie im Drittstaat ursprungsbegründend bearbeitet oder verarbeitet wurden?

3. Ist Art. 2 Abs. 2 a) i) der EG-Verordnung 194/2008 dahin auszulegen, dass ein von einem Drittstaat (hier: Taiwan) ausgestelltes Ursprungszeugnis, wonach zersägte beziehungsweise zugesägte und aus Myanmar stammende Teakholzstämme durch diese Bearbeitung im Drittstaat den Ursprung dieses Staates erlangt hätten, für die Beurteilung eines Verstoßes gegen das Einfuhrverbot des Art. 2 Abs. 2 der EG-Verordnung 194/2008 nicht bindend ist?

II. Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die Vorlagefragen ausgesetzt.

Gründe

Dem 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs liegen die Revisionen eines Angeklagten und der Einziehungsbeteiligten gegen ein Urteil des Landgerichts Hamburg vom 27. April 2021 zur Entscheidung vor. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Verstoßes gegen ein Einfuhrverbot eines im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlichten unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaften, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient - Myanmar-Embargo -, zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hat es drei Monate der Freiheitsstrafe für bereits vollstreckt erklärt. Zudem hat das Landgericht gegen die Einziehungsbeteiligte die Einziehung von drei beschlagnahmten Baumstämmen und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 3.310.902,98 € angeordnet.

I.

1. Dem Revisionsverfahren liegt - soweit für das Vorabentscheidungsersuchen von Bedeutung - folgender vom Landgericht festgestellter Sachverhalt zugrunde:

Der Angeklagte war alleiniger Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der Einziehungsbeteiligten, der in Hamburg ansässigen Holzhandlung F. GmbH & Co KG, die unter anderem mit in Myanmar geschlagenem Teakholz handelte, das vornehmlich im Bootsbau Verwendung fand.

Die Gesellschaft setzte unter der Führung des Angeklagten die Einfuhr von und den Handel mit Teakholz aus Myanmar auch dann fort, nachdem der Rat der Europäischen Union zur Umsetzung des Gemeinsamen Standpunktes des Rates Nr. 2007/750/GASP vom 19. November 2007 die Verordnung (EG) Nr. 194/2008 des Rates vom 25. Februar 2008 zur Verlängerung und Ausweitung der restriktiven Maßnahmen gegen Birma/Myanmar und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 817/2016 (im Folgenden: Myanmar-Embargo-Verordnung) erlassen hatte, welche die Einfuhr von Teakholz mit Ursprung in Myanmar sowie aus Myanmar ausgeführtem Teakholz untersagte.

Auf Veranlassung des Angeklagten führte die Holzhandlung unter anderem zwischen Oktober 2009 und Mai 2011 in 16 Fällen Teakholz in das Zollgebiet der Gemeinschaft ein (auf weitere vom Landgericht festgestellte Einfuhren kommt es für das Vorlageersuchen nicht an). Der in Taiwan ansässige Lieferant der Holzhandlung des Angeklagten hatte zuvor die Teakholzbäume in Myanmar gefällt, die Stämme nach Taiwan verbracht und in dortigen Sägewerken bearbeitet. Das Landgericht hat drei verschiedene Arten der Bearbeitung der Baumstämme in Taiwan festgestellt: Zum Teil wurden sie lediglich entastet und entrindet, also von Astansätzen und der Baumrinde befreit. In anderen Fällen wurden sie derart gesägt, dass sogenannte Teak-Squares entstanden; das sind entastete und entrindete sowie zu Holzquadern zugesägte Stämme. Schließlich gab es Fälle, in denen die Baumstämme zu Bohlen oder Brettern, mithin zu Teakschnittholz, zersägt wurden. Nach dieser Bearbeitung und versehen mit Ursprungszeugnissen der taiwanesischen Behörden wurde das Holz in allen Fällen per Schiff nach Hamburg (Deutschland) verbracht und dort vom Unternehmen des Angeklagten übernommen.

2. Nach der rechtlichen Würdigung des Landgerichts waren diese Einfuhren zur Tatzeit nach deutschem Recht strafbar gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 2 Außenwirtschaftsgesetz (AWG) in der Fassung vom 27. Mai 2009 (im Folgenden: AWG 2009) in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 a) der EG-Verordnung 194/2008 (Myanmar-Embargo-Verordnung).

