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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 586

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 217/19, Beschluss v. 28.11.2019, HRRS 2020 Nr. 586


BGH 3 StR 217/19 - Beschluss vom 28. November 2019 (LG Koblenz)

Unzureichende Beweiswürdigung zur Bandenabrede bei der Verurteilung wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln.

§ 30a BtMG; § 261 StPO

Entscheidungstenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 7. Dezember 2018 aufgehoben

jeweils im Schuldspruch, jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen mit Ausnahme derjenigen, die den Zusammenschluss zur Bande betreffen, aufrechterhalten,

in den Strafaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Im Übrigen werden die Revisionen der Angeklagten verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten M., C., K. und Me. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu Freiheitsstrafen von drei Jahren und sechs Monaten (M.), zwei Jahren (C.), zwei Jahren und sechs Monaten (K.) und einem Jahr und neun Monaten (Me.) sowie den 1 Angeklagten S. wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt; die Vollstreckung der gegen C., Me. und S. verhängten Strafen hat es zur Bewährung ausgesetzt. Die dagegen gerichteten Revisionen, mit denen die Angeklagten C., K. und Me. das Verfahren und sämtliche Angeklagten die Verletzung materiellen Rechts beanstanden, haben jeweils mit der Sachrüge in dem aus dem Entscheidungssatz ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts verfügte die Angeklagte C. über 32 Subutex-Tabletten mit einem Wirkstoffgehalt von jeweils 8 mg Buprenorphinhydrochlorid aus dem Nachlass ihres verstorbenen Bruders. Gemeinsam mit dem gesondert verfolgten Ma. kamen die Angeklagten überein, diese in der Klinik für forensische Psychiatrie in W., in der zu dieser Zeit die Angeklagten M., K. und S. zur Vollstreckung von Maßregeln nach § 64 StGB einsaßen, einzuschmuggeln und an deren Mitpatienten zu verkaufen. Nach dem Absatz der Tabletten wollten sie sich „mithilfe der Kontakte des Angeklagten M. im Betäubungsmittelmilieu eine Bezugsquelle für weitere Betäubungsmittel erschließen, um so den Absatz von Drogen in der Maßregelvollzugseinrichtung fortzusetzen“.

Am 27. Dezember 2016 schmuggelte entweder die Angeklagte C., bei der es sich um die Schwester des Angeklagten M. handelt, oder dessen Mutter, die Angeklagte Me., bei einem gemeinsamen Besuch beim Angeklagten M. auf dessen Bestellung 10 Subutex-Tabletten in die Anstalt. Wegen der Trennscheibenanordnung erfolgte die Lieferung dergestalt, dass die Transporteurin die Tabletten in den Ausgabeschacht eines Zigarettenautomaten im Eingangsbereich der Klinik legte und kurze Zeit später der Angeklagte K. in Begleitung einer unbekannten Person die Drogen abholte; diese verkaufte er sodann in Absprache mit dem Angeklagten M. an Mitinsassen.

Am 7. Februar 2017 schmuggelten die Angeklagte Me. und der gesondert verfolgte Ma., Vater des M. und Ehemann der Me., erneut 10 Subutex-Tabletten in die Maßregelvollzugsklinik. Die von Ma. im Zigarettenautomaten abgelegten Tabletten wurden von einem Mitinsassen, der als nächster an den Automaten trat, entdeckt und dem Anstaltspersonal übergeben. Der Angeklagte K. versuchte danach in Begleitung des eingeweihten Angeklagten S. erfolglos, die Tabletten an sich zu bringen.

Die restlichen 12 Subutex-Tabletten wurden in der Wohnung der Angeklagten C. sichergestellt.

II.

1. Der Schuldspruch der Angeklagten M., C., K. und Me. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erweist sich als durchgreifend rechtsfehlerhaft, da das angefochtene Urteil die festgestellte Bandenabrede nicht beweiswürdigend belegt.

a) Das Landgericht hat im Ausgangspunkt die zum Zwecke des Verkaufs der 32 Subutex-Tabletten der Angeklagten C. entfalteten Aktivitäten auf rechtsfehlerfreier Beweisgrundlage festgestellt und erkannt, dass diese Teilakte einer Bewertungseinheit bilden und mithin das Einbringen der Tabletten in die Maßregelvollzugsanstalt am 27. Dezember 2016, der anschließende Verkauf der ersten Lieferung, das Einbringen der Tabletten am 7. Februar 2017 und die Lagerung der Tabletten in der Wohnung der Angeklagten C. rechtlich nur eine Tat begründen. Damit ist indes lediglich ein (gemeinschaftliches) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln der Angeklagten M., C., K. und Me. bzw. eine Beihilfe dazu durch den Angeklagten S. tragfähig belegt.

