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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 5

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 170/19, Urteil v. 17.10.2019, HRRS 2020 Nr. 5


BGH 3 StR 170/19 - Urteil vom 17. Oktober 2019 (LG Düsseldorf)

Begriff der Tat im verfahrensrechtlichen Sinne (von der Anklage betroffener geschichtlicher Vorgang; Einheitlichkeit; Identität; unverwechselbares Geschehen; in der Hauptverhandlung zu Tage tretende Umstände; ursprüngliche Zuordnung eines Geschehens an einen anderen Täter).

§ 264 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Der Begriff der Tat im verfahrensrechtlichen Sinne (vgl. § 264 StPO) umfasst den von der zugelassenen Anklage betroffenen geschichtlichen Vorgang, innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll; zur Tat als Prozessgegenstand gehört dabei nicht nur der Geschehensablauf, der dem Angeklagten in der Anklage zur Last gelegt worden ist, sondern darüber hinaus dessen gesamtes festgestelltes Verhalten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten Vorkommnis nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet.

2. Die Frage der Einheitlichkeit des Vorgangs beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalles auf der Grundlage des Ergebnisses der Hauptverhandlung und der darin durchgeführten Beweisaufnahme. In tatsächlicher Hinsicht hat das Gericht danach seine Untersuchung mithin auch auf diejenigen Tatumstände zu erstrecken, die erst in der Hauptverhandlung zu Tage getreten sind (§ 264 Abs. 1 StPO); die Grenze dieser Verpflichtung ist erst erreicht, wenn das zugrundeliegende Geschehen vollständig verlassen und durch ein anderes ersetzt wird, mithin die Identität der von der Anklage bezeichneten Tat nicht mehr gewahrt ist.

3. Ohne Bedeutung ist insoweit allerdings, ob abweichende Umstände aus den Akten ersichtlich waren oder erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens bekannt geworden oder eingetreten sind, welche rechtliche Beurteilung die Tat in der zugelassenen Anklage gefunden hatte oder dass der Anklagevorwurf aufgrund der neuen Umstände in eine andere Richtung weist. Bedeutsam ist vielmehr, ob bestimmte Merkmale die Tat als ein einmaliges unverwechselbares Geschehen kennzeichnen, wobei insbesondere Ort und Zeit des Vorgangs, das Täterverhalten, die ihm innewohnende Richtung und das Objekt, auf das sich der Vorgang bezieht, in den Blick zu nehmen sind, ohne dass ein Kriterium allein ausschlaggebend ist.

4. Maßgeblich ist zur Abgrenzung darauf abzustellen, ob die gleich gebliebenen Umstände den betreffenden Vorgang noch hinreichend individualisieren, folglich Zweifel an der Tatidentität und eine Verwechslungsgefahr mit anderen ähnlichen Taten ausschließen. Nach diesen Grundsätzen kann sich auch ein Geschehnis, das in der zugelassenen Anklage noch einem anderen Täter zugeordnet worden war, als Bestandteil der Tat des Angeklagten darstellen, über die das Gericht zu urteilen hat, jedenfalls, wenn es sich um ineinander übergehende, sich überschneidende Geschehensabläufe handelt.

Entscheidungstenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 13. November 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einschleusens von Ausländern in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, ihn - nach Einstellung dreier weiterer Fälle nach § 154 Abs. 2 StPO - von einem weiteren Tatvorwurf freigesprochen und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen richtet sich die nicht beschränkte zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts verließ der Angeklagte im Jahr 2009 sein Heimatland Eritrea und begab sich über den Sudan nach Libyen, von wo er mit Hilfe von Schleusern per Boot nach Italien gelangte. Dort lebte er zunächst 18 Monate lang, bevor er 2011 nach Deutschland kam und hier Asyl beantragte. Im Jahr 2013 fragte ein im Sudan lebender Verwandter des Angeklagten (im Folgenden: Auftraggeber), ob er ihn bei seinen Hawala-Bankgeschäften - das Hawala-Finanzsystem ist ein im Zahlungsverkehr weltweit eingesetztes informelles Überweisungssystem, das seine Wurzeln in der frühmittelalterlichen Handelsgesellschaft des Vorderen und Mittleren Orients hat - dadurch unterstützen wolle, dass er als sein Vertreter Gelder in Deutschland in Empfang nehme und bis zu ihrer Abholung verwahre. Zudem könne er eritreischen Landsleuten helfen, die nach Deutschland reisen wollten und sich in Libyen in Schwierigkeiten befänden, weil ihnen ihre Verwandten dorthin nicht das für die weitere Schleusung nach Europa benötigte Geld schicken könnten; dies könnten die Angehörigen der zu schleusenden Eritreer indes mit Hilfe des Angeklagten über dessen Auftraggeber erledigen. Der Angeklagte erklärte sich - auch mit Blick auf die zugesicherte Provision in Höhe von 5% des jeweils zu transferierenden Geldbetrags, mit der er seinen Lebensunterhalt aufbessern wollte - damit einverstanden, seinen Auftraggeber nach dessen Anweisungen zu unterstützen.