§ 34 Abs. 4 Nr. 2 AWG 2009 lautete:

„(4) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer (…) 2. einem im Bundesanzeiger veröffentlichten, unmittelbar geltenden Ausfuhr-, Einfuhr-, Durchfuhr-, Verbringungs-, Verkaufs-, Liefer-, Bereitstellungs-, Weitergabe-, Dienstleistungs-, Investitions-, Unterstützungs- oder Umgehungsverbot eines Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaften zuwiderhandelt, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient.“ Die in der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 288 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) unmittelbar geltende Myanmar-Embargo-Verordnung war, soweit es den hier relevanten Art. 2 Abs. 2 a) anbelangt, am 22. Oktober 2009 im Bundesanzeiger veröffentlicht worden.

Zwar hat das Landgericht angenommen, das Teakholz sei infolge seiner Bearbeitung in Taiwan Ursprungsware dieses Landes geworden. Es liege daher - so das Landgericht - kein Verstoß gegen Art. 2 a) i) Myanmar-Embargo-Verordnung vor. Das Gericht ist jedoch zu der Auffassung gelangt, das Teakholz sei ungeachtet der Verbringung nach Taiwan und der dortigen Sägearbeiten (weiterhin) aus Myanmar im Sinne des Art. 2 Abs. 2 a) ii) Myanmar-Embargo-Verordnung ausgeführt worden, so dass ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 a) ii) Myanmar-Embargo-Verordnung zu bejahen sei.

Da es sich bei der Myanmar-Embargo-Verordnung um ein Zeitgesetz im Sinne des § 2 Abs. 4 Strafgesetzbuch (StGB) gehandelt habe, sei für die Strafbarkeit ohne Bedeutung, dass die Verordnung zwischenzeitlich aufgehoben wurde. Auch sei ohne Relevanz, dass § 34 AWG 2009 nicht mehr in Kraft sei. Denn diese Strafvorschrift sei nicht ersatzlos gestrichen, sondern lediglich durch eine Nachfolgevorschrift des gegenwärtig geltenden Außenwirtschaftsgesetzes (im Folgenden: AWG) ersetzt worden. Verstöße gegen Einfuhrverbote, die in unmittelbar geltenden Rechtsakten der Europäischen Union normiert sind, seien nunmehr gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 a) AWG strafbar. Diese Vorschrift ermögliche im konkreten Fall, weil das Qualifikationsmerkmal des gewerbsmäßigen Handelns gemäß § 18 Abs. 7 Nr. 2 AWG erfüllt sei, eine mildere Bestrafung als das zur Tatzeit geltende Recht und sei deshalb gemäß § 2 Abs. 3 StGB auf den Fall anzuwenden. Das Landgericht Hamburg hat die Verurteilung des Angeklagten daher auf § 18 Abs. 1 Nr. 1 a) AWG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 a) ii) Myanmar-Embargo-Verordnung gestützt.

§ 2 StGB enthält in den Absätzen 3 und 4 folgende Regelungen:

„(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. (…).“

§ 18 AWG bestimmt in Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a) und in Absatz 7 Nummer 2:

„(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

1. einem

a) Ausfuhr-, Einfuhr-, Durchfuhr-, Verbringungs-, Verkaufs-, Erwerbs-, Liefer-, Bereitstellungs-, Weitergabe- oder Investitionsverbot (…) eines im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften oder der Europäischen Union veröffentlichten unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaften oder der Europäischen Union zuwiderhandelt, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahmen dient (…).

(7) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer (…)

2. in den Fällen der Absätze 1, 1a und 2 bis 4 oder des Absatzes 5 gewerbsmäßig (…) handelt (…).“

3. Mit ihren Revisionen wenden sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung und die Einziehungsbeteiligte gegen die Einziehungsentscheidungen. Die Beschwerdeführer rügen die Verletzung materiellen Rechts. Sie stellen den vom Landgericht festgestellten Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht nicht in Frage, vertreten aber die Rechtsauffassung, der Import des in Taiwan in der oben beschriebenen Weise bearbeiteten Teakholzes habe nicht gegen Art. 2 Abs. 2 Myanmar-Embargo-Verordnung verstoßen.

