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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 313

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 486/20, Beschluss v. 10.02.2021, HRRS 2021 Nr. 313


BGH 3 StR 486/20 - Beschluss vom 10. Februar 2021 (LG Osnabrück)

Rechtsfehlerhafte Einziehungsentscheidung.

§ 73 StGB

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten R. gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 24. August 2020 wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es

diesen Angeklagten betrifft, im Ausspruch über die Einziehung dahin geändert, dass gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 8.650 € angeordnet wird, wobei er für einen Teilbetrag von 5.650 € als Gesamtschuldner haftet;

die Mitverurteilte K. betrifft, im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen aufgehoben; die sie betreffende Einziehungsentscheidung entfällt.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen Veräußerung von Betäubungsmitteln in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Zudem hat das Landgericht gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 9.574 €, davon in Höhe von 6.574 € gesamtschuldnerisch, angeordnet. Eine Mitverurteilte hat das Landgericht wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen und die Entscheidung über die Verhängung einer Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Zwei weitere Mitverurteilte hat das Landgericht wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils zu Freiheitsstrafen verurteilt, deren Vollstreckungen zur Bewährung ausgesetzt worden sind. Auch gegen die Mitverurteilten hat das Landgericht jeweils Entscheidungen über die Einziehung des Wertes von Taterträgen getroffen.

Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit der auf die Sachrüge und eine Verfahrensrüge gestützten Revision.

I. Die Strafkammer hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

1. Im Zeitraum von April 2019 bis Ende September 2019 verkaufte der Angeklagte dem gesondert verfolgten T. in sechs Fällen jeweils zehn Gramm Kokain mit einem Wirkstoffanteil von jeweils mindestens 2,03 Gramm Kokainhydrochlorid zum Selbstkostenpreis von 50 € pro Gramm (Taten 1 bis 6). Aus diesen Taten erzielte der Angeklagte mithin einen Verkaufserlös von 3.000 €.

2. Spätestens Ende Dezember 2019 erwarb der Angeklagte mindestens 100 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffanteil von jedenfalls 68,5 Gramm Kokainhydrochlorid zum gewinnbringenden Weiterverkauf. Gemeinsam mit seiner Verlobten, der Mitverurteilten K., portionierte und verpackte der Angeklagte das Kokain zu einzelnen Verkaufseinheiten. Beide verkauften im Zeitraum von Ende Dezember 2019 bis zum 21. Januar 2020 einen Großteil des Kokains zu einem Grammpreis von mindestens 60 € gewinnbringend an diverse Abnehmer, um den Erlös zur Finanzierung ihres gemeinsamen Lebensunterhalts zu verwenden (Tat 7). Bei einer polizeilichen Durchsuchung des Kraftfahrzeugs und der Wohnung des Angeklagten am 21. Januar 2020 wurde Bargeld in Höhe von 5.076 € aufgefunden, bei dem es sich um Einnahmen aus dem Verkauf dieses Kokains handelte. Zudem wurde eine bis dahin nicht veräußerte Restmenge des Kokains mit einem Nettogewicht von 19,12 Gramm bei dem Angeklagten sichergestellt.

3. Im Anschluss an die polizeiliche Durchsuchung vom 21. Januar 2020 handelte der Angeklagte weiter mit Kokain, allerdings nunmehr gemeinsam mit den Mitverurteilten Kr. und M., weil seine Verlobte aus Furcht vor strafrechtlicher Verfolgung vor einer weiteren Mitwirkung zurückschreckte. Der Angeklagte erwarb erneut 100 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffanteil von mindestens 68,5 Gramm Kokainhydrochlorid und verkaufte dieses im Zeitraum vom 21. Januar 2020 bis zum 25. Februar 2020 gemeinsam mit den beiden Mitverurteilten Kr. und M. vollständig und gewinnbringend in Einzelverkaufsmengen von 0,5 Gramm oder einem Gramm an diverse Abnehmer, und zwar wiederum zu einem Grammpreis von mindestens 60 € (Tat 8). Bei einer erneuten Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten am 25. Februar 2020 wurde Bargeld in Höhe von 350 € sichergestellt, bei dem es sich um einen Teil des Erlöses aus dem Verkauf dieses Kokains handelte.

II. Die Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verfahrensrüge bleibt aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen ohne Erfolg.

2. Die auf die Sachrüge gebotene materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

3. Dagegen weist die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

Die Strafkammer ist bei der Bestimmung der Höhe des durch die Taten Erlangten zunächst rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Angeklagte durch die Taten 1 bis 6 einen Erlös in Höhe von 3.000 € und durch die Tat 8 - insofern gemeinsam mit den Mitverurteilten Kr. und M. - einen Erlös in Höhe von 6.000 € erlangte. Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht jedoch auch hinsichtlich der Tat 7 angesichts der Gesamthandelsmenge von 100 Gramm Kokain und eines Verkaufspreises von mindestens 60 € pro Gramm einen - gemeinsam mit der Mitverurteilten K. erzielten - Verkaufserlös von 6.000 € angenommen. Allerdings wurde dieses Kokain nicht vollständig verkauft, vielmehr wurde eine Restmenge von 19,12 Gramm sichergestellt. Bei der Berechnung des aus der Tat 7 erzielten Verkaufserlöses sind deshalb nur 5.076 € zu Grunde zu legen, weil in dieser Höhe Bargeld bei dem Angeklagten aufgefunden wurde, das aus dem Teilverkauf dieses Kokains resultierte. Mithin erlangte der Angeklagte ausweislich der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen aus den Taten insgesamt 14.076 €.

