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HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 235

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 355/12, Beschluss v. 15.11.2012, HRRS 2013 Nr. 235


BGH 3 StR 355/12 - Beschluss vom 15. November 2012 (LG Kleve)

Anforderungen an die Feststellung des Gehilfenvorsatzes bei untergeordneten Tatbeiträgen.

§ 27 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

Gehilfenvorsatz setzt voraus, dass der Gehilfe die Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen kennt und darüber hinaus in dem Bewusstsein handelt, durch sein Verhalten das