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HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 1037

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 326/14, Beschluss v. 19.08.2014, HRRS 2014 Nr. 1037


BGH 3 StR 326/14 - Beschluss vom 19. August 2014 (LG Kleve)

Anforderungen an die Feststellung eines mittäterschaftsbegründenden Tatbeitrags bei mehreren gleichartigen Betrugstaten.

§ 263 StGB; § 25 Abs. 2 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Mittäterschaft eines nicht am Kerngeschehen Beteiligten setzt jedenfalls einen das unmittelbar tatbestandsmäßige Handeln anderer Mittäter fördernden Tatbeitrag voraus. Ein solcher lässt sich nicht ohne Weiteres allein aus dem Umstand ableiten, dass der Beteiligte in einen gemeinsam gefassten, auf die Begehung zwar gleichartiger, im Einzelnen aber noch unbestimmter Taten gerichteten Tatplan eingebunden war.

Entscheidungstenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird, soweit diese verurteilt worden sind, das Urteil des Landgerichts Kleve, auswärtige Strafkammer in Moers, vom 26. Februar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten unter Freispruch im Übrigen schuldig gesprochen, des Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung und mit Unterschlagung (E. in 52 Fällen, O. in 45 Fällen) sowie des Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung (E. in sechs Fällen, O. in sieben Fällen), den Angeklagten E. darüber hinaus des Betruges in zwei Fällen. Den Angeklagten E. hat es deswegen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, gegen den Angeklagten O. hat es unter Einbeziehung der Strafen aus einer Vorverurteilung eine solche von vier Jahren ausgesprochen. Die Revisionen der Angeklagten haben mit den erhobenen Sachrügen Erfolg; auf die Verfahrensrügen des Angeklagten E. kommt es danach nicht mehr an.

1. Der Angeklagte O. beabsichtigte, sich durch den Abschluss von Mobilfunkverträgen unter falscher Identität und anschließender Veräußerung der so erlangten Geräte auf eigene Rechnung eine dauerhafte Einnahmequelle zu erschließen. Zur Herstellung der vom Betreiber geforderten Identitäts- und Bonitätsnachweise wollte er sich einer im Umlauf befindlichen Software bedienen, die nach Eingabe beliebiger Personendaten und Lichtbilder Ausdrucke im Erscheinungsbild von Kopien entsprechender Personalpapiere und Bankkarten ermöglicht. Zunächst zur Erprobung ließ er durch Mittelsmänner mehrere solcher Anträge bei der Filiale eines Unternehmens einreichen, das sich mit der Vermittlung von Mobilfunkverträgen gegen vom Betreiber zu entrichtende Provisionen befasste. Sowohl die dort tätige Filialleiterin, die frühere Mitangeklagte T., als auch der in der Filiale beschäftigte Angeklagte E., ein Freund des Angeklagten O., durchschauten indes den Plan. Beide entschlossen sich zur Zusammenarbeit mit dem Angeklagten O. in der Absicht, auf diese Weise die erfolgreiche Vermittlung von Mobilfunkverträgen vorzutäuschen, die Mitangeklagte, um sich ihrer Arbeitgeberin als fähige Filialleiterin zu empfehlen, der Angeklagte E., weil das Unternehmen die vom Betreiber bezahlten Provisionen zu einem bestimmten Anteil an die Mitarbeiter weitergab.

"Mit Hilfe von E. und - gelegentlich - T." stellte der Angeklagte O. in der Folge in insgesamt 49 Fällen wie beschrieben unter Verwendung fiktiver Personalien schriftliche Anträge an einen Mobilfunkbetreiber auf Abschluss entsprechender Verträge (mehrere Anträge an demselben Tag und unter denselben Personalien hat das Landgericht zu einer Tat zusammengefasst). Im Sinne einer zusätzlichen "Belohnung" der Genannten für ihre Mitwirkung zielten diese nicht nur auf die Überlassung von Geräten ab, sondern hatten auch Leistungen anderer Art zum Gegenstand. 43 dieser Fälle betrafen (auch) den Kauf von Mobiltelefonen, die der Angeklagte O. jeweils vom Angeklagten E. oder von der Mitangeklagten erhielt und sodann auf eigene Rechnung verwertete.

