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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 805

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 135/21, Beschluss v. 16.06.2021, HRRS 2021 Nr. 805


BGH 3 StR 135/21 - Beschluss vom 16. Juni 2021 (LG Oldenburg)

Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (Gefahr künftiger Straftaten).

§ 64 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt setzt nicht zwingend voraus, dass von dem Angeklagten künftig mit der Anlasstat vergleichbare Taten drohen. Vielmehr ist die Gefahr beliebiger künftiger Straftaten ausreichend, solange diese erheblich sind.

Entscheidungstenor

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 2. Dezember 2020 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten führt in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des Urteils; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht von einer Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgesehen.

Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 22. April 2021 Nachfolgendes ausgeführt:

„Die Angeklagte hat den Hang zum Rauschmittelkonsum (UA S. 21 [zweiter Absatz]) und die Tat hatte ihre Ursache in diesem Hang (UA S. 21 [erster Absatz]). Mit der vom Landgericht gegebenen Begründung kann die Gefahr weiterer erheblicher Straftaten infolge des Hanges nicht verneint werden. Das Landgericht geht ohne Rechtsfehler davon aus, dass die Angeklagte auf Grund ihres Hanges weitere Straftaten begehen wird (UA S. 32 [erster Absatz]). Angesichts dessen ist die Begründung für die unterlassene Anordnung der Maßregel rechtlich bedenklich. Die Strafkammer scheint davon auszugehen, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nur dann möglich ist, wenn von der Angeklagten künftig mit der Anlasstat vergleichbare Taten drohen (UA S. 32 [vierter Absatz]). Dies ist unzutreffend. Die Gefahr beliebiger künftiger Straftaten ist ausreichend, solange diese erheblich sind (BGH, Beschluss vom 28. August 2007 - 4 StR 305/07 -, juris Rn. 2; MüKoStGB/van Gemmeren StGB § 64 Rn. 48).“

Dem schließt sich der Senat an. Da auch die weiteren Voraussetzungen des § 64 StGB gegeben sein können, bedarf die Sache insoweit unter Heranziehung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 Satz 2 StPO) neuer Verhandlung und Entscheidung.

Es hindert eine Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht, dass nur die Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Beschwerdeführerin hat die Nichtanordnung der Maßregel auch nicht von ihrem Rechtsmittelangriff ausgenommen.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 805

Bearbeiter: Christian Becker