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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 602

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 13/21, Beschluss v. 10.03.2021, HRRS 2021 Nr. 602


BGH 3 StR 13/21 - Beschluss vom 10. März 2021 (LG Wuppertal)

Konkurrenzen bei den Brandstiftungsdelikten (schwere Brandstiftung; besonders schwere Brandstiftung; Brandstiftung mit Todesfolge; Versuch; Tateinheit; Gesetzeskonkurrenz).

§ 306a StGB; § 306b StGB; § 306c StGB; § 52 StGB

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 27. August 2020 wird verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung mit Todesfolge in drei Fällen schuldig ist.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „versuchten Mordes in drei Fällen, davon in einem Fall in sechs rechtlich zusammentreffenden Fällen, in einem Fall in dreizehn rechtlich zusammentreffenden Fällen und in einem weiteren Fall in sechzehn rechtlich zusammentreffenden Fällen, jeweils in Tateinheit mit versuchter schwerer Brandstiftung sowie mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, führt aber zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs.

I. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen entzündete der Angeklagte in drei verschiedenen Nächten im August und September 2019 in den Kellern und Treppenhäusern von mehrgeschossigen Häusern in W., in denen sich jeweils etliche Wohnungen befanden und an die in geschlossener Bauweise andere Wohnhäuser unmittelbar angrenzten, an mehreren Stellen leicht entflammbare Gegenstände mit hoher Brandlast. Die Feuer konnten jedes Mal von der Feuerwehr gelöscht werden, bevor es zu einem eigenständigen Brand oder einer Zerstörung wesentlicher Gebäudebestandteile kam. Jedoch hätte es in allen Fällen ohne das schnelle Eingreifen der Feuerwehr zu Vollbränden sowohl der brandbetroffenen als auch der angrenzenden Wohnhäuser einschließlich der jeweiligen Wohnungen und dadurch bedingter Lebensgefahr für eine unbestimmte Vielzahl von Personen kommen können. Zudem wurden durch starke Verrauchungen der Treppenhäuser in allen Fällen die zur Zeit der Brandlegungen in ihren Wohnungen in den betroffenen Häusern schlafenden Personen konkret an Leib und Leben gefährdet. Einige Hausbewohner konnten jeweils nur unter konkreter Lebensgefahr durch die bereits massiv verrauchten Treppenhäuser ins Freie fliehen, andere wurden von der Feuerwehr - teilweise über Drehleitern - aus ihren Wohnungen gerettet. Bei allen drei Brandlegungen hielt der Angeklagte es für möglich und nahm billigend in Kauf, dass die Wohnhäuser in Vollbrand geraten, die Brände auf angrenzende Wohngebäude übergreifen und die zur Tatzeit in den Wohnungen arglos schlafenden Bewohner, deren genaue Zahl er nicht kannte, die ihm aber gleichgültig war, durch die Feuer oder Rauchgasintoxikationen ums Leben kommen würden.

II. Soweit das Landgericht den Angeklagten in allen drei Fällen des heimtückisch und mit gemeingefährlichen Mitteln begangenen versuchten Mordes für schuldig befunden und dabei hinsichtlich der Zahl der jeweils in gleichartiger Tateinheit begangenen versuchten Mordtaten auf die Zahl der zum Tatzeitpunkt in den betroffenen Häusern schlafenden Personen abgestellt hat, begegnet der von insgesamt rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragene Schuldspruch keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Der Senat fasst insofern lediglich der Klarheit und Einfachheit halber den Schuldspruch neu (§ 260 Abs. 4 Satz 5 StPO). Zwar empfiehlt es sich grundsätzlich auch bei gleichartiger Tateinheit, dies im Urteilsspruch kenntlich zu machen. Davon kann aber abgesehen werden, wenn - wie hier - der Tenor unübersichtlich würde (BGH, Urteil vom 27. Juni 1996 - 4 StR 3/96, NStZ 1996, 610, 611; MüKoStPO/Maier, § 260 Rn. 266; KKStPO/Ott, 8. Aufl., § 260 Rn. 34; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 260 Rn. 26).

Die Beurteilung, der Angeklagte habe durch alle drei Brandlegungen zudem die Straftatbestände der versuchten schweren Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB und versuchten besonders schweren Brandstiftung nach § 306b Abs. 2 Nr. 1, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB verwirklicht, ist als solche gleichfalls frei von Rechtsfehlern. Allerdings hat der Angeklagte jeweils auch die Voraussetzungen des Straftatbestandes der versuchten Brandstiftung mit Todesfolge nach §§ 306c, 22, 23 Abs. 1 StGB in der Variante des Versuchs der Erfolgsqualifikation erfüllt. Die versuchte Brandstiftung mit Todesfolge verdrängt im Wege der Gesetzeskonkurrenz sowohl die versuchte schwere Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB als auch die versuchte besonders schwere Brandstiftung nach § 306b Abs. 2 Nr. 1, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 28. November 2017 - 2 StR 350/17, juris; MüKoStGB/ Radtke, 3. Aufl., § 306b Rn. 43; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 306c Rn. 7; siehe auch BGH, Beschluss vom 31. August 2004 - 1 StR 347/04, NStZ-RR 2004, 367). Der Senat hat den Schuldspruch daher entsprechend geändert; § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte hinsichtlich aller drei Taten die Merkmale des Straftatbestandes der versuchten Brandstiftung mit Todesfolge sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht eingeräumt hat.

Es kann deshalb offen bleiben, ob die Annahme der Strafkammer, der Straftatbestand der versuchten schweren Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB werde nicht von dem der versuchten besonders schweren Brandstiftung gemäß § 306b Abs. 2 Nr. 1, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB verdrängt (vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom 8. April 2020 - 3 StR 75/20, StV 2020, 585; vom 17. Dezember 2014 - 4 StR 556/14, NStZ 2015, 464; vom 14. Januar 2014 - 1 StR 628/13, NJW 2014, 1123; siehe aber auch BGH, Beschluss vom 31. August 2004 - 1 StR 347/04, NStZ-RR 2004, 367), zutreffend ist.

Der Straf- und der Maßregelausspruch bleiben von der Schuldspruchänderung unberührt. Angesichts des hohen Strafrahmens des § 306c StGB ist auszuschließen, dass die Strafkammer zu milderen Einzelstrafen und einer geringeren Gesamtstrafe gelangt wäre, wenn sie von einer idealkonkurrierend mit versuchtem Mord verwirklichten Strafbarkeit wegen versuchter Brandstiftung mit Todesfolge statt wegen versuchter schwerer und versuchter besonders schwerer Brandstiftung ausgegangen wäre.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 602

Externe Fundstellen: NStZ 2022, 35

Bearbeiter: Christian Becker