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HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 193

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 430/15, Beschluss v. 08.12.2015, HRRS 2016 Nr. 193


BGH 3 StR 430/15 - Beschluss vom 8. Dezember 2015 (LG Düsseldorf)

Keine ausreichenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite beim Betrug (Eventualvorsatz; Schädigungsvorsatz); rechtsfehlerhafte Gesamtstrafenbildung; Anrechnung von im Ausland erlittener Freiheitsentziehung (Bestimmung des Anrechnungsmaßstabs; Aufnahme in die Urteilsformel).

§ 263 StGB; § 15 StGB; § 55 StGB; § 51 StPO

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 20. Mai 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges unter Einbeziehung von Vorstrafen zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie wegen Betruges in 16 Fällen zur weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die er auf Rügen der Verletzung formellen und sachlichen Rechts stützt. Das Rechtsmittel führt auf die Sachbeschwerde zur Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen sowie zur Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung (§ 349 Abs. 4, § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO). Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es danach nicht an.

Die Verurteilung des Angeklagten hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die subjektive Seite der Betrugstaten ist nicht tragfähig begründet.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen das Folgende festgestellt:

Der Angeklagte betrieb im Tatzeitraum, in dem er seinen Lebensmittelpunkt auf der Insel Mallorca hatte, - wie schon früher - im Internet mehrere „Homepages“, auf denen er Mietwohnmobile für Reisen durch die USA und Kanada anbot. Die Buchung der Fahrzeuge war über ein auf diesen „Homepages“ vorhandene Kontaktformular per Email möglich. Nach der Buchung erbrachten die Kunden nach einer elektronischen Zahlungsaufforderung eine Anzahlung, in vielen Fällen leisteten sie später auch die Restzahlung. Die jeweiligen Geldbeträge überwiesen sie auf - teils von einem Strohmann eingerichtete - Konten bei deutschen und spanischen Banken, über die alleine der Angeklagte verfügen konnte. In einigen Fällen kam es bereits nach Leistung der Anzahlung, in den übrigen Fällen jedenfalls aber nach Überweisung der Restzahlung dazu, dass die Kunden auf Nachfragen zu den Details der Vertragsabwicklung keine Antwort mehr erhielten. In Einzelfällen stellten die Geschädigten aber auch erst vor Ort fest, dass die gebuchten Wohnmobile nicht wie vereinbart zur Verfügung standen.

Bezüglich des subjektiven Tatbestands der Betrugstaten nimmt das Landgericht bedingten Vorsatz des Angeklagten an: Nach den Urteilsfeststellungen hielt er es „zumindest für möglich und nahm es billigend in Kauf, den Geschädigten das gebuchte Wohnmobil trotz Leistung der An- und Restzahlung nicht zur Verfügung stellen zu können“. Der Angeklagte habe es für möglich gehalten, dass „er sein Leistungsverspechen nicht in allen Fällen würde erfüllen können“ und habe dies gebilligt.

2. Die Annahme eines bedingten Betrugsvorsatzes des Angeklagten wird durch die Urteilsgründe - auch nach ihrem Gesamtzusammenhang - nicht belegt. Eventualvorsatz setzt voraus, dass der Täter die Erfüllung des Tatbestandes nicht erstrebt oder als sicher voraussieht, sondern (nur) für möglich hält und dies billigt. Für den subjektiven Tatbestand des Betruges bedeutet dies, dass der Täter es für möglich hält und billigt, durch Täuschung einen Irrtum hervorzurufen und durch die Irrtumserregung eine Vermögensverfügung des Getäuschten zu veranlassen, die zu einem Vermögensschaden führt.

Aufgrund welcher tatsächlichen Feststellungen das Landgericht zu der Annahme gelangt ist, dass der Angeklagte in diesem Sinne mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat, bleibt offen. Insbesondere kann den Urteilsgründen auch in ihrer Gesamtheit nichts dazu entnommen werden, ob der Angeklagte - etwa selbst oder über Vertragspartner - überhaupt zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb des Tatzeitraumes die Möglichkeit und den Willen hatte, buchenden Kunden ein Wohnmobil zu verschaffen und damit seine vertragliche Leistung zu erbringen.