1. In der Folgezeit erhielten Angehörige von in Libyen aufhältigen Eritreern, die nach Europa geschleust werden wollten, Anrufe von deren Schleusern, in denen sie aufgefordert wurden, den Schleuserlohn über den Angeklagten zu zahlen, dessen Telefonnummer den Angehörigen von den Schleusern mitgeteilt wurde. Diese riefen daraufhin beim Angeklagten an und nannten ihm die Namen der zu schleusenden Personen, ihre eigenen Namen und Rufnummern sowie die für die Schleusung zu entrichtenden Beträge; der Angeklagte nannte im Gegenzug seine Kontoverbindung. Nach Eingang des Geldes informierte er seinen Auftraggeber darüber und machte die zur Schleusung erforderlichen Angaben; ferner hob er den erhaltenen Schleuserlohn von seinem Konto ab und übergab ihn - abzüglich seiner Provision - bei nächster Gelegenheit an Mittelsmänner seines Auftraggebers. Dem Angeklagten war dabei bewusst, dass die libyschen Schleusergruppen, die das Geld letztlich erlangten, die zu Schleusenden nach Italien bringen würden, wo sie ohne Aufenthaltstitel in den Schengen-Raum ein- und später nach Deutschland weiterreisten.

So verfuhr der Angeklagte in den vier zur Verurteilung gelangten Fällen, in denen die zu schleusenden Eritreer jeweils von libyschen Schleusern gefangen genommen worden waren und erst nach Zahlung der geforderten Beträge weiterreisen durften. In einem Fall zwangen die Schleuser den zu schleusenden Mann dazu, seiner Verwandten am Telefon zu sagen, dass man ihn töten werde, wenn sie das geforderte Geld nicht bezahle. Das Landgericht hat indes nicht festgestellt, dass der Angeklagte Kenntnis von solchen Drohungen oder auch nur den Umständen hatte, unter denen sich die zu schleusenden Personen in Libyen aufhielten.

2. Von einem weiteren Tatvorwurf hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen. Insoweit war dem Angeklagten zur Last gelegt worden, er habe den Anruf einer in Deutschland aufhältigen Eritreerin entgegengenommen, deren Mann in Libyen von Schleusern gefangen gehalten und mit seiner Enthauptung bedroht worden sei. Von dieser habe der Angeklagte für die Weiterleitung des geforderten Schleuserlohns in Höhe von 1.000 € eine Provision von 13,4% gefordert und gedroht, ihren Mann nicht freizulassen, bevor das Geld vollständig gezahlt worden sei. Das Geld habe die Frau am Hauptbahnhof auf Anweisung des Angeklagten einem nicht identifizierten Mann übergeben. Danach sei ihr Mann auf ein Boot und damit nach Italien gebracht worden.

Die Strafkammer hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte die angerufene Person war, weil die Zeugin in der Hauptverhandlung die Telefonnummer nicht mehr hat erinnern können und nach ihren Angaben und weiteren Erkenntnissen im Ermittlungsverfahren - insbesondere einer durchgeführten Wahllichtbildvorlage - nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Angeklagte die - von der angerufenen unterschiedliche - Person war, die das Geld am Hauptbahnhof in Empfang nahm. Wegen der Empfangnahme des Geldes könne der Angeklagte indes nicht verurteilt werden, weil es sich insoweit nicht um die in der Anklage bezeichnete Tat im Sinne von § 264 Abs. 1 StPO handele.

II.

1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.

a) Dies gilt zunächst, soweit sie sich gegen den Teilfreispruch des Angeklagten wendet.

aa) Insoweit erweist es sich bereits als rechtsfehlerhaft, dass die Strafkammer zu diesem Fall nicht deutlich gemacht hat, von welchem Sachverhalt sie ausgegangen ist, so dass das Urteil den Anforderungen an ein freisprechendes Urteil aus § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO nicht genügt.

Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss die Begründung des Urteils so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht überprüfen kann, ob dem Tatgericht bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Deshalb hat es im Urteil in der Regel nach dem Tatvorwurf zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen zum objektiven Tatgeschehen festzustellen, die es für erwiesen hält, bevor es in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen - zusätzlichen - Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite nicht getroffen werden konnten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2019 - 5 StR 36/19, NStZ-RR 2019, 254 mwN). Dem genügt das angefochtene Urteil nicht, das zunächst lediglich den Anklagevorwurf wiedergegeben hat, um sodann beweiswürdigend auszuführen, warum sich die Strafkammer von dessen Vorliegen nicht hat überzeugen können.

