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HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 377

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 375/13, Beschluss v. 20.03.2014, HRRS 2014 Nr. 377


BGH 3 StR 375/13 - Beschluss vom 20. März 2014 (LG Hannover)

Abgrenzung von Täterschaft und Beihilfe beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln bei Kuriertätigkeit (regelmäßig keine täterschaftliche Gestaltungsmöglichkeit; Ausnahme bei Beteiligung am Umsatz oder Einbindung in eine gleichberechtigt verabredete arbeitsteilige Durchführung des Umsatzgeschäfts).

§ 29 BtMG; § 25 StGB; § 27 StGB

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 27. Juni 2013 wird

das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 14 der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,

das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 15 Fällen schuldig ist.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 16 Fällen, davon in 15 Fällen in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat nur in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Senat hat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 14 der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist. Dies führt insoweit zur Änderung des Schuldspruchs und zum Wegfall der für diese Tat festgesetzten Einzelstrafe von zehn Monaten.

2. In den verbleibenden 15 Fällen hält der Schuldspruch rechtlicher Überprüfung nicht stand, soweit die Strafkammer den Angeklagten - neben der tateinheitlich verwirklichten Einfuhr - wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt hat. Die vom Landgericht festgestellte Kuriertätigkeit des Angeklagten ist mit Blick auf den Vorwurf des Handeltreibens vielmehr lediglich als Beihilfe zu werten.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs gelten für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme auch im Betäubungsmittelrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Für die rechtliche Einordnung der Beteiligung eines Kuriers an einem Rauschgiftgeschäft ist mithin auf dessen konkreten Beitrag für das Umsatzgeschäft insgesamt abzustellen. Erschöpft sich die Tätigkeit eines Beteiligten allein im Transport von Betäubungsmitteln oder des Entgelts dafür, kommt dieser mit Blick auf das Umsatzgeschäft in der Regel keine täterschaftliche Gestaltungsmöglichkeit zu. Insoweit kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob der Kurier hinsichtlich des Transports ein hohes Maß an Selbständigkeit und Tatherrschaft innehat, denn auch bei faktischen Handlungsspielräumen insoweit wird das Handeln des Kuriers zumeist nur eine untergeordnete Hilfstätigkeit darstellen und deshalb als Beihilfe zu werten sein (BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - 3 StR 445/10, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 77 mwN).

Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Kurier erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, etwa am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll. Auch eine Einbindung des Transporteurs in eine gleichberechtigt verabredete arbeitsteilige Durchführung des Umsatzgeschäfts spricht für die Annahme von Mittäterschaft, selbst wenn seine konkrete Tätigkeit in diesem Rahmen auf die Beförderung der Drogen, von Kaufgeld oder Verkaufserlös beschränkt ist. Im Einzelfall kann auch eine weit gehende Einflussmöglichkeit des Transporteurs auf Art und Menge der zu transportierenden Drogen sowie auf die Gestaltung des Transports für eine über das übliche Maß reiner Kuriertätigkeit hinausgehende Beteiligung am Gesamtgeschäft sprechen (BGH aaO).

Solche Umstände hat die Strafkammer indes nicht festgestellt: Der Angeklagte war weder am An- und Verkauf der Betäubungsmittel unmittelbar beteiligt, noch hatte er Einfluss auf Art und Menge der zu transportierenden Drogen. Er erhielt keine Umsatzbeteiligung, sondern einen festen Kurierlohn. Er war nicht gleichberechtigt in die arbeitsteilige Durchführung des Umsatzgeschäftes eingebunden, sondern befolgte - mit Ausnahme des reinen Transports, den er eigenverantwortlich gestalten konnte - die Vorgaben seiner Auftraggeber.

3. Die Änderung des Schuldspruchs und der Wegfall der Einzelstrafe im Fall II. 14 der Urteilsgründe lassen den Strafausspruch im Übrigen unberührt.

Die Strafkammer hat das von ihr angenommene täterschaftliche Handeltreiben bei der Zumessung der dem - nach den § 31 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten - Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG entnommenen Einzelstrafen nicht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, vielmehr zu seinen Gunsten auf seine untergeordnete Rolle im Gesamtsystem der Drogengeschäfte abgestellt. Der Senat kann deshalb ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender Bewertung der Beteiligung am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als Beihilfe zu niedrigeren Einzelstrafen gelangt wäre.

Ebenso schließt der Senat mit Blick auf die verbleibenden Einzelstrafen von vier Mal einem Jahr und vier Monaten und elf Mal einem Jahr Freiheitsstrafe aus, dass die Strafkammer ohne die im Fall II. 14 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe von zehn Monaten auf eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 377

Bearbeiter: Christian Becker