Zum einen seien nicht lediglich Baumstämme aus Myanmar über Taiwan nach Deutschland verbracht, sondern diese in allen Fällen in dem Drittstaat ursprungsbegründend bearbeitet oder verarbeitet worden, weshalb die taiwanesischen Behörden für das Holz auch Zeugnisse ausgestellt hätten, die Taiwan als Ursprungsland auswiesen. Somit seien kein Holz mit Ursprung in Myanmar, sondern taiwanesische Holzerzeugnisse nach Deutschland eingeführt worden, und habe deshalb kein Fall des Art. 2 Abs. 2 a) i) Myanmar-Embargo-Verordnung vorgelegen.

Zum anderen sei das in das Gebiet der Europäischen Union eingeführte Teakholz - entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts Hamburg - nicht im Sinne des Art. 2 Abs. 2 a) ii) Myanmar-Embargo-Verordnung aus Myanmar ausgeführt worden. Denn die Ausfuhr sei in allen Fällen aus Taiwan erfolgt. Art. 2 Abs. 2 a) ii) Myanmar-Embargo-Verordnung habe nur Fälle einer direkten Verbringung der betreffenden Güter aus Myanmar in das Gebiet der Europäischen Gemeinschaften erfasst.

Die Revisionsführer machen geltend, das Normverständnis des Landgerichts, demzufolge auch die Einfuhr von Waren in die Gemeinschaft durch Art. 2 Abs. 2 a) ii) Myanmar-Embargo-Verordnung verboten gewesen sei, die nach ihrer Ausfuhr aus Myanmar zunächst in ein oder mehrere Drittstaaten eingeführt wurden, hätte zur Folge, dass für Art. 2 Abs. 2 a) i) Myanmar-Embargo-Verordnung neben Art. 2 Abs. 2 a) ii) Myanmar-Embargo-Verordnung kein Anwendungsbereich eröffnet gewesen wäre. Denn eine Ware müsse, um ihren Ursprung in Myanmar zu haben, zwingend dort entweder vollständig gewonnen beziehungsweise hergestellt (Art. 23 Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 - im Folgenden: Zollkodex) oder aber wesentlich bearbeitet oder verarbeitet worden sein (Art. 24 Zollkodex). Dafür müsse sie sich aber in Myanmar befunden haben und wäre in der Folgezeit nach dem Rechtsverständnis des Landgerichts stets eine aus Myanmar ausgeführte Ware, auch wenn sie in einem Drittstaat einen dortigen Ursprung begründend bearbeitet oder verarbeitet würde. Die Bestimmung des Art. 2 Abs. 2 a) i) Myanmar-Embargo-Verordnung ginge, wenn die Rechtsauffassung des Landgerichts stimmte, vollständig in Art. 2 Abs. 2 a) ii) Myanmar-Embargo-Verordnung auf.

Die Auslegung von Art. 2 Abs. 2 a) Myanmar-Embargo-Verordnung durch das Landgericht widerstreite zudem Ziel und Zweck dieser Embargoregelung, die inhaltsgleich auch in einer Vielzahl anderer Embargo-Verordnungen der Europäischen Union enthalten sei. Nach dieser üblichen Regelung sollten Güter einem Einfuhrverbot unterworfen sein, die aus dem Sanktionen unterworfenen Land herrühren, nicht aber Produkte, die in einem Drittstaat unter Verwendung von Rohstoffen oder Vorprodukten aus dem sanktionierten Land hergestellt worden sind. Denn der Handel mit Produkten aus Drittstaaten solle nicht eingeschränkt werden. Sobald ein aus dem sanktionierten Land ausgeführtes Gut (Rohstoff oder Vorprodukt) in einem Drittstaat derart bearbeitet oder verarbeitet werde, dass es rechtlich als Ware mit dortigem Ursprung einzustufen sei, gehe es in der neuen Ware auf; das neue Produkt solle nicht dem Sanktionsregime unterworfen sein. Dieser Differenzierung diene die in Art. 2 Abs. 2 a) i) Myanmar-Embargo-Verordnung (und inhaltsgleich in anderen Embargo-Verordnungen) enthaltene Regelung. Das Einfuhrverbot für aus dem sanktionierten Land ausgeführte Güter (Art. 2 Abs. 2 a) ii) Myanmar-Embargo-Verordnung) ergänze diese Bestimmung lediglich, indem bei Gütern, die direkt aus dem sanktionsbetroffenen Staat in die Europäischen Gemeinschaften verbracht werden, auf eine Prüfung des (dortigen) Ursprungs verzichtet werde, weil insofern kein Drittstaat als Handelspartner der Gemeinschaften betroffen sei, dessen in das Gemeinschaftsgebiet importierte Produkte von dem Sanktionsregime ausgenommen sein sollten.