Soweit einem Satz in der rechtlichen Würdigung der Strafkammer entnommen werden kann, dass sie davon ausgegangen ist, der Angeklagte sei die Person gewesen, die das Geld am Hauptbahnhof in Empfang nahm, führt dies zu keiner anderen Beurteilung: Da das Landgericht im rechtlichen Ausgangpunkt - unzutreffend, dazu siehe sogleich unter bb) - davon ausgegangen ist, der Angeklagte könne wegen der Entgegennahme des Geldes aus rechtlichen Gründen nicht verurteilt werden, sind ihre diesbezüglichen Feststellungen erkennbar nur rudimentär ausgefallen und erlauben dem Senat die nach den oben ausgeführten Grundsätzen gebotene Überprüfung der Beweiswürdigung nicht; insbesondere fehlen sämtliche Feststellungen zur inneren Tatseite des Angeklagten und seinen Kenntnissen von der telefonisch ausgesprochenen Bedrohung. Diese wären nicht zuletzt auch deshalb erforderlich gewesen, weil solche Feststellungen auch für die Fälle 1. bis 4. der Urteilsgründe von Bedeutung sein könnten, in denen die Strafkammer eine Kenntnis des Angeklagten von den Gefangennahmen und Bedrohungen durch die libyschen Schleuser - freilich auch, ohne diesbezüglich ausdrückliche Feststellungen zum Kenntnisstand des Angeklagten getroffen zu haben - verneint hat.

bb) Dessen ungeachtet kann der Teilfreispruch auch deshalb keinen Bestand haben, weil - wie die Staatsanwaltschaft zu Recht rügt - das Landgericht das von der Anklage umfasste Tatgeschehen nicht unter allen tatsächlichen und strafrechtlichen Gesichtspunkten gewürdigt und damit seiner Kognitionspflicht aus § 264 StPO nicht genügt hat. Insoweit ist die Strafkammer zu Unrecht davon ausgegangen, sie habe den Angeklagten nicht als denjenigen verurteilen können, der am Hauptbahnhof in das Geld entgegengenommen habe, weil es sich bei diesem Verhalten des Angeklagten nicht um das ihm mit der Anklage zur Last gelegte Geschehen und damit nicht mehr um die Tat im verfahrensrechtlichen Sinne handele.

Der Begriff der Tat im verfahrensrechtlichen Sinne umfasst den von der zugelassenen Anklage betroffenen geschichtlichen Vorgang, innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll; zur Tat als Prozessgegenstand gehört dabei nicht nur der Geschehensablauf, der dem Angeklagten in der Anklage zur Last gelegt worden ist, sondern darüber hinaus dessen gesamtes festgestelltes Verhalten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten Vorkommnis nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet. Die Frage der Einheitlichkeit des Vorgangs beurteilt sich dabei nach den Umständen des Einzelfalles auf der Grundlage des Ergebnisses der Hauptverhandlung und der darin durchgeführten Beweisaufnahme (BGH, Urteil vom 20. Dezember 1995 - 2 StR 113/95, BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 28). In tatsächlicher Hinsicht hat das Gericht danach seine Untersuchung mithin auch auf diejenigen Tatumstände zu erstrecken, die erst in der Hauptverhandlung zu Tage getreten sind (§ 264 Abs. 1 StPO); die Grenze dieser Verpflichtung ist erst erreicht, wenn das zugrundeliegende Geschehen vollständig verlassen und durch ein anderes ersetzt wird, mithin die Identität der von der Anklage bezeichneten Tat nicht mehr gewahrt ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 264 Rn. 9 mwN). Ohne Bedeutung ist insoweit allerdings, ob abweichende Umstände aus den Akten ersichtlich waren oder erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens bekannt geworden oder eingetreten sind, welche rechtliche Beurteilung die Tat in der zugelassenen Anklage gefunden hatte oder dass der Anklagevorwurf aufgrund der neuen Umstände in eine andere Richtung weist (KK/Kuckein/Ott, StPO, 8. Aufl., § 264 Rn. 39 mwN). Bedeutsam ist vielmehr, ob bestimmte Merkmale die Tat als ein einmaliges unverwechselbares Geschehen kennzeichnen, wobei insbesondere Ort und Zeit des Vorgangs, das Täterverhalten, die ihm innewohnende Richtung und das Objekt, auf das sich der Vorgang bezieht, in den Blick zu nehmen sind, ohne dass ein Kriterium allein ausschlaggebend ist. Maßgeblich ist zur Abgrenzung darauf abzustellen, ob die gleich gebliebenen Umstände den betreffenden Vorgang noch hinreichend individualisieren, folglich Zweifel an der Tatidentität und eine Verwechslungsgefahr mit anderen ähnlichen Taten ausschließen (LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 264 Rn. 95 f. mwN). Nach diesen Grundsätzen kann sich auch ein Geschehnis, das in der zugelassenen Anklage noch einem anderen Täter zugeordnet worden war, als Bestandteil der Tat des Angeklagten darstellen, über die das Gericht zu urteilen hat, jedenfalls, wenn es sich um ineinander übergehende, sich überschneidende Geschehensabläufe handelt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 1995 - 2 StR 113/95, BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 28 mwN; vgl. auch LR/Stuckenberg, aaO Rn. 95).