b) Für die weitergehende Feststellung, wonach die Angeklagten den Entschluss fassten, sich nach dem Absatz des Subutexvorrats mithilfe der Kontakte des Angeklagten M. im Betäubungsmittelmilieu eine Bezugsquelle für weitere Betäubungsmittel zu erschließen, um den Drogenhandel in der Maßregelvollzugsanstalt fortzusetzen, fehlt es an einer ausreichenden Beweisgrundlage.

Irgendwelche Aktivitäten zum Zwecke der Beschaffung weiterer Rauschgiftmengen zeigen die Urteilsgründe nicht auf. Sie benennen weder Beweismittel, aus denen sich eine entsprechende Abrede der Angeklagten unmittelbar ergibt, noch teilen sie mit, aus welchen konkret festgestellten Umständen die Strafkammer auf eine - zumindest konkludente - Absprache der Angeklagten, künftig weitere ähnlich gelagerte Straftaten zu begehen, geschlossen hat.

Dies wäre allerdings erforderlich gewesen, da sich die Annahme der Bandenabrede nicht ohne Weiteres aus den festgestellten Umständen erschließt. Allein aus den Verbindungen des Angeklagten M. zum Betäubungsmittelmilieu und seinen einschlägigen Vorstrafen ergibt sich nicht, dass dieser über den Verkauf des Vorrates der Angeklagten C. hinaus gemeinsam mit den Mitangeklagten den Handel mit Betäubungsmitteln fortsetzen wollte. Soweit das Landgericht auf eine „wiederholte Tatbegehung“ im Rahmen eines außerordentlich konspirativen Verhaltens abgehoben hat, steht dem entgegen, dass alle festgestellten Aktivitäten eine Bewertungseinheit und damit lediglich eine Tat (im Rechtssinne) bilden, die aus Anlass des der Angeklagten C. zugefallenen Nachlasses begangen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juni 1996 - 1 StR 235/96, BGHR BtMG § 30a Bande 3; KPV BtMG/Patzak, 9. Aufl., § 30 Rn. 31; MüKoStGB/O?lakcio?lu, 3. Aufl., § 30 BtMG Rn. 42); mit der naheliegenden Möglichkeit, dass sich die Absprachen der Angeklagten nur auf diesen Drogenvorrat bezogen, setzen sich die Urteilsgründe nicht explizit auseinander. Die Vereinbarung zur Verteilung des Gewinns belegt für sich genommen ebenso wenig wie die familiäre Verbindung der Angeklagten Me., C. und M. die Annahme einer Bandenabrede hinsichtlich künftiger Taten. Zwar erlauben die Eintragungen in dem sichergestellten Notizbuch des Angeklagten K. Rückschlüsse auf dessen umfangreichen Handel mit verschiedenen Betäubungsmitteln innerhalb der Maßregelvollzugsanstalt. Allerdings lassen sich die mitgeteilten Notizen nicht mit dem konkret festgestellten Handel mit Subutex-Tabletten in Einklang bringen; möglich ist, dass sie anderweitige Geschäfte betrafen, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind. Ob und aus welchen Notizbucheinträgen das Landgericht Erkenntnisse über den Handel mit den Tabletten der Angeklagten C. gewonnen und woraus es gegebenenfalls auf geplante weitere Handelsaktivitäten der Angeklagten im Rahmen einer Bandenabrede gefolgert hat, wird nicht erläutert.

Bei dieser Sachlage, die verschiedene Deutungen zulässt, bedurfte es näherer Darlegung, aus welchen Umständen die Strafkammer auf eine Bandenabrede gefolgert hat.

2. Hinsichtlich des Angeklagten S. erweist sich die Annahme der Beihilfe zu einer Bandentat der Mitangeklagten schon deshalb als rechtsfehlerhaft, da eine solche nicht tragfähig belegt ist.

3. Die Aufhebung der Schuldsprüche zieht die Aufhebung der Strafaussprüche nach sich.

4. Die dargestellten Mängel der Beweiswürdigung beziehen sich allein auf die Bandenabrede; im Übrigen sind die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen von dem dargelegten Rechtsfehler nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 586

Bearbeiter: Christian Becker