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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 807

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 138/21, Beschluss v. 16.06.2021, HRRS 2021 Nr. 807


BGH 3 StR 138/21 - Beschluss vom 16. Juni 2021 (LG Düsseldorf)

Freiheitsberaubung auf andere Weise durch Bedrohung (angedrohtes Übel; gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben; Bedrohung zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Freiheitsentziehung; Konkurrenzen).

§ 239 StGB; § 241 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Eine Freiheitsberaubung „auf andere Weise“ durch eine Bedrohung erfüllt den objektiven Tatbestand des § 239 StGB nicht bereits bei jeder Drohung mit einem empfindlichen Übel; das angedrohte Übel muss vielmehr den Grad einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erreichen. 2. Einer Bedrohung (§ 241 StGB) kommt im Verhältnis zu einer Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) kein eigenständiger Unrechtsgehalt zu, sofern sie ausschließlich der Aufrechterhaltung der Freiheitsentziehung dient.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 8. Dezember 2020 im Schuldspruch dahin geändert, dass er in Fall 4 der Urteilsgründe wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Körperverletzung schuldig ist.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Erschleichens von Leistungen unter Einbeziehung mehrerer früher gegen ihn verhängter Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Daneben hat es den Angeklagten der Körperverletzung in zwei Fällen, der Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Körperverletzung und mit Bedrohung, der gefährlichen Körperverletzung, des vorsätzlichen unerlaubten Führens einer Schusswaffe, des Besitzes von Betäubungsmitteln und des Erschleichens von Leistungen in neun Fällen schuldig gesprochen und auf eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten erkannt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs; das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Nach den zu Fall 4 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen forderte der Angeklagte die Geschädigte mit einem Küchenmesser in der Hand auf, sich auf den Fußboden des Wohnzimmers zu setzen. Dem kam sie aus Angst vor Angriffen mit dem Messer nach. Sodann hielt der Angeklagte ihrem Hund und anschließend ihr die Klinge mit den Worten an den Hals, er werde ihr die Kehle durchschneiden, was die Geschädigte in Todesangst versetzte. Der Angeklagte erlaubte ihr für etwa eine halbe Stunde nicht, ihren Sitzplatz auf dem Boden zu verlassen. Danach zog er sie an den Haaren in das Schlafzimmer und boxte sie in die Magengegend, wodurch sie für kurze Zeit unter Bauchschmerzen und Atembeschwerden litt.

Das Landgericht hat die Tat rechtlich als Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und mit Bedrohung gewürdigt. Dem Halten des Messers an den Hals verbunden mit der Äußerung, ihr die Kehle durchzuschneiden, komme ein eigener, über die Freiheitsberaubung hinausgehender Unrechtsgehalt zu.

2. Soweit das Landgericht Tateinheit zwischen Freiheitsberaubung und Bedrohung angenommen hat, hält diese konkurrenzrechtliche Bewertung der Überprüfung nicht stand. Denn der Bedrohung kommt vorliegend kein eigenständiger Unrechtsgehalt zu, weil sie ausschließlich der Aufrechterhaltung der Freiheitsentziehung diente.

Der Angeklagte beging den objektiven Tatbestand der Freiheitsberaubung auf andere Weise als durch Einsperren. Hierfür genügt aber nicht bereits jede Drohung mit einem empfindlichen Übel; das angedrohte Übel muss vielmehr den Grad einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erreichen (vgl. BGH, Urteile vom 25. Februar 1993 - 1 StR 652/92, BGHR StGB § 239 Abs. 1 Freiheitsberaubung 2; vom 22. Januar 2015 - 3 StR 410/14, NStZ 2015, 338, 339 mwN). Das Erfordernis einer qualifizierten Nötigungshandlung ist nicht schon durch das Halten des Messers an den Hals des Hundes, sondern erst durch die entsprechende Handlung und Äußerung gegenüber der Geschädigten selbst erfüllt.

Diese Todesdrohung gegenüber der Geschädigten diente ausschließlich dem Zweck, ihr die Möglichkeit der Fortbewegung zu nehmen, indem sie etwa eine halbe Stunde auf dem Fußboden sitzen bleiben musste. Da der Angeklagte gerade hierdurch die Geschädigte der Freiheit beraubte, wird vorliegend § 241 StGB durch § 240 StGB und dieser von § 239 Abs. 1 StGB verdrängt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 1997 - 2 StR 443/97, BGHR StGB § 239 Abs. 3 Behandlung 1).

3. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer hätte verteidigen können. Die in diesem Fall verhängte Einzelstrafe bleibt angesichts des unveränderten Unrechts- und Schuldgehalts der Tat von der Änderung des Schuldspruchs unberührt.

4. Wegen des geringen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 807

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2021, 281

Bearbeiter: Christian Becker