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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 479

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 552/17, Beschluss v. 06.03.2018, HRRS 2018 Nr. 479


BGH 3 StR 552/17 - Beschluss vom 6. März 2018 (LG Bad Kreuznach)

Vermögensschaden beim Betrug (notarieller Kaufvertrag; zahlungsunfähiger / zahlungsunwilliger Käufer; fehlende Gleichwertigkeit von Forderung und Gegenforderung; Zug-um-Zug-Leistung; vorzeitige Besitzüberlassung; konkrete Bestimmbarkeit eines ausgebliebenen Vermögenszuwachses; Gefährdungsschaden; Eingehungsbetrug; Prinzip der Gesamtsaldierung).

§ 263 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Im Fall eines durch Täuschung herbeigeführten Kaufvertragsabschlusses kann grundsätzlich bereits der Vertragsschluss einen Gefährdungsschaden des Verkäufers begründen, wenn seine Forderung auf Zahlung des Kaufpreises aufgrund mangelnder Zahlungsfähigkeit oder -willigkeit des Käufers der gegen ihn entstandenen Forderung (Übereignung und Übergabe der Kaufsache) nicht gleichwertig ist. Das gilt indes grundsätzlich nicht, wenn der Vertrag nur zur Zug-um-Zug-Leistung verpflichtet, da hier das Leistungsverweigerungsrecht die in ihrer Bonität beeinträchtigte Gegenforderung sichert. Für Grundstücksgeschäfte bedeutet dies, dass in einem notariellen Kaufvertragsschluss noch kein Eingehungsbetrug liegt, wenn - wie im Regelfall - die Eintragung im Grundbuch von der vorherigen Kaufpreiszahlung abhängig ist.

2. Bei Grundstücksgeschäften, bei denen der Verkäufer im Fall des Ausbleibens der Kaufpreiszahlung gegen den Verlust seines Eigentums abgesichert ist, kann ein Vermögensschaden allerdings dadurch entstehen, dass irrtumsbedingt dem Käufer bereits vor Erfüllung seiner Verbindlichkeiten der Besitz eingeräumt wird. Ein solcher Schaden kann in der hiermit verbundenen Vereitelung einer anderweitigen Verwertung des Grundstücks und der dadurch entgangenen Nutzungsmöglichkeit zu sehen sein. Der negative Vermögenssaldo muss jedoch in Form eines ausgebliebenen Vermögenszuwachses konkret bestimmbar sein.

3. Im Übrigen wirkt die vorübergehende Entziehung des Besitzes für sich gesehen vermögensschädigend nur dann, wenn die betroffene Sache einen wirtschaftlichen Wert hat und entweder - teilweise - abgenutzt oder verbraucht werden soll oder wenn die konkrete Besitzübertragung im Geschäftsverkehr gewöhnlich an ein Entgelt geknüpft ist (etwa Hotelzimmer) und ein solches nicht erbracht wird.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 26. Juni 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

soweit er in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,

im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet er sich mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Soweit der Angeklagte in den Fällen 3 bis 10 der Urteilsgründe verurteilt worden ist, hat die aufgrund der Sachrüge gebotene umfassende Nachprüfung des Urteils keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben. In den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe hat die Verurteilung wegen Betruges hingegen keinen Bestand, was auch die Aufhebung der Gesamtstrafe bedingt. In diesen beiden Fällen wird der Schuldspruch von den Feststellungen nicht getragen.

1. Fall 1:

a) Die Strafkammer hat festgestellt, dass der Angeklagte am 5. November 2015 unter Vortäuschung der Zahlungsfähigkeit und -willigkeit mit dem Zeugen L. einen notariellen Vertrag über den Kauf eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks für einen Kaufpreis von 185.000 € schloss, der dem Marktwert entsprach. Zugunsten des Angeklagten wurde eine Auflassungsvormerkung eingetragen; der Verkäufer händigte dem Angeklagten sämtliche Schlüssel für das Haus aus und erteilte sein Einverständnis mit dem vorzeitigen Beginn von Umbauarbeiten an dem Objekt. Wie von vorneherein beabsichtigt, zahlte der Angeklagte den Kaufpreis nicht. Nachdem der Zeuge L. die Löschung der Vormerkung hatte erreichen können, verkaufte er das Grundstück zirka neun Monate später an einen Dritten für einen Kaufpreis von 167.000 €. Er erzielte deshalb ein geringeres Entgelt, weil das Objekt infolge der nicht abgeschlossenen Baumaßnahmen „Baustellencharakter“ hatte.

b) Auf der Grundlage allein dieser Feststellungen ist ein Vermögensschaden des Zeugen L. im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB nicht dargetan.

aa) Eine Vermögensschädigung ist nicht schon mit dem Abschluss des notariellen Vertrages eingetreten.