4. Der Generalbundesanwalt hat sich in seiner Antragsschrift an den Bundesgerichtshof, soweit es die Auslegung der einschlägigen Vorschriften der Myanmar-Embargo-Verordnung anbelangt, der oben skizzierten Rechtsauffassung des Landgerichts Hamburg angeschlossen. Er hat dargetan, durch die Bearbeitung des aus Myanmar ausgeführten Teakholzes habe lediglich ein Ursprungswechsel stattgefunden; das Teakholz sei aber nicht zu einer anderen Ware geworden. Die beiden Verbotstatbestände des Art. 2 Abs. 2 a) Myanmar-Embargo-Verordnung hätten insoweit jeweils eigenständige Bedeutung, als Art. 2 Abs. 2 a) i) an die formale Bestimmung des Ursprungs anhand des Zollkodex anknüpfe, während Art. 2 Abs. 2 a) ii) auf den tatsächlichen Akt der Ausfuhr aus Myanmar abstelle. Etwaige Überschneidungen der einzelnen Verbotstatbestände seien dem Willen des Verordnungsgebers geschuldet, ein umfassendes Verbot zu normieren.

II.

Die Entscheidung über die Revisionen hängt von der Beantwortung der streitigen Vorlagefragen ab, so dass der Senat als letztinstanzlich mit der Sache befasstes Gericht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV gehalten ist, die Fragen dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung zu unterbreiten.

Nach den vom Landgericht getroffenen, den Bundesgerichtshof als Revisionsgericht grundsätzlich bindenden tatsächlichen Feststellungen wurden die in Myanmar gefällten Teakholzstämme in Taiwan zugesägt und damit bearbeitet oder verarbeitet. Bei diesem Sachverhalt wäre die Einfuhr des Teakholzes nur dann gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 2 AWG 2009 beziehungsweise § 18 Abs. 1 Nr. 1 a) AWG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 a) Myanmar-Embargo-Verordnung strafbar, wenn

- entweder die Bearbeitung oder Verarbeitung in Taiwan nicht ausreichte, um einen Ursprungswechsel des Teakholzes zu bewirken, und dieses mithin weiterhin seinen Ursprung in Myanmar hatte (Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 a) i) Myanmar-Embargo-Verordnung)

- oder, sollten die in Taiwan verrichteten Sägearbeiten einen Ursprungswechsel bewirkt haben, die Einfuhr in das Gebiet der Europäischen Union verboten war, weil die Baumstämme zunächst (als Vorprodukt) aus Myanmar ausgeführt worden waren (Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 a) ii) Myanmar-Embargo-Verordnung).

Ob eine Strafbarkeit des Angeklagten gegeben ist und in deren Folge eine gegen die Einziehungsbeteiligte gerichtete Einziehung der beschlagnahmten Baumstämme sowie eines Geldbetrages in Höhe des Wertes des erlangten, aber nicht sichergestellten Teakholzes in Betracht kommt, hängt mithin davon ab, wie Art. 2 Abs. 2 a) i) und ii) Myanmar-Embargo-Verordnung auszulegen sind.

