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HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 301

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 477/15, Beschluss v. 12.01.2016, HRRS 2016 Nr. 301


BGH 3 StR 477/15 - Beschluss vom 12. Januar 2016 (LG Osnabrück)

Konkurrenzrechtliche Beurteilung bei Serienstraftaten (gesonderte Prüfung für jeden einzelnen Beteiligten; Mittäterschaft; individueller Tatbeitrag); Computerbetrug.

§ 263a StGB; § 25 Abs. 2 StGB; § 52 StGB; § 53 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Bei einer Deliktsserie unter Beteiligung mehrerer Personen ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, für jeden einzelnen Beteiligten gesondert zu prüfen und dabei auf seinen individuellen Tatbeitrag abzustellen. Als rechtlich selbständige Taten können dem Mittäter - soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt - nur solche Einzeltaten der Serie zugerechnet werden, für die er einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag leistet. Wer daher andere Beteiligte mit einem Pkw zum Geldautomaten fährt, wo diese mit entwendeten EC-Karten mehrere Abhebungen tätigen, macht sich immer nur eines Computerbetruges schuldig, ohne dass es darauf ankommt, wie die einzelnen Abhebungen bei den anderen Beteiligten konkurrenzrechtlich beurteilt werden.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 26. Mai 2015

soweit es ihn betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte in den Fällen II.31 und 32, II.33 und 34 sowie II.50 bis 52 der Urteilsgründe jeweils eines gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetruges schuldig ist; die in den Fällen II.32, 34, 51 und 52 festgesetzten Einzelstrafen entfallen;

soweit es den Mitangeklagten S. betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass der Mitangeklagte S. in den Fällen II. 31 und 32, II.33 und 34 sowie II.50 bis 52 der Urteilsgründe jeweils eines gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetruges schuldig ist; die in den Fällen II.32, 34, 51 und 52 festgesetzten Einzelstrafen entfallen;

soweit es den Mitangeklagten Ü. betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass der Mitangeklagte Ü. in den Fällen II.31 und 32 der Urteilsgründe eines gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetruges schuldig ist; die im Fall II.32 festgesetzte Einzelstrafe entfällt.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in 21 Fällen, versuchten schweren Bandendiebstahls, Diebstahls in zwei Fällen, versuchten Diebstahls, gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetruges in acht Fällen und Computerbetruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Gegen die Mitangeklagten S. und Ü. hat die Strafkammer ebenfalls jeweils wegen gewerbs- und bandenmäßigen Comupterbetruges in acht Fällen sowie wegen weiterer Delikte Freiheitsstrafen verhängt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Revision des Angeklagten ist zulässig. Das Landgericht hat dem Angeklagten auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist gewährt. An diesen Beschluss ist der Senat trotz der fehlenden Zuständigkeit der Strafkammer für die Entscheidung (§ 46 Abs. 1 StPO) gebunden (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2011 - 3 StR 295/11, NStZ-RR 2012, 49 mwN; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 46 Rn. 7).

2. Der Schuldspruch weist mit Blick auf die konkurrenzrechtliche Bewertung einen durchgreifenden Rechtsfehler auf, soweit der Angeklagte in den Fällen II.31 und 32, II.33 und 34 sowie II.50 bis 52 der Urteilsgründe jeweils wegen eigenständiger tatmehrheitlicher Delikte des gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetruges verurteilt worden ist.

a) Nach den Feststellungen schloss sich der Angeklagte mit den nicht revidierenden Mitangeklagten S. und Ü. im Juni 2014 zusammen, um - vornehmlich in Schulen - zu dritt in arbeitsteiligem Vorgehen Einbruchsdiebstähle zu verüben; der Angeklagte wollte sich hierdurch eine nicht unbeträchtliche dauerhafte Einnahmequelle verschaffen. Da nur der Angeklagte im Besitz einer Fahrerlaubnis war, sollte er jeweils das Tatfahrzeug fahren, im Übrigen sollten die einzelnen Aufgaben jeweils vor Ort verteilt werden. Es entsprach zudem der gemeinsamen Abrede, mit gegebenenfalls erbeuteten EC-Karten von den Konten der Karteninhaber Geld abzuheben. Die Beute sollte jeweils unabhängig vom Tatbeitrag des Einzelnen gleichmäßig geteilt werden.

Bei einem aufgrund dieser Abmachung gemeinsamen Einbruch in eine Schule in A. entwendeten die Angeklagten unter anderem eine Banktasche mit drei EC-Karten nebst den zugehörigen PIN-Nummern. Mittels zwei der EC-Karten „hoben sie“ an einem Geldautomaten der Volksbank D. am frühen Morgen des 11. August 2014 in kurzer Zeit jeweils 1.500 € ab (Fälle II.31 und 32 der Urteilsgründe). Anschließend fuhren sie zur Sparkasse B. Dort ließ sich der Mitangeklagte Ü. mit einer der Karten 1.500 € und mit einer anderen Karte innerhalb weniger Minuten weitere Beträge in Höhe von insgesamt 1.990 € auszahlen (Fälle II.33 und 34 der Urteilsgründe).