Da ein Teil des aus den Kokainverkäufen erlangten Erlöses in Höhe von insgesamt 5.426 € als Bargeld bei dem Angeklagten sichergestellt wurde, war der Betrag dieses der Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB unterliegenden Bargelds (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. Juli 2020 - 6 StR 96/20, juris Rn. 2; vom 20. Mai 2020 - 4 StR 539/19, juris Rn. 2; vom 20. März 2019 - 3 StR 67/19, JR 2020, 187) - was das Landgericht im Ergebnis zutreffend bedacht hat - bei der Berechnung der Höhe der anzuordnenden Wertersatzeinziehung nach § 73c StGB von dem Gesamterlös in Abzug zu bringen. Einer Einziehungsentscheidung nach § 73 Abs. 1 StGB bedurfte es hinsichtlich des sichergestellten Bargelds nicht, weil der Angeklagte auf dessen Herausgabe verzichtet hat (vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom 12. September 2019 - 5 ARs 21/19, juris Rn. 1; vom 20. März 2019 - 3 StR 67/19, JR 2020, 187 Rn. 5; BGH, Urteile vom 13. Dezember 2018 - 3 StR 307/18, BGHSt 63, 314 Rn. 6; vom 10. April 2018 - 5 StR 611/17, BGHSt 63, 116 Rn. 5; anders jedoch BGH, Beschluss vom 1. Juli 2020 - 6 StR 96/20, juris Rn. 4). Mithin wäre hinsichtlich des Angeklagten auf eine Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 8.650 € zu erkennen gewesen.

Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer eine gesamtschuldnerische Haftung des Angeklagten in Höhe eines Teilbetrages der Einziehungssumme von 5.650 € mit den Mitverurteilten Kr. und M. angeordnet, weil der Angeklagte gemeinsam mit diesen beiden Mitverurteilten Mitverfügungsgewalt an dem aus der Tat 8 erzielten Erlös in Höhe von 6.000 € hatte, wovon ein Teilbetrag in Höhe von 350 € in Form unmittelbar aus den Verkäufen erlangten und damit der Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB unterliegenden Bargelds beim Angeklagten sichergestellt wurde. Soweit die Strafkammer dagegen in Höhe eines weiteren Teilbetrages von 924 € auf eine gesamtschuldnerische Haftung mit der Mitverurteilten K. erkannt hat, kann dies aus den nachstehend genannten Gründen keinen Bestand haben.

Der Senat ändert die Einziehungsentscheidung betreffend den Angeklagten daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich ab. Einer namentlichen Benennung der weiteren Gesamtschuldner in der Entscheidungsformel bedarf es nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 2021 - 3 StR 428/20, juris Rn. 2; vom 10. November 2020 - 3 StR 308/20, juris Rn. 3).

III. Die einen sachlich-rechtlichen Mangel darstellende fehlerhafte Berechnung des aus der Tat 7 erlangten Verkaufserlöses betrifft auch die Mitverurteilte K., die wegen dieser Tat schuldig gesprochen worden ist. Gegen sie hat die Strafkammer ausgehend von dem fehlerhaft mit 6.000 € bezifferten Verkaufserlös und unter Abzug des aus dem Verkauf erlangten und bei dem Angeklagten am 21. Januar 2020 sichergestellten Bargelds in Höhe von 5.076 € die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 924 € - gesamtschuldnerisch haftend mit dem Angeklagten - angeordnet. Da der aus der Tat 7 erzielte Verkaufserlös jedoch vollständig sichergestellt wurde, war für eine Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Bezug auf die Mitverurteilte K. aus Rechtsgründen kein Raum. Gemäß § 357 Satz 1 StPO ist daher die Revision auch auf die nichtrevidierende Mitverurteilte K. zu erstrecken (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. September 2020 - 6 StR 222/20, juris Rn. 2; vom 8. Juli 2020 - 2 StR 538/19, juris Rn. 9; vom 4. November 2014 - 1 StR 474/14, StraFo 2015, 22). Die sie betreffende Einziehungsentscheidung ist aufzuheben; diese Einziehung hat zu entfallen, was der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst ausgesprochen hat. Die Mitverurteilten Kr. und M. dagegen sind von dem Berechnungsfehler nicht betroffen; die sie betreffenden Entscheidungen über die Einziehung von Wertersatz haben daher Bestand.

IV. Angesichts des geringen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 313

Bearbeiter: Christian Becker