Im Fall eines erschlichenen Kaufvertrages kann zwar bereits der Vertragsschluss einen Gefährdungsschaden des Verkäufers begründen, wenn seine Gegenforderung (Zahlung des Kaufpreises) aufgrund mangelnder Zahlungsfähigkeit oder -willigkeit des Käufers der gegen ihn entstandenen Forderung (Übereignung und Übergabe der Kaufsache) nicht gleichwertig ist. Das gilt indes grundsätzlich nicht, wenn der Vertrag nur zur Zug-um-Zug-Leistung verpflichtet. Das Leistungsverweigerungsrecht sichert die in ihrer Bonität beeinträchtigte Gegenforderung (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 1964 - 1 StR 471/64, juris Rn. 6; Beschluss vom 12. Juni 2001 - 4 StR 402/00, NStZ-RR 2001, 328, 329). Für Grundstücksgeschäfte bedeutet dies, dass in einem notariellen Kaufvertragsschluss noch kein Eingehungsbetrug liegt, wenn - wie im Regelfall - die Eintragung im Grundbuch von der vorherigen Kaufpreiszahlung abhängig ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Januar 1973 - 4 StR 544/72, bei Holtz, MDR 1973, 370; vom 4. Dezember 1974 - 2 StR 95/74, bei Holtz, MDR 1975, 196; vom 27. November 1991 - 2 StR 312/91, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 37). Eine Vorleistungspflicht des Verkäufers ist hier nicht festgestellt; in Anbetracht der gegebenen Umstände liegt sie im Übrigen auch fern.

bb) Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, dass der Zeuge L. durch die freiwillige Übertragung des Besitzes an seinem Vermögen geschädigt wurde.

Bei Grundstücksgeschäften, bei denen der Verkäufer im Fall des Ausbleibens der Kaufpreiszahlung gegen den Verlust seines Eigentums abgesichert ist, kann ein Vermögensschaden zwar auch dadurch entstehen, dass irrtumsbedingt dem Käufer bereits vor Erfüllung seiner Verbindlichkeiten der Besitz eingeräumt wird (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 1964 - 1 StR 471/64, juris Rn. 7; Beschlüsse vom 3. Januar 1973 - 4 StR 544/72, bei Holtz, MDR 1973, 370; vom 4. Dezember 1974 - 2 StR 95/74, bei Holtz, MDR 1975, 196). Ein solcher Schaden kann in der hiermit verbundenen Vereitelung einer anderweitigen Verwertung des Grundstücks und der dadurch entgangenen Nutzungsmöglichkeit zu sehen sein. Der negative Vermögenssaldo muss jedoch in Form eines ausgebliebenen Vermögenszuwachses konkret bestimmbar sein (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1982 - 1 StR 872/81, wistra 1982, 148; Beschluss vom 27. November 1991 - 2 StR 312/91, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 37; insoweit überholt BGH, Beschluss vom 20. Juli 1988 - 2 StR 348/88, NJW 1989, 918 [gegenüber dem - zahlungsunfähigen - Täter nicht erhobene Entgeltforderung für die Gebrauchsüberlassung]). Die Urteilsgründe enthalten hierzu keine Feststellungen; selbst die Dauer des vom Angeklagten ausgeübten Besitzes wird nicht mitgeteilt. Die Auflassungsvormerkung ist diesbezüglich ohne Bedeutung.

