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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 778

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 393/19, Beschluss v. 12.05.2020, HRRS 2020 Nr. 778


BGH 3 StR 393/19 - Beschluss vom 12. Mai 2020 (LG Düsseldorf)

Geringfügige Ermäßigung des Einziehungsbetrages aufgrund eines marginalen Additionsfehlers.

§ 73 StGB

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten M. gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 21. Juli 2017 wird die

Tagessatzhöhe für die gegen ihn wegen Besitzes einer Stahlrute verhängte Einzelstrafe auf einen Euro festgesetzt,

Entscheidung über die Einziehung von Wertersatz hinsichtlich dieses Angeklagten dahin geändert, dass 52.940,03 € einzuziehen sind und er insoweit in Höhe von 5.000 € als Gesamtschuldner haftet.

Auf die Revision des Angeklagten G. wird das vorbezeichnete Urteil im Ausspruch über die Einziehung von Wertersatz hinsichtlich dieses Angeklagten dahin geändert, dass 17.402 € einzuziehen sind und er insoweit in Höhe von 14.402 € als Gesamtschuldner haftet.

Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch verursachten notwendigen Auslagen des Nebenklägers H. zu tragen, der Angeklagte G. außerdem die notwendigen Auslagen des Neben- und Adhäsionsklägers B. sowie die besonderen Kosten des Adhäsionsverfahrens.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Bandenbetrug und mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Besitzes einer Stahlrute zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und einem Monat verurteilt. Den Angeklagten G. hat es des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, des gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetrugs in vier Fällen, der Untreue und der Erpressung schuldig gesprochen und gegen ihn auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren erkannt. Außerdem hat die Strafkammer die Einziehung von Wertersatz angeordnet, gegen den Angeklagten M. in Höhe von 52.940,04 €, gegen den Angeklagten G. in Höhe von 19.112 €. Schließlich ist letzterer im Adhäsionsverfahren zu einer Zahlung von Schadensersatz an den Nebenkläger B. verurteilt worden.

Die auf Verfahrensrügen und die Beanstandung der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen sind sie aus den in den Zuschriften des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. a) Das Landgericht hat in Bezug auf den Angeklagten M. den Besitz einer Stahlrute mit einer Einzelgeldstrafe von 70 Tagessätzen geahndet, dabei indes die auch bei Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe erforderliche Bestimmung der Tagessatzhöhe (vgl. BGH, Beschluss vom 12. November 2019 - 3 StR 441/19, juris Rn. 2 mwN) versäumt. Der nunmehr durch den Senat festgesetzte Tagessatz entspricht dem gesetzlichen Mindestmaß, § 40 Abs. 2 Satz 3 StGB.

b) Der einzuziehende Wertersatz ist hinsichtlich des Angeklagten M. geringfügig zu ermäßigen. Dem Landgericht ist bei den zum Nachteil des Geschädigten E. („Fall 27" der Urteilsgründe) erlangten Beträgen ein marginaler Additionsfehler im Cent-Bereich unterlaufen.

Bei der Tat zum Nachteil des Geschädigten Bl. („Fall 4" der Urteilsgründe) hat die Strafkammer den deliktischen Erlös entgegen den Ausführungen des Generalbundesanwalts zutreffend berechnet. Die erste Abbuchung von der Kreditkarte dieses Tatopfers war nach den getroffenen Feststellungen rechtmäßig und ist deshalb nicht in die Schadenssumme eingeflossen. Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob der vermeintliche, zugunsten des Angeklagten wirkende Rechenfehler im letzteren Fall denjenigen zu seinen Lasten aus dem erstgenannten Fall im Rahmen der Revisionsentscheidung kompensieren könnte. Einer solchen vom Generalbundesanwalt befürworteten „Bilanzierung“ stünde möglicherweise das Verschlechterungsverbot aus § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO entgegen (zur Geltung des Verbots für Einziehungsentscheidungen nach den §§ 73 ff. StGB nF vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2019 - 5 StR 387/18, BGHSt 64, 48 Rn. 16 f.; s. auch BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2019 - 1 StR 434/19, NStZ 2020, 184 Rn. 8).

c) Im Übrigen haften Tatbeteiligte, die an denselben Gegenständen die faktische (Mit-)Verfügungsgewalt erlangt haben, gemäß §§ 421 ff. BGB als Gesamtschuldner (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2019 - 3 StR 188/19, juris Rn. 2 mwN). Bei dem Angeklagten M. betrifft dies einen Betrag in Höhe von 5.000 €. Nach den Feststellungen erhielt der Angeklagte G. diese Summe vom Nebenkläger H. in bar. Er verfügte zunächst uneingeschränkt selbst über das Geld, bevor er es abredegemäß an eine wirtschaftlich dem Angeklagten M. zuzuordnende Gesellschaft weiterleitete („Fall 22" der Urteilsgründe). Die Gesamtschuldnerschaft ist im Tenor zum Ausdruck zu bringen.

