hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 895

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 237/13, Beschluss v. 20.08.2013, HRRS 2013 Nr. 895


BGH 3 StR 237/13 - Beschluss vom 20. August 2013 (LG Hannover)

Unzulässigkeit der Berücksichtigung eines als Exzess zu wertenden Verhaltens im Rahmen der Strafzumessung (hier: bei der Jugendstrafe) trotz dessen nachträglicher Billigung.

§ 25 StGB; § 46 StGB; § 17 JGG

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 15. März 2013, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch über die Jugendstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Sichverschaffen von Betäubungsmitteln schuldig gesprochen und ihn deswegen unter Einbeziehung eines Urteils des Amtsgerichts Springe vom 10. November 2011 zu der Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Der Ausspruch über die Jugendstrafe hat keinen Bestand.

1. Nach den insoweit rechtsfehlerfreien Feststellungen drangen der Angeklagte, die Mitangeklagten A. und S. sowie eine weitere Mitangeklagte zusammen in die Wohnung des Geschädigten D. ein, um ihm in erster Linie Marihuana, aber auch vorgefundenes Bargeld oder andere Wertgegenstände zu entwenden. Gemeinsam fühlten sie sich dem dort wie erwartet allein angetroffenen D. überlegen und gingen deshalb davon aus, dieser werde keinen nennenswerten Widerstand leisten. Ohne dass dies verabredet gewesen wäre, hielt es der Angeklagte aber für möglich, er oder ein anderer Beteiligter werde, falls erforderlich, auch körperliche Gewalt gegen D. einsetzen.

Der Angeklagte forderte D. auf, sein gesamtes Marihuana herbeizuholen. Da dieser das Auftreten der Besucher als bedrohlich empfand, legte er vorhandene 4-5 Gramm auf den Wohnzimmertisch. Der Angeklagte nahm das Marihuana sowie ein daneben liegendes Mobiltelefon an sich und erklärte, beides gehöre jetzt ihm. Auf D. s Frage, was dies solle, wies der Angeklagte ihn an, er solle keine falsche Bewegung machen und keine Gegenwehr leisten.

Der Mitangeklagte A., der, wie auch der Angeklagte wusste, Unterricht im Thai-Boxen nahm, "befürchtete nun eine körperliche Gegenwehr" des Geschädigten. Um eine solche zu unterbinden, versetzte er ihm unter Verwendung eines "verstärkenden Tatmittels" - Näheres hierzu kann das Landgericht ebenso wenig feststellen wie die Kenntnis der Begleiter von dessen Mitführung - einen Faustschlag gegen die vordere linke Kopfseite. D. erlitt eine Rißwunde mit spritzender Blutung und eine ohne intensivmedizinische Versorgung lebensbedrohliche Schädelimpressionsfraktur mit epiduralem Bruchspalthämatom; ein Teil des Schädelknochens musste später entfernt und durch eine Plastik ersetzt werden.

Der Angeklagte erkannte die Schwere der Verletzung und "nahm diese billigend in Kauf". "An dieser Stelle" kam er mit dem Mitangeklagten A. stillschweigend überein, gegen das Opfer "weiter gemeinschaftlich Gewalt zur Wegnahme noch anderer Gegenstände" auszuüben. Er ergriff einen auf dem Wohnzimmertisch befindlichen Laptop, den D. ihm aber wieder entreißen konnte. Vom Angeklagten auf ein Sofa geschubst verbarg er das Gerät unter sich. Um es dennoch an sich zu bringen, schlugen der Angeklagte und der Mitangeklagte nun mit Fäusten und einem von der Wand genommenen Bilderrahmen aus Plexiglas auf den Geschädigten ein. Erst als der Mitangeklagte S., der das Geschehen beenden wollte, vorgab, es nähere sich eine Nachbarin, ließen sie von ihm ab.

2. Das Landgericht ist davon ausgegangen, der Angeklagte sei sich möglicher Wirkungen von Schlägen des Mitangeklagten A. bewusst gewesen. Deswegen habe er auch die Schwere und die Folgen der durch dessen ersten Faustschlag hervorgerufenen Verletzungen billigend in Kauf genommen. Schon wegen der Schwere der Schuld sei daher - ungeachtet ebenfalls bestehender schädlicher Neigungen - die Verhängung einer Jugendstrafe erforderlich. Auch bei deren Bemessung müssten sich die Intensität der Gewalteinwirkung und die erheblichen Folgen der Tat für den Geschädigten erschwerend auswirken.

Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Zwar schloss es der Angeklagte beim Betreten der Wohnung des Geschädigten nicht aus, er oder einer seiner Begleiter werde, wenn der Geschädigte doch Widerstand leiste, bei der geplanten Wegnahme von Gegenständen körperliche Gewalt anwenden. Jedoch ergibt sich nichts dafür, dass der Angeklagte zu dem Zeitpunkt, als der Mitangeklagte A. den ersten Faustschlag führte, davon ausging, eine solche Situation sei eingetreten. Marihuana und Mobiltelefon hatte er bereits an sich gebracht; der Geschädigte hatte es bei verbalem Widerspruch belassen. Zu weiteren, nunmehr gewaltsamen Wegnahmehandlungen im Zusammenwirken mit dem Mitangeklagten A. entschloss er sich erst nach dessen Angriff auf den Geschädigten. Zudem geht das Landgericht bei der Würdigung der Beweise rechtsfehlerfrei auch davon aus, dass Verletzungen dieser Schwere ohne die Verwendung eines die Faust verstärkenden Gegenstandes allenfalls dann zu erwarten gewesen wären, wenn der Schlag mit einer Frakturen der Schlaghand bewirkenden Kraftentfaltung geführt worden wäre. Umstände, die auf die mögliche Benutzung eines solchen Gegenstandes durch den Mitangeklagten A. hindeuten konnten, waren dem Angeklagten indes nicht bekannt.

Danach stellt sich der für die Schädelverletzungen des Geschädigten ursächliche Faustschlag als Exzess des Mitangeklagten A. dar. Zwar hat der Angeklagte den Schlag und seine Folgen nachträglich gebilligt, so dass er ihm nach den Grundsätzen der sukzessiven Mittäterschaft als Mittel der Nötigung bei der anschließend gemeinsam versuchten Wegnahme des Laptop zuzurechnen ist. Dies ändert aber nichts daran, dass ihm das zum Zeitpunkt seines Entschlusses zu den weiteren Tathandlungen bereits beendete Geschehen bei der Strafzumessung nicht mehr als von ihm unmittelbar und schuldhaft herbeigeführt zur Last gelegt werden kann.

Über die den Angeklagten treffende Rechtsfolge ist deshalb neu zu verhandeln und zu entscheiden.

HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 895

Bearbeiter: Christian Becker