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HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 535

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 428/15, Beschluss v. 05.04.2016, HRRS 2016 Nr. 535


BGH 3 StR 428/15 - Beschluss vom 5. April 2016 (LG Mönchengladbach)

Keine automatische strafschärfende Wirkung der Begehung in Mittäterschaft (Doppelverwertungsverbot); Aufklärungshilfe oder ernsthaftes Aufklärungsbemühen als bestimmender Strafmilderungsgrund.

§ 46 StGB; § 46b StGB; § 31 BtMG

Leitsatz des Bearbeiters

Beteiligen sich mehrere Personen an einer Straftat, kann dies zwar unter Umständen eine erhöhte Strafwürdigkeit begründen. Gleichwohl besagt allein der Umstand mittäterschaftlichen Handelns noch nichts über das Maß der Tatschuld des einzelnen Beteiligten. Dass der Täter mit anderen Tatgenossen zusammengewirkt hat, kann im Einzelfall seinen Tatbeitrag sogar in einem milderen Licht erscheinen lassen. Die strafschärfende Berücksichtigung der mittäterschaftlichen Tatbeteiligung selbst, ohne die konkreten Umstände der Tatbeteiligung in den Blick zu nehmen, verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 8. Juli 2015 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dagegen kann der Strafausspruch keinen Bestand haben.

1. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung die ihm zur Last gelegte Tat eingeräumt, jedoch - erstmals - angegeben, er habe das Kokain in den Niederlanden zusammen mit dem Mitangeklagten Ö., der auch zunächst das für den Kauf notwendige Geld gestellt habe, erworben und über die Grenze in die Bundesrepublik Deutschland transportiert; hier hätten die Drogen hälftig geteilt werden sollen. Der Mitangeklagte hat seine Beteiligung an der Tat bestritten. Das Landgericht hat ihn freigesprochen und insoweit von Ausführungen zur Beweiswürdigung abgesehen, weil für den Angeklagten bei der Strafzumessung kein positiver Effekt durch die von ihm behauptete Beteiligung des Mitangeklagten eintreten würde. Vielmehr wäre eine gemeinschaftliche Begehung sowie die Mitwirkung daran, dem Mitangeklagten Kokain zu dessen Eigenkonsum zu verschaffen, strafschärfend zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen.

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat nicht bedacht und in die Abwägung mit den von ihm aufgeführten Strafschärfungsgründen eingestellt, dass eine erfolgreiche Aufklärungshilfe oder auch nur ein ernsthaftes Aufklärungsbemühen auch außerhalb des Anwendungsbereichs von § 31 BtMG, § 46b Abs. 1 StGB ein bestimmender Strafmilderungsgrund sein kann (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 - 3 StR 513/15, juris Rn. 3 mwN; Beschluss vom 15. März 2011 - 1 StR 75/11, BGHSt 56, 191, 193). Ungeachtet der Frage, ob in diesem Zusammenhang der Zweifelssatz anwendbar ist, soweit über das Vorliegen eines Aufklärungserfolgs zu befinden ist (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 5. August 2010 - 3 StR 271/10, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 27), ist der Angeklagte schon deshalb durch das Vorgehen der Strafkammer beschwert, weil sich angesichts der vollständig fehlenden Beweiswürdigung hierzu nicht nachvollziehen lässt, ob deren Zweifel an der Mittäterschaft des Mitangeklagten auf rechtsfehlerfreien Erwägungen beruhen.

Ãœberdies erweist sich die Wertung der Strafkammer, ein mittäterschaftliches Handeln mit dem Angeklagten Ö. sei strafschärfend zu berücksichtigen, in ihrer Pauschalität als nicht tragfähig. Beteiligen sich mehrere Personen an einer Straftat, kann dies zwar unter Umständen eine erhöhte Strafwürdigkeit begründen (vgl. LK/Theune, StGB, 12. Aufl., § 46 Rn. 141; MüKo-StGB/Miebach, 2. Aufl., § 46 Rn. 92). Gleichwohl besagt allein der Umstand mittäterschaftlichen Handelns noch nichts über das Maß der Tatschuld des einzelnen Beteiligten. Dass der Täter mit anderen Tatgenossen zusammengewirkt hat, kann im Einzelfall seinen Tatbeitrag sogar in einem milderen Licht erscheinen lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 1993 - 3 StR 281/93, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 25; Beschluss vom 12. September 2013 - 2 StR 226/13, BGHR § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 39; SSW-StGB/Eschelbach, 2. Aufl., § 46 Rn. 80). Die strafschärfende Berücksichtigung der mittäterschaftlichen Tatbeteiligung selbst, ohne - wie hier - die konkreten Umstände der Tatbeteiligung in den Blick zu nehmen, verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB (BGH, Beschluss vom 7. September 2015 - 2 StR 124/15, NStZ-RR 2016, 74).

3. Der Strafausspruch bedarf damit neuer Verhandlung und Entscheidung. Um dem neuen Tatgericht insoweit eine widerspruchsfreie Beurteilung zu ermöglichen, hat der Senat die zugehörigen Feststellungen insgesamt aufgehoben.

HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 535

Externe Fundstellen: NStZ 2016, 525; StV 2017, 294

Bearbeiter: Christian Becker