So verhält es sich hier: Die Entgegennahme des Geldes ist bereits im Anklagesatz der zugelassenen Anklage beschrieben, dort aber einem nicht identifizierten Mittäter namens „H.“ zugeordnet worden, wohingegen der Angeklagte derjenige gewesen sei, der diesen beauftragt habe. Aus der rechtlichen Würdigung der Strafkammer, mit der sie die Verurteilung des Angeklagten insoweit abgelehnt hat, lässt sich entnehmen, dass sie nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon ausgegangen ist, dass der Angeklagte jedenfalls derjenige gewesen sei, der das Geld am Hauptbahnhof in Empfang nahm.

Dann hätte sie nach den oben genannten Maßgaben dieses Tatgeschehen aber auch zur Grundlage ihrer strafrechtlichen Beurteilung machen müssen. Die Auffassung, dieses Verhalten unterscheide sich von dem mit der Anklage vorgeworfenen in einem Maße, dass es sich dabei nicht mehr um dieselbe Tat im verfahrensrechtlichen Sinne handele, erweist sich als unzutreffend: Ort und Zeit des zu beurteilenden Verhaltens sind unverändert geblieben; gleiches gilt für die Richtung und das Objekt des Täterverhaltens, weil beide Handlungen auf die Unterstützung der Schleusung des in der Gewalt der libyschen Schleuser befindlichen Ehemanns der in Deutschland lebenden Zeugin gerichtet waren. Die beiden Handlungen - die telefonische Drohung, die Forderung des Schleuserlohns und die Beauftragung des „H.“ mit der Entgegennahme des Geldes einerseits und die tatsächliche Entgegennahme andererseits - gingen auch ineinander über, so dass es unschädlich ist, dass dem Angeklagten in der Anklageschrift das zeitlich früher liegende Telefonat zur Last gelegt worden war, nicht aber die spätere Entgegennahme des Geldes.

b) Die Aufhebung des Teilfreispruchs bedingt darüber hinaus die Aufhebung des Urteils, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. Das neue Tatgericht muss zu dem genannten Fall insgesamt neue Feststellungen treffen. Es ist nicht auszuschließen, dass es dabei zu der Überzeugung gelangt, der Angeklagte habe tatsächlich mit dem Tod des in der Gewalt der libyschen Schleuser befindlichen Eritreers gedroht oder jedenfalls von dieser Drohung Kenntnis gehabt. Wie bereits oben unter II. 1. a) aa) dargelegt, könnten solche Feststellungen für die Frage von Bedeutung sein, ob sich der Vorsatz des Angeklagten in den vier zur Verurteilung gelangten Fällen auch auf Gefangennahmen der zu schleusenden Personen erstreckte, was sowohl bei der Prüfung einer Beteiligung am erpresserischen Menschenraub als auch einer bandenmäßigen Beteiligung an den Schleusungsdelikten zu berücksichtigen sein könnte.

2. Der Senat hebt die Feststellungen des angefochtenen Urteils insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen. Hinsichtlich einer neu zu treffenden Einziehungsentscheidung wird die neue Strafkammer - entsprechend den Ausführungen des Generalbundesanwalts - in den Blick zu nehmen haben, dass von den auf dem Konto des Angeklagten eingegangenen Geldbeträgen ein Teilbetrag in Höhe von 100 € zur Beschaffung neuer Bekleidung für eine zu schleusende Person bestimmt war und deshalb fraglich sein könnte, ob der Angeklagte dieses Geld durch oder für die rechtswidrige Tat erlangte, weil nicht ersichtlich ist, dass die unerlaubte Einreise dieses Geschleusten dadurch gefördert wurde.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 5

Externe Fundstellen: NStZ 2021, 120

Bearbeiter: Christian Becker