Ansonsten wirkt die vorübergehende Entziehung des Besitzes für sich gesehen vermögensschädigend nur dann, wenn die betroffene Sache einen wirtschaftlichen Wert hat und entweder - teilweise - abgenutzt oder verbraucht werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 1961 - 1 StR 382/61, BGHSt 16, 280, 281) oder wenn die konkrete Besitzübertragung im Geschäftsverkehr gewöhnlich an ein Entgelt geknüpft ist (etwa Hotelzimmer) und ein solches nicht erbracht wird (vgl. Cramer, Vermögensbegriff und Vermögensschaden im Strafrecht, 1968, S. 233 f.; ferner S/SPerron, StGB, 29. Aufl., § 263 Rn. 158; SSWStGB/Satzger, 3. Aufl., § 263 Rn. 152; LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 191). Beide Varianten sind hier nicht gegeben. Weder unterliegt ein bebautes Grundstück bei einer Besitzüberlassung von maximal neun Monaten bestimmungsgemäß der Abnutzung oder dem Verbrauch, noch war nach den Feststellungen für die vorzeitige Übergabe eine geldwerte Gegenleistung vereinbart; dies ist bei einem Grundstückskauf auch nicht üblich.

cc) Anders als die Strafkammer angenommen hat, kann der Betrugsschaden ebenso wenig in der Differenz zwischen dem zunächst mit dem Angeklagten vereinbarten und dem später von einem Dritten erzielten Kaufpreis gesehen werden, auch wenn sich darin der Wertverlust infolge der - offensichtlich unsachgemäß ausgeführten - Umbauarbeiten niederschlagen sollte.

Eine durch die Baumaßnahmen verursachte Vermögensminderung an dem Grundstück stellt einen - zu dem vom Angeklagten erstrebten Vorteil nicht „stoffgleichen“ - Folgeschaden dar. Sie ist nicht das unmittelbare Ergebnis der Besitzüberlassung, sondern beruht auf gesonderten schädigenden Handlungen des Angeklagten. Ein solcher Folgeschaden kann lediglich im Rahmen der Strafzumessung „als verschuldete Auswirkung der Tat“ (§ 46 Abs. 2 StGB) von Bedeutung sein (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juli 1988 - 2 StR 348/88, NJW 1989, 918).

2. Fall 2:

a) Nach den Feststellungen bestellte der Angeklagte im Dezember 2015, als er bei der Firma „G.“ beschäftigt war, unter Vortäuschung der Zahlungsfähigkeit und -willigkeit bei der Firma „D.“ Werbeaufschriften zu einem Gesamtpreis von 2.123 €; diese „sollten auf die Firma 'G. ' lauten“. Ein Teil der Aufschriften wurde dem Angeklagten im Vertrauen auf die Zahlung des Entgelts übergeben. Seiner vorgefassten Absicht entsprechend erfüllte jedoch weder er noch die Firma „G.“ die Zahlungsverpflichtung.

b) Auf der Grundlage dieser Feststellungen lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob der Firma „D.“ ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB entstanden ist.

Ein tatbestandlicher Vermögensschaden tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtung unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögenswerts unmittelbar vor und nach der Verfügung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. April 2011 - 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638, 639; vom 10. August 2017 - 1 StR 573/16, StraFo 2017, 515).

In dem zu beurteilenden Fall kommt in Betracht, dass die Firma „D.“ unmittelbar mit dem Vertragsschluss einen fälligen und durchsetzbaren Zahlungsanspruch gegen die Firma „G.“ in der vereinbarten Höhe erlangt hat, sollte der Angeklagte für diese mit Vertretungsmacht gehandelt haben. Grundlage der Vertretungsmacht könnte insbesondere eine dem Angeklagten erteilte (Gattungs-)Vollmacht ebenso wie eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht gewesen sein. Zu dem Beschäftigungsverhältnis des Angeklagten bei der Firma „G.“ verhalten sich die Urteilsgründe indes nicht. Es wird schon nicht mitgeteilt, in welcher Funktion er für sie tätig war.

Anders als in den Fällen des Verkaufs von Baumaterialien und Fenstern namens der Firma „G.“ (Fälle 5 bis 7 der Urteilsgründe) kann auch aufgrund des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe nicht ausgeschlossen werden, dass ein werthaltiger Anspruch gegen die Arbeitgeberin des Angeklagten bestand. Hierfür besteht insbesondere deshalb ein Anhalt, weil sie ersichtlich durch den Vertrag begünstigt wurde. Die Werbeaufschriften lauteten auf die Firma „G. "; für den Angeklagten waren sie nicht ohne weiteres persönlich vorteilhaft.

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 479

Externe Fundstellen: NJW 2018, 3040; NStZ 2018, 713 ; StV 2019, 24

Bearbeiter: Christian Becker