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HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 560

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 505/16, Beschluss v. 07.03.2017, HRRS 2017 Nr. 560


BGH 3 StR 505/16 - Beschluss vom 7. März 2017 (LG Bad Kreuznach)

Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse nach dem individuellen Tatbeitrag des Beteiligten (Förderung von in Tatmehrheit stehenden Taten durch eine einheitliche Beihilfehandlung).

§ 25 StGB; § 27 StGB; § 52 StGB; § 53 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Die Frage der Handlungseinheit oder -mehrheit ist nach dem individuellen Tatbeitrag eines jeden Beteiligten zu beurteilen. Das gilt auch für Gehilfen im Sinne des § 27 StGB. Wer daher durch dieselbe Beihilfehandlung mehrere - sei es auch ggf. untereinander in Tatmehrheit stehende - Taten fördert, ist stets wegen tateinheitlich begangener Beihilfe zu diesen unterschiedlichen Taten zu bestrafen.

Entscheidungstenor

Auf die Revisionen der Angeklagten N. und B. wird das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 1. Juli 2016, auch soweit es den Angeklagten V. betrifft, in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass

der Angeklagte N. der versuchten Brandstiftung, des versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung mit Todesfolge, besonders schwerer Brandstiftung und Beihilfe zum Betrug sowie des versuchten Mordes in vier tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung,

der Angeklagte B. der Beihilfe zur versuchten Brandstiftung, der Beihilfe zur besonders schweren Brandstiftung in Tateinheit mit Beihilfe zum Betrug sowie der Beihilfe zum versuchten Mord in vier tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten besonders schweren Brandstiftung und

der Mitangeklagte V. der versuchten Brandstiftung, des versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung mit Todesfolge, besonders schwerer Brandstiftung und Beihilfe zum Betrug sowie der Beihilfe zum versuchten Mord in vier tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten besonders schweren Brandstiftung schuldig ist.

Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten N. und B. sowie die Revision des Angeklagten D. werden verworfen.

Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten D. wegen

- versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung mit Todesfolge und mit besonders schwerer Brandstiftung,

- Betruges sowie

- versuchten Mordes in vier tateinheitlichen Fällen jeweils in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung unter Freispruch im Übrigen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sieben Monaten verurteilt.

Gegen den Angeklagten N. hat es wegen

- versuchter Brandstiftung,

- versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung mit Todesfolge und besonders schwerer Brandstiftung,

- Beihilfe zum Betrug sowie

- versuchten Mordes in vier tateinheitlichen Fällen jeweils in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung die Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und neun Monaten verhängt.

Gegen den Angeklagten B. hat es wegen

- Beihilfe zur versuchten Brandstiftung,

- Beihilfe zur besonders schweren Brandstiftung,

- Beihilfe zum Betrug sowie

- Beihilfe zum versuchten Mord in vier tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten besonders schweren Brandstiftung auf die Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten erkannt.

Den nicht revidierenden Angeklagten V. hat es wegen

- versuchter Brandstiftung,

- versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung mit Todesfolge und besonders schwerer Brandstiftung,

- Beihilfe zum Betrug sowie

- Beihilfe zum versuchten Mord in vier tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten besonders schweren Brandstiftung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt.

Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten D., N. und B., die sachlich-rechtliche Beanstandungen erheben. Die Rechtsmittel der Angeklagten N. und B. haben nur den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen erweisen sie sich - wie auch die Revision des Angeklagten D. - als unbegründet.

1. Dem Rechtsmittel des Angeklagten D. ist der Erfolg zu versagen. Zwar ist seine Revision - entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts - unbeschränkt eingelegt worden. Auch wenn die Revisionsbegründung vom 6. Oktober 2016 lediglich den Strafausspruch betreffende Ausführungen enthält, so ist doch im Schreiben vom 4. Juli 2016, mit dem der Angeklagte Revision eingelegt hat, ohne Einschränkungen beantragt worden, das angefochtene Urteil aufzuheben. Auf diesen Antrag nimmt der Schriftsatz vom 6. Oktober 2016 ausdrücklich Bezug. Die Auslegung des Rechtsmittels zeigt somit, dass das Angriffsziel die Aufhebung des gesamten Urteils ist.

Die Überprüfung des Urteils hat jedoch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben; seine Revision ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2. Auf die Revisionen der Angeklagten N. und B. ist dagegen eine Änderung des jeweiligen Schuldspruchs veranlasst.

Das Landgericht hat in den insoweit maßgeblichen Fällen II., Fälle 2 und 3 folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte D. war Eigentümer eines Hauses, in dem sich neben seiner und zwei vermieteten Wohnungen auch eine von ihm betriebene Pizzeria befand. Da er dieses Haus gerne verkauft hätte, aber keinen Käufer fand, entschloss er sich, es mittels eines Brandes zu zerstören und die Versicherungssumme zu kassieren. Durch Vermittlung des Angeklagten B. konnte er den Angeklagten N. und den Mitangeklagten V. dafür gewinnen, gegen eine Entlohnung in seiner Abwesenheit Feuer im Keller zu legen, das eine Explosion auslösen und zur Zerstörung des Hauses führen sollte. Tatsächlich setzten diese das Anwesen in Brand, so dass unter anderem die Außenmauern und ein Erkerdach von den Flammen erfasst wurden. Aufgrund chemischer Besonderheiten geriet das eingeleitete Gas aber nicht zur Explosion. Der Angeklagte N. und der Mitangeklagte V., nicht aber der Angeklagte B. wussten, dass das Haus von mehreren Mietern bewohnt war, die bei einer ungehinderten Ausbreitung des Brandes zu Tode kommen könnten. Ein Mieter war tatsächlich zu Hause (Fall 2). Der Angeklagte D. meldete den Schaden bei der Versicherung, verschwieg dabei aber, dass er den Brand selbst veranlasst hatte. Die Versicherung zahlte 40.000 € aus (Fall 3).

Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten D. rechtsfehlerfrei als versuchten Mord in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung mit Todesfolge und mit besonders schwerer Brandstiftung (Fall 2) sowie - in Tatmehrheit hierzu - als Betrug (Fall 3) gewertet (vgl. BGH, Urteile vom 23. September 1999 - 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211, 213; vom 21. September 2011 - 1 StR 95/11, NStZ 2012, 39, 40). Hinsichtlich der Angeklagten N. und B. tragen die Feststellungen jedoch die Verurteilung wegen zweier im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander stehender Taten in den Fällen 2 und 3 nicht. Vielmehr haben beide Angeklagte die Beihilfe zum Betrug tateinheitlich mit den im Fall 2 abgeurteilten Delikten begangen.

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Frage der Handlungseinheit oder -mehrheit nach dem individuellen Tatbeitrag eines jeden Beteiligten zu beurteilen (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2001 - 3 StR 52/01, StV 2002, 73; Urteil vom 27. Februar 2004 - 2 StR 146/03, juris Rn. 52). Jeder Mittäter ist insofern nur anhand der von ihm selbst geleisteten Tatbeiträge zu beurteilen. Gleiches gilt für Gehilfen im Sinne des § 27 StGB (BGH, Beschluss vom 19. November 1996 - 1 StR 572/96, NStZ 1997, 121). Der Tatbeitrag des Angeklagten B. bestand vorliegend darin, zwischen dem Angeklagten D. als Auftraggeber und dem Angeklagten N., der die Brandlegung ausführen sollte, zu vermitteln. Somit hat er mit derselben Handlung die von dem Angeklagten D. tatmehrheitlich begangenen Haupttaten - versuchter Mord in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung mit Todesfolge und mit besonders schwerer Brandstiftung einerseits und Betrug andererseits - gefördert. Darüber hinaus hat er mit der identischen Beihilfehandlung auch die von dem Angeklagten N. begangenen Brandstiftungsdelikte unterstützt. Somit sind ihm die jeweiligen Taten der anderen Beteiligten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Er ist deshalb in den Fällen 2 und 3 nur wegen tateinheitlicher Beihilfe einerseits zu den Brandstiftungsdelikten sowie der versuchten Mordtat des Falles 2 und andererseits dem Betrug des Falles 3 strafbar. Nichts anderes gilt für den Angeklagten N. Dieser hat die Brandlegung zwar täterschaftlich verwirklicht, mit dieser Tat aber gleichzeitig den von dem Angeklagten D. in der Folge vorgenommenen Betrug gefördert, so dass auch für ihn nur eine Tat im Rechtssinne vorliegt.

Der Senat ändert den Schuldspruch hinsichtlich beider Angeklagter entsprechend. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich die Angeklagten bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung des Tatgeschehens nicht wirksamer hätten verteidigen können.

Die auf die Sachrüge veranlasste Abänderung des Schuldspruchs erstreckt sich auch auf den Mitangeklagten V. (§ 357 StPO); denn die rechtsfehlerhafte Würdigung als zwei in Tatmehrheit zueinander stehende Taten betrifft diesen in gleicher Weise.

Die abweichende konkurrenzrechtliche Bewertung lässt den Rechtsfolgenausspruch bei den Angeklagten B. und V. unberührt. Infolge der Schuldspruchänderungen entfällt zwar hinsichtlich des Angeklagten B. eine Einzelfreiheitsstrafe von sechs und bezüglich des Angeklagten V. eine solche von acht Monaten. Die jeweilige Gesamtfreiheitsstrafe hat dennoch Bestand. Der Senat kann angesichts der verbleibenden Einzelstrafen - sechs Monate, zwei Jahre und ein Jahr und drei Monate beim Angeklagten B. ; sechs Monate, drei Jahre drei Monate und ein Jahr sechs Monate beim Angeklagten V. - ausschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender Bewertung des Konkurrenzverhältnisses, die den Unrechts- und Schuldgehalt des Tuns der Angeklagten hier unberührt lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 - 4 StR 29/13, NStZ 2013, 641), auf niedrigere Gesamtfreiheitsstrafen erkannt hätte. Dies gilt ebenso für die gegen den Angeklagten N. verhängte Einheitsjugendstrafe, bei deren Bemessung das Landgericht vornehmlich die Schwere der Brandstiftungsdelikte im Blick gehabt hat.

Der geringe Teilerfolg der Revisionen der Angeklagten N. und B. rechtfertigt eine Ermäßigung der Gebühr und die Auferlegung eines Teils der Auslagen auf die Staatskasse nach § 473 Abs. 4 StPO nicht.

HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 560

Bearbeiter: Christian Becker