Die frühere Mitangeklagte beendete schließlich ihre Tätigkeit in der Filiale, wonach der Angeklagte O. mit Hilfe des Angeklagten E. noch in drei weiteren Fällen entsprechende Anträge an den Betreiber stellte, bevor er sich seinerseits zum Aufhören entschloss. Zwei dieser Fälle betrafen den Kauf von Geräten, die der Angeklagte E. jeweils dem Angeklagten O. aushändigte.

In der Folge beschaffte sich der Angeklagte E. die erforderliche Software und fingierte nun selbst schriftliche Anträge an den Betreiber. Es kam insgesamt zu acht solcher Fälle "jeweils mit Ausgabe von Handys". In zwei dieser Fälle war der Antrag nicht unterschrieben.

2. Die Schuldsprüche haben keinen Bestand.

a) Das Landgericht hat den Angeklagten E. auch in den Fällen als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) angesehen, in denen der Angeklagte O. die Anträge im Zusammenwirken mit der früheren Mitangeklagten eingereicht hatte. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar erfordert die Annahme von Mittäterschaft nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen der Tat; vielmehr kann für eine Tatbeteiligung als Mittäter auch ein auf der Grundlage gemeinsamen Wollens die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag ausreichen, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 2. Juli 2008 - 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25, 26). Auch einen das tatbestandliche Handeln (allein) der früheren Mitangeklagten und des Angeklagten O. in diesem Sinne wenigstens fördernden Tatbeitrag des Angeklagten E. hat das Landgericht indes nicht festgestellt. Ein solcher kann insbesondere nicht schon aus dem Umstand abgeleitet werden, dass der Angeklagte E. in den gemeinsam gefassten, auf die Begehung zwar gleichartiger, im Einzelnen aber noch unbestimmter Taten gerichteten Tatplan eingebunden war. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts stellt sich deshalb nicht nur die Frage der konkurrenzrechtlichen Behandlung eines einheitlichen, mehrere Einzeltaten eines Mittäters fördernden Tatbeitrags.

In welchen oder zumindest in wie vielen Fällen der Angeklagte O. allein mit der früheren Mitangeklagten zusammenwirkte, ist den Feststellungen nicht zu entnehmen. Soweit der Angeklagte E. wegen der 49 auf den ersten Tatabschnitt entfallenden Taten verurteilt worden ist, unterliegt das Urteil deshalb insgesamt der Aufhebung.

b) Aufzuheben ist das Urteil auch, soweit das Landgericht die Angeklagten wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung und mit Unterschlagung verurteilt hat, denn das Landgericht hat, was die Unterschlagung betrifft, bereits die Subsidiaritätsklausel des § 246 Abs. 1 StGB übersehen. Eine entsprechende Abänderung der Schuldsprüche ist dem Senat verwehrt, denn zu der naheliegenden Frage, ob die Herausgabe der Geräte durch die frühere Mitangeklagte bzw. den Angeklagten E. statt dessen als Untreue (und das Verhalten des Angeklagte O. als Beihilfe hierzu) zu bewerten ist, verhält sich das Urteil nicht. Der neue Tatrichter wird insoweit Ermittlungen zur jeweiligen Pflichtenstellung nachzuholen haben.

c) Der Senat verkennt nicht, dass die dargelegten Rechtsfehler bei beiden Angeklagten die Schuldsprüche hinsichtlich einiger (weniger) Einzeltaten unberührt lassen; die Auffassung des Generalbundesanwalts, dass das Landgericht darüber hinaus die Zusammenfassung aller an demselben Tage gestellten Anträge zu einer Tat auch insoweit hätte prüfen müssen, als ihnen unterschiedliche fiktive Personalien zu Grunde lagen, teilt der Senat nicht. Gleichwohl hebt er das Urteil insgesamt auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu umfassenden neuen Feststellungen zu geben.

HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 1037

Bearbeiter: Christian Becker