Das Vorabentscheidungsverfahren ist erforderlich, denn weder sind die mit den Vorlagefragen aufgeworfenen Rechtsfragen vom Gerichtshof der Europäischen Union bereits entschieden worden („acte éclairé“) noch ist die Anwendung des für den außenwirtschaftlichen Ursprungs- sowie Ausfuhrbegriff maßgeblichen Unionsrechts derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt („acte clair“). Letzteres zeigen auch die im bisherigen Verfahren vertretenen unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Verfahrensbeteiligten.

Im Einzelnen:

1. Art. 2 Abs. 2 a) Myanmar-Embargo-Verordnung untersagte die Einfuhr von Rundholz, Nutzholz und Holzerzeugnissen im Sinne des Anhangs I der Verordnung, sofern

„i) es sich um Güter mit Ursprung in Birma/Myanmar handelt oder

ii) sie aus Birma/Myanmar ausgeführt wurden;“

Nach Art. 2 Abs. 3 Myanmar-Embargo-Verordnung wurde der Ursprung der Ware

„anhand der einschlägigen Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 ermittelt.“,

also des Zollkodex. In dessen Art. 23 heißt es unter anderem:

„(1) Ursprungswaren eines Landes sind Waren, die vollständig in diesem Land gewonnen oder hergestellt worden sind.

(2) Vollständig in einem Land gewonnene oder hergestellte Waren sind:

(…) b) pflanzliche Erzeugnisse, die in diesem Land geerntet worden sind;“.

Art. 24 des Zollkodex bestimmt:

„Eine Ware, an deren Herstellung zwei oder mehrere Länder beteiligt waren, ist Ursprungsware des Landes, in dem sie der letzten wesentlichen und wirtschaftlich gerechtfertigten Bearbeitung oder Verarbeitung unterzogen worden ist, die in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen worden ist und zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt.“ 2. Da das in Myanmar geschlagene und letztlich in die Bundesrepublik Deutschland eingeführte Teakholz nach den Feststellungen des Landgerichts in Taiwan zu (teil-)entrindetem Rundholz, Teak-Squares oder Teakschnittholz weiterverarbeitet wurde, waren an dessen Herstellung zwei Länder beteiligt.

a) Taiwanesische Ursprungsware kann das in Myanmar geschlagene und mithin im Sinne des Art. 23 Abs. 1 und 2 b) Zollkodex dort geerntete Teakholz, das damit jedenfalls zunächst Ursprungsware aus Myanmar war, indes nur geworden sein, wenn in dem Befreien von Ästen und groben Ansägen von Rundholz, dem Zusägen der von Ästen und Rinde befreiten Stämme zu einem quadratischen Querschnitt (sogenannte Teak-Squares) oder dem Zuschneiden zu Bohlen und Brettern (Teakschnittholz) eine letzte wesentliche und wirtschaftlich gerechtfertigte Bearbeitung oder Verarbeitung des Teakholzes in einem dazu eingerichteten Unternehmen zu sehen wäre, die zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses führte oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellte.

Davon sind, wie dargetan, im vorliegenden Verfahren sowohl das Landgericht als auch die übrigen am Verfahren Beteiligten ausgegangen.

b) Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob die Bearbeitung des in Myanmar geschlagenen Teakholzes in Taiwan derart wesentlich war, dass es gemäß Art. 24 Zollkodex Ursprungsware Taiwans wurde. Der Senat neigt dazu, diese Frage zu verneinen, und zwar für alle hier in Rede stehenden Arten der Holzbearbeitung.

Denn der Europäische Gerichtshof hat bereits dahin erkannt, dass Vorgänge, welche die Aufmachung eines Erzeugnisses im Hinblick auf seine Verwendung betreffen, nicht aber zu einer erheblichen qualitativen Änderung seiner Eigenschaften führen, dessen Ursprung nicht bestimmen können (vgl. EuGH, Urteile vom 26. Januar 1977 - C-49/76, Rn. 6, ECLI:EU:C:1977:9; vom 23. Februar 1984 - C-93/83, Rn. 13, ECLI:EU:C:1984:78). Vor diesem Hintergrund ist das Vermahlen von Rohcasein auf verschiedene Feinheitsgrade als nicht ursprungsbegründend angesehen worden, weil hierdurch ausschließlich eine Änderung der Konsistenz dieses Erzeugnisses sowie seiner Aufmachung im Hinblick auf seine Weiterverwendung bewirkt worden sei (EuGH, Urteil vom 26. Januar 1977 - C-49/76, Rn. 7, ECLI:EU:C:1977:9). Auch das Entbeinen, Entsehnen, Entfetten, Zerlegen in Teile und Vakuumverpacken von Rindfleisch ist nicht als ursprungsbegründende Verarbeitung gewertet worden, weil dessen hauptsächliches Ergebnis sei, dass die verschiedenen Teile eines Tierkörpers nach ihrer Qualität und ihren vorgegebenen Eigenschaften aufgeteilt und ihre Aufmachung zu Vertriebszwecken verändert würden (EuGH, Urteil vom 23. Februar 1984 - C-93/83, Rn. 10, 14, ECLI:EU:C:1984:78).

