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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 776

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 264/18, Beschluss v. 24.07.2018, HRRS 2018 Nr. 776


BGH 3 StR 264/18 - Beschluss vom 24. Juli 2018 (LG Stade)

Tätige Reue bei der Geiselnahme (Verzicht auf den erstrebten Nötigungserfolg; Rückgewähr einer erlangten Leistung; Wahlmöglichkeit; Fehlschlag der Nötigungsbemühungen).

§ 239a Abs. 4 StGB; § 239b StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Tätige Reue bei der Geiselnahme (§ 239b Abs. 2 i.V.m. § 239a Abs. 4 StGB) erfordert neben der Freilassung der Geisel den Verzicht auf die erstrebte Leistung. Dafür muss der Täter von der Weiterverfolgung seines Nötigungszieles Abstand nehmen, also auf die nach seinem ursprünglichen Tatplan abzunötigende Handlung, Duldung oder Unterlassung verzichten. Hat der Täter sein Nötigungsziel bereits erreicht, scheidet ein Verzicht aus, sofern er die Leistung nicht im unmittelbaren Zusammenhang der Freigabe zurückgewährt

2. Da ein Verzicht eine Wahlmöglichkeit voraussetzt, kommt ein solcher auch dann nicht in Betracht, wenn dies aus anderen Gründen nicht möglich ist, etwa wenn der Täter erkennt, dass er sein Nötigungsziel nicht mehr erreichen kann, weil seine Bemühungen, einen bestimmten Nötigungserfolg zu erzielen, fehlgeschlagen sind.

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stade vom 26. Juni 2017 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen einer weiteren Strafrahmenmilderung gemäß § 239b Abs. 2 i.V.m. § 239a Abs. 4 StGB verneint. Tätige Reue nach dieser Vorschrift erfordert - neben der hier gegebenen Freilassung der Geisel - den Verzicht auf die erstrebte Leistung. Dafür muss der Täter - im Sinne eines tatbestandsgerechten Verständnisses dieses Merkmals - von der Weiterverfolgung seines Nötigungszieles Abstand nehmen, also auf die nach seinem ursprünglichen Tatplan abzunötigende Handlung, Duldung oder Unterlassung verzichten (BGH, Beschluss vom 21. Mai 2003 - 1 StR 152/03, BGHR StGB § 239b Abs. 2 Tätige Reue 1). Hat er sein Nötigungsziel bereits erreicht, scheidet ein Verzicht aus (BGH, Beschluss vom 8. Dezember 1999 - 3 StR 516/99, BGHR StGB § 239a Abs. 3 Verzicht 2), sofern er die Leistung nicht im unmittelbaren Zusammenhang der Freigabe zurückgewährt (MüKoStGB/Renzikowski, 3. Aufl., § 239b Rn. 44; LK/Schluckebier, StGB, 12. Aufl., § 239a Rn. 58; S/S/Eser/Eisele, StGB, 29. Aufl., § 239b Rn. 19). Letzteres war hier mit Blick auf die vom Angeklagten erstrebten und bereits vorgenommenen Anrufe der Nebenklägerin bei seiner geschiedenen Ehefrau nicht möglich.

Ein Verzicht, der eine Wahlmöglichkeit voraussetzt (Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Aufl., § 239a Rn. 10 mwN), kommt aber auch dann nicht in Betracht, wenn - wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist - dies aus anderen Gründen nicht möglich ist, etwa wenn der Täter erkennt, dass er sein Nötigungsziel nicht mehr erreichen kann, weil seine Bemühungen, einen bestimmten Nötigungserfolg zu erzielen, fehlgeschlagen sind (so auch Fischer, StGB, 65. Aufl., § 239b Rn. 8a). So verhält es sich hier. Der Angeklagte hatte bei Freilassung der Nebenklägerin erkannt, dass seine geschiedene Ehefrau nicht zu ihm zur Fortführung eines Gesprächs über das von ihm gewünschte Zusammenleben zu Dritt zurückkehren würde.

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 776

Bearbeiter: Christian Becker