Zwar war der Angeklagte von 1986 bis 1991 sowie von 2000 bis 2006 in Kanada selbständig in der Reisebranche tätig, indes könnte nach den bisherigen Feststellungen auch einiges dafür sprechen, dass der Angeklagte seine angebotene und vertraglich vereinbarte Leistung von vornherein nicht erbringen konnte und dies auch nicht wollte. Allerdings hat das Landgericht ausdrücklich festgestellt, es gehe „zu Gunsten des Angeklagten davon aus, dass die Homepages nicht von vornherein in betrügerischer Absicht errichtet wurden“. Danach sind dem Urteil zum subjektiven Tatbestand der Betrugstaten keine tragfähigen Feststellungen zu entnehmen. Es kann daher keinen Bestand haben.

3. Der neue Tatrichter wird auf das Folgende hingewiesen:

a) Die Bewertung der Fälle II. 7. und 8. der Urteilsgründe als zwei rechtlich selbständige Betrugstaten begegnet rechtlichen Bedenken; denn nach den bisherigen Feststellungen könnte es sich rechtlich um lediglich eine Betrugstat handeln. Das Landgericht hat zu Fall II. 7. festgestellt, dass der Geschädigte über eine der vom Angeklagten betriebenen „Homepages“ im Januar 2012 zwei Wohnmobile buchte, eines für sich und seine Ehefrau sowie eines für seine Tochter und seinen Schwiegersohn. Nach Erhalt einer Zahlungsaufforderung überwies er beide Anzahlungen in einer Summe auf ein Bankkonto des Angeklagten. Die Restzahlungen für beide Wohnmobile überwies (hingegen) die Tochter des Geschädigten im Mai 2012 in einem Betrag auf ein anderes Konto des Angeklagten. Diese Zahlung hat das Landgericht als rechtlich selbständige Betrugstat (Fall II. 8.) angesehen. Indes könnte sie auf derselben Täuschungshandlung des Angeklagten wie die beiden Anzahlungen beruhen.

b) Der Ausspruch über die (erste) Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten begegnet ebenfalls rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat diese Gesamtfreiheitsstrafe aus der im Fall II. 1. der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und den Einzelstrafen von zweimal acht Monaten aus dem am 19. März 2009 erlassenen Strafbefehl des Amtsgerichts Neuss gemäß § 55 Abs. 1 StGB nachträglich gebildet. Nach den Feststellungen zu Fall II. 1. der Urteilsgründe hat der Geschädigte zwar - nach vorheriger Buchung - die Anzahlung am 27. Januar 2009, die Restzahlung in Höhe von 1.364 € indes (erst) am 27. April 2009 überwiesen. Die neue Tat ist im Sinne von § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB jedoch nur dann vor der früheren Verurteilung begangen worden, wenn sie vor dieser beendet war (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2008 - 5 StR 486/08, NStZ-RR 2009, 74). Beendigung der Betrugstat im Fall II. 1. der Urteilsgründe ist nach den bisherigen Feststellungen aber frühestens am 27. April 2009 und somit erst nach dem Erlass des Strafbefehls eingetreten.

c) Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich, dass der Angeklagte am 23. April 2014 in Thailand festgenommen und am 8. Mai 2014 nach Deutschland ausgeliefert worden ist. Sofern die Freiheitsentziehung in Thailand gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 StGB anzurechnen ist, hat der Tatrichter gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 den Maßstab der Anrechnung zu bestimmen und in der Urteilsformel auszusprechen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 2012 - 4 StR 58/12, NStZ-RR 2012, 271; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 260 Rn. 35).

HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 193

Bearbeiter: Christian Becker