Am 30. Oktober 2014 entwendeten die Angeklagten aus dem Tresor der Grundschule B. drei EC-Karten mit den dazugehörigen PIN-Nummern. Mit den Karten fuhren sie zur Raiffeisenbank in W. Dort tätigte der Mitangeklagte Ü. mit den Karten kurz nach Mitternacht innerhalb kurzer Zeit drei Geldabhebungen in einer Höhe von 245 € bis 500 € (Fälle II.50 bis 52 der Urteilsgründe).

b) Aufgrund dieser rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte nicht wegen sieben, sondern nur wegen drei tatmehrheitlich zueinander stehender Taten des gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetruges (§ 263a Abs. 1 und 2, § 263 Abs. 5 StGB) strafbar gemacht und zwar zweimal (Fälle II.31 und 32 sowie II.33 und 34) in zwei und einmal (Fälle II.50 bis 52) in drei tateinheitlichen Fällen. Bei einer Deliktsserie unter Beteiligung mehrerer Personen ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, für jeden einzelnen Beteiligten gesondert zu prüfen und dabei auf seinen individuellen Tatbeitrag abzustellen. Als rechtlich selbständige Taten können dem Mittäter - soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt - nur solche Einzeltaten der Serie zugerechnet werden, für die er einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag leistet (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Juli 2015 - 3 StR 518/14, NStZ-RR 2015, 341; vom 14. Oktober 2014 - 3 StR 365/14, NStZ 2015, 334; vom 17. September 2013 - 3 StR 259/13, juris Rn. 3).

Nach diesen Maßstäben liegen in den Komplexen II.31 und 32, II.33 und 34 sowie II.50 bis 52 der Urteilsgründe nur insgesamt drei eigenständige Delikte vor. Die Feststellungen tragen insoweit in ihrem Gesamtzusammenhang zwar den Schluss auf eine als Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) zu bewertende Beteiligung des Angeklagten an den Geldabhebungen; denn sie belegen hinreichend, dass der - allein über eine Fahrerlaubnis verfügende - Angeklagte zur „Verwertung“ der bei den vorangegangenen gemeinsamen Diebstählen erbeuteten EC-Karten zumindest seine Tatkomplizen zu der jeweiligen Bank- oder Sparkassenfiliale fuhr. Weitere Beiträge des Angeklagten zum Einsatz der EC-Karten sind nicht festgestellt. Unabhängig davon, wie die zeitlich unmittelbar aufeinanderfolgenden Abhebungen an demselben Geldautomaten mit verschiedenen EC-Karten durch einen seiner Mittäter konkurrenzrechtlich zu bewerten sind (s. dazu BGH, Beschluss vom 11. März 2015 - 1 StR 50/15, wistra 2015, 269 mwN), können diese ihm daher nur als einheitliche Tat zugerechnet werden. Dies hat zur Folge, dass sich der Angeklagte (einschließlich des Falles II.42 der Urteilsgründe, bei dem der Angeklagte Ü. nur eine Abhebung vornahm) nur vier tatmehrheitlicher Delikte des gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetruges schuldig gemacht hat.

Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab, wobei er davon absieht, die je mehrfache tateinheitliche Verwirklichung des § 263a StGB zum Ausdruck zu bringen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 1996 - 4 StR 3/96, NStZ 1996, 610, 611). § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

3. Infolge der Schuldspruchänderung entfallen die für die Fälle II.32, 34, 51 und 52 der Urteilsgründe festgesetzten Einzelstrafen von jeweils einem Jahr. Für die insgesamt drei tateinheitlichen Geschehen setzt der Senat gemäß § 354 Abs. 1 analog StPO (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Februar 2015 - 3 StR 555/14, juris Rn. 6; vom 14. Oktober 2014 - 3 StR 365/14, NStZ 2015, 334) jeweils die Einzelstrafen von einem Jahr aus den Fällen II.31, II.33 und II.50 der Urteilsgründe fest. Die Gesamtstrafe hat dennoch Bestand. Angesichts der verbleibenden dreißig weiteren Einzelfreiheitsstrafen zwischen sechs Monaten bis einem Jahr und vier Monaten schließt der Senat aus, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Würdigung auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe als die verhängte von zwei Jahren und zehn Monaten erkannt hätte.

4. Nach § 357 Satz 1 StPO ist die Entscheidung im gleichen Umfang auf den nicht revidierenden Mitangeklagten S. zu erstrecken. Dies gilt hinsichtlich der Taten 31 und 32 der Urteilsgründe auch hinsichtlich des Mitangeklagten Ü. ; im Übrigen (Taten II.33, 34, 50 bis 52 der Urteilsgründe) ist der Schuldspruch aufgrund der in diesen Fällen von der Strafkammer festgestellten individualisierten Tatbeiträge des Mitangeklagten Ü. nicht betroffen. Auch bei diesen Angeklagten wird die jeweils verhängte Gesamtstrafe in gleicher Weise wie beim Angeklagten I. durch die Änderung des Schuldspruchs und den Wegfall von einer bzw. vier Einzelstrafen nicht berührt.

5. Im Hinblick auf den nur geringen Teilerfolg der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 301

Bearbeiter: Christian Becker