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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 104

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 519/18, Beschluss v. 12.12.2018, HRRS 2019 Nr. 104


BGH 3 StR 519/18 - Beschluss vom 12. Dezember 2018 (LG Lüneburg)

Unzulässiger Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Frist; eine Woche nach Wegfall des Hindernisses; Darlegung und Glaubhaftmachung aller für die Versäumnis relevanten Umstände).

§ 45 StPO

Entscheidungstenor

Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 2. August 2017 wird verworfen.

Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitstrafe verurteilt. Das am 2. August 2017 in seiner Anwesenheit verkündete Urteil ist in Rechtkraft erwachsen, nachdem er zunächst kein Rechtsmittel eingelegt hatte. Am 11. April 2018 ist der Angeklagte zur weiteren Vollstreckung der Strafe in sein Heimatland Polen überstellt worden.

Mit Schreiben vom 9. August 2018 hat der Angeklagte unter anderem Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einlegung der „Berufung“ begehrt und hierzu insbesondere vorgebracht, er habe nicht gewusst, dass sein Pflichtverteidiger keine „Berufung“ eingelegt habe, und sei erst am 25. Juli 2018 von seinem Betreuer über die Rechtskraft des Urteils informiert worden. Mit weiterem undatiertem Schreiben, eingegangen beim Landgericht Lüneburg am 13. November 2018, hat er sein Wiedereinsetzungsgesuch wiederholt und neben dem bisherigen Vorbringen ergänzend erklärt, er akzeptiere das Urteil nicht.

1. Nach Maßgabe des erkennbaren Anfechtungswillens des Angeklagten ist das Begehren als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision als des allein zulässigen Rechtsmittels sowie auch als Revision auszulegen. Dass sich der Anfechtungswille auf das Urteil selbst erstreckt, ergibt sich bereits aus dem ersten Schreiben hinreichend deutlich; mit dem zweiten Schreiben hat der Angeklagte dies der Sache nach klargestellt.

2. Zum Wiedereinsetzungsantrag und der Revision hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:

„Der Wiedereinsetzungsantrag ist statthaft, denn der Verurteilte hat die Frist des § 341 Abs. 1 StPO zur Revisionseinlegung versäumt. Der statthafte Antrag ist indes unzulässig (§§ 45, 46 StPO).

a) Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Schon daran fehlt es hier, da, selbst wenn der Verurteilte erst - was nach den Gesamtumständen wenig plausibel erscheint - am 25. Juli 2018 davon erfahren hätte, dass sein Urteil rechtskräftig wurde, sein Wiedereinsetzungsantrag vom 9. August 2018 verspätet war.

Zudem erfordert die Begründung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand grundsätzlich eine genaue Darlegung und Glaubhaftmachung aller zwischen dem Beginn und Ende der versäumten Frist liegenden Umstände, die für die Frage bedeutsam sind, wie und gegebenenfalls durch wessen Verschulden es zur Versäumung gekommen ist (BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 1; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 45 Rdnr. 5a f. m.w.N.).

Auch diesen Anforderungen genügt das Wiedereinsetzungsgesuch des Verurteilten nicht.

So hätte sich der Antragsteller unter anderem dazu verhalten müssen, weshalb er trotz der am Ende der Hauptverhandlung erteilten und naheliegend auch verstandenen Rechtsmittelbelehrung nicht binnen Wochenfrist Revision einlegte oder einlegen ließ. Dass eine solche Rechtsmittelbelehrung stattgefunden hat, ergibt sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll (vgl. Verfahrensakten Bd. III, Bl. 15 der Akten). Selbst bei einem Nichtverstehen der Belehrung hätte der Verurteilte handeln müssen (vgl. Beck OK StPO/Cirener, § 44 Rdnr. 25 m.w.N.).

Soweit er insoweit ein Verteidigerverschulden andeutet (?er hat meine Sache ignoriert?), lässt der Vortrag bereits nicht erkennen, dass der Angeklagte seinen Verteidiger mit der Einlegung eines Rechtsmittels gegen das Urteil beauftragt hatte, was jedoch für eine unverschuldete Säumnis des Verurteilten erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 StR 573/14, NStZ-RR 2015, 145, 146; Beck OK StPO/Cirener, § 44 Rdnr. 28 m.w.N.).

Zudem fehlt es auch noch vollständig an einer Glaubhaftmachung der vorgetragenen Tatsachen (§ 45 Abs. 2 S. 1 StPO).

b) Da die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels (§ 341 Abs. 1 StPO) nach oben gesagtem nicht eingehalten ist, ist die Revision gemäß § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen.“

Dem schließt sich der Senat an.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 104

Bearbeiter: Christian Becker