2. a) Auch der von der Strafkammer beim Angeklagten G. eingezogene Betrag ist zu reduzieren.

Nach den von ihr im Fall zum Nachteil des Geschädigten Bu. (in den Urteilsgründen als „Fallakte 134" bezeichnet) getroffenen Feststellungen erlangte der Angeklagte 60 % des deliktischen Umsatzes von 13.000 €, mithin 7.800 €, zuzüglich „Tip“ in Höhe von 900 €. Hieraus errechnen sich 8.700 € anstatt der im Urteil genannten 9.850 €.

Die Einziehung von Wertersatz, die aus dem Fall zum Nachteil des Geschädigten L. („Fall 23" der Urteilsgründe) resultieren soll, hält rechtlicher Überprüfung insgesamt nicht stand. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte sich mit diesem Geschädigten dahin einigte, dass der veruntreute Betrag, insgesamt 7.600 €, durch eine Zahlung von 7.200 €, die tatsächlich geleistet wurde, ausgeglichen sein sollte. Damit ist der Anspruch auf Wertersatz im Vergleichswege erloschen. Gemäß § 73e Abs. 1 StGB schließt dieser Umstand die Einziehung aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Oktober 2019 - 2 StR 468/18, juris Rn. 4; vom 19. September 2018 - 1 StR 183/18, wistra 2019, 59 Rn. 5 ff.; BT-Drucks. 18/9525, S. 69).

Es errechnet sich nach allem die Wertersatzsumme von 17.402 € aus der Addition folgender Beträge: 3.702 € aus „Fall 3" der Urteilsgründe zum Nachteil des Nebenklägers B., 5.000 € aus „Fall 22" der Urteilsgründe zum Nachteil des Geschädigten H. und 8.700 € aus der Tat zum Nachteil des Geschädigten Bu. (in den Urteilsgründen als „Fallakte 134" bezeichnet).

b) In Höhe von 14.402 € haftet der Angeklagte G. als Gesamtschuldner. Das Landgericht hat nicht nur im genannten Fall zum Nachteil des Nebenklägers H., sondern auch in den anderen diesen Angeklagten betreffenden Fällen festgestellt, dass er den von ihm erbeuteten Betrag jeweils in die Kassen des Angeklagten M. weiterleitete und dementsprechend beide die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Geld erlangten. Eine Ausnahme gilt insoweit nur für die dem Nebenkläger B. („Fall 3" der Urteilsgründe) abgepressten zwei Barzahlungen in Höhe von jeweils 1.500 €, die der Angeklagte G. nach den getroffenen Feststellungen für sich allein behielt.

Der Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung steht nicht entgegen, dass die Strafkammer den Angeklagten M. in den Fällen zum Nachteil der Geschädigten B. („Fall 3" der Urteilsgründe) und Bu. („Fallakte 134") nicht verurteilt und dementsprechend insoweit nicht auf eine Einziehung gegen ihn erkannt hat. Entscheidend ist, dass er nach den getroffenen Feststellungen jeweils als Tatbeteiligter im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB agierte.

3. Angesichts des geringen Erfolgs beider Revisionen ist es nicht unbillig, jeden Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

In dem den Nebenkläger H. betreffenden „Fall 22" der Urteilsgründe sind beide Angeklagte verurteilt worden, in „Fall 3" der Urteilsgründe zum Nachteil des Nebenklägers B. der Angeklagte G. Insoweit bleiben ihre Revisionen erfolglos mit der Kostenfolge des § 473 Abs. 1 Satz 2 StPO. Im Übrigen hat das Landgericht die Angeklagten in den die Nebenkläger betreffenden Fällen nicht verurteilt, so dass eine Erfolglosigkeit im Sinne der genannten Vorschrift, die im Hinblick auf das jeweilige Nebenklagedelikt zu beurteilen ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 473 Rn. 10), nicht vorliegt.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung für das Adhäsionsverfahren folgt aus § 472a Abs. 1 StPO.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 778

Bearbeiter: Christian Becker