Gleichwohl ist die Anwendung des Unionsrechts hier nicht derart offenkundig, dass sie im Sinne eines „acte clair“ keinen vernünftigen Zweifeln unterläge. Denn das Zuschneiden von Teakrohholz zu Teakschnittholz führt immerhin zu einem Tarifsprung im Zolltarifschema (Rohholz: HS-Position 4403; Schnittholz mit einer Dicke von mehr als sechs Millimetern: HS-Position 4407), wohingegen die Aufmachung ändernde Vorgänge solche weder bei Rindfleisch (HS-Position 0201 [frisch oder gekühlt] beziehungsweise HS-Position 0202 [gefroren]) noch bei Casein (HS-Position 3501) bewirken.

Eine derartige Änderung der zolltariflichen Einreihung auf der Ebene der vierstelligen HS-Position könnte ein Indiz für das Vorliegen einer wesentlichen Behandlung einer Ware sein, weil das Harmonisierte System stufenweise von den Naturprodukten und Rohstoffen zu den Waren immer höherer Verarbeitungsgrade aufgebaut ist und ein Positionswechsel daher in der Regel einen für die Ursprungsbegründung hinreichenden Arbeits- und Kapitaleinsatz voraussetzt (vgl. Krenzler/Herrmann/Niestedt/Schumann, EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, 12. EL, Art. 60 UZK Rn. 7; Witte/Stein, Zollkodex der Union, 8. Aufl., Vor Art. 59 bis 68 Rn. 41).

Auch wenn Anhang 22-03 Delegierte Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom 28. Juli 2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union und auch schon Anhang 15 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaft lediglich Regeln für den Präferenzursprung treffen, könnte bedeutsam sein, dass dort als ursprungsverleihender Vorgang bei Holz grundsätzlich das „Herstellen aus Vormaterialien jeder Position, ausgenommen aus Vormaterialien derselben Position wie die hergestellte Ware oder das Herstellen, bei dem der Wert aller verwendeten Vormaterialien 70 von Hundert des Ab-Werk-Preises der Ware nicht überschreitet“ genannt wird, wobei als Ausnahme für Holz der HS-Position 4407 als ursprungsverleihender Vorgang „Hobeln, Schleifen oder Keilverzinken“ beziehungsweise „Hobeln, Schleifen oder an den Enden Verbinden“ gefordert wird.

Für die Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Revisionen im vorliegenden Verfahren kommt es mithin auf die Beantwortung der ersten Vorlagefrage an.

3. Sollte das verfahrensgegenständliche Teakholz, zumindest aber das Teakholz, dessen zolltarifliche Einreihung sich infolge der Sägearbeiten in Taiwan änderte, taiwanesische Ursprungsware geworden sein, so dass seine Einfuhr in die Gemeinschaft nicht gegen Art. 2 Abs. 2 a) i) Myanmar-Embargo-Verordnung verstieß, käme es für die Entscheidung über die Revisionen darauf an, ob die Einfuhr einer Ware mit Ursprung in einem Drittstaat gegen Art. 2 Abs. 2 a) ii) Myanmar-Embargo-Verordnung verstieß, sofern ein Rohstoff oder Vorprodukt, aus dem die Ware in dem Drittstaat gefertigt wurde, aus Myanmar (in den Drittstaat) ausgeführt wurde (zweite Vorlagefrage).

Wäre - wozu der Senat neigt - der Begriff „aus Birma/Myanmar ausgeführt“ des Art. 2 Abs. 2 a) ii) Myanmar-Embargo-Verordnung entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts Hamburg und des Generalbundesanwalts dahin auszulegen, dass nur Güter erfasst wurden, die direkt aus Myanmar in die Europäische Union eingeführt wurden, so dass Güter, die zunächst in einen Drittstaat (hier: Taiwan) verbracht und von dort in die Europäische Union weiter transportiert wurden, der Regelung nicht unterfielen, und zwar unabhängig davon, ob sie im Drittstaat ursprungsbegründend bearbeitet oder verarbeitet wurden, hätte der Angeklagte Art. 2 Abs. 2 a) ii) Myanmar-Embargo-Verordnung nicht zuwidergehandelt. Sollte die Teakholzbearbeitung in Taiwan ursprungsbegründend gewesen sein und damit kein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 a) i) Myanmar-Embargo-Verordnung vorgelegen haben, hätte er sich dann nicht strafbar gemacht.

Sollte dagegen Art. 2 Abs. 2 a) ii) Myanmar-Embargo-Verordnung mit dem Landgericht Hamburg und dem Generalbundesanwalt dahin auszulegen sein, dass eine Ausfuhr aus Myanmar auch dann vorlag, wenn die in das Gebiet der Europäischen Union eingeführte Ware oder ein Vorprodukt dieser ursprünglich aus Myanmar stammte und entweder die Ware über einen Drittstaat eingeführt wurde oder das aus Myanmar stammende Vorprodukt in einen Drittstaat geliefert, dort ursprungsbegründend verarbeitet und anschließend das neue Produkt eingeführt wurde, wäre eine Strafbarkeit des Angeklagten unabhängig vom Regelungsgehalt des Art. 2 Abs. 2 a) i) Myanmar-Embargo-Verordnung gegeben.

Daher kommt es für die Entscheidung des Senats im vorliegenden Revisionsverfahren auf die zweite Vorlegungsfrage an. Auch insofern kann eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht unterbleiben, weil die richtige Auslegung des Art. 2 Abs. 2 a) ii) Myanmar-Embargo-Verordnung nicht im Sinne eines „acte clair“ offensichtlich und zweifelsfrei ist. Das manifestiert sich bereits in der skizzierten Rechtsauffassung des Landgerichts Hamburg und des Generalbundesanwalts. Dieser ist jedoch entgegenzuhalten, dass nach ihr - worauf die Revisionsbegründung des Angeklagten zutreffend hinweist - zum einen Art. 2 Abs. 2 a) i) Myanmar-Embargo-Verordnung keinen eigenständigen Anwendungsbereich gehabt hätte und zum anderen Produkte aus Drittstaaten, die aus Rohstoffen oder Vorprodukten aus Myanmar hergestellt wurden, dem Einfuhrverbot unterlegen hätten, was der Intention des Embargoregimes widerstreiten dürfte.

4. In den Einfuhrfällen, die diesem Vorabentscheidungsersuchen zu Grunde liegen, hatten taiwanesische Behörden Ursprungszeugnisse ausgestellt, wonach die zersägten beziehungsweise zugesägten aus Myanmar stammenden Teakholzstämme durch die Bearbeitung in Taiwan den Ursprung dieses Staates erlangten. Der Senat unterbreitet dem Europäischen Gerichtshof daher auch die dritte Vorlegungsfrage zur Entscheidung, ob diese Ursprungszeugnisse für die Beurteilung eines Verstoßes gegen das Einfuhrverbot des Art. 2 Abs. 2 Myanmar-Embargo-Verordnung bindend sind, wenngleich er nicht verkennt, dass insofern Rechtsprechung des Gerichtshofs vorliegt, nach der keine generelle Rechtspflicht zur Anerkennung von Ursprungszeugnissen von Drittstaaten besteht (vgl. EuGH, Urteile vom 25. Juli 2018 - C-574/17 P, Rn. 48 ff., ECLI:EU:C: 2018:598; vom 25. Februar 2010 - C-386/08, Rn. 73, ECLI:EU:C:2010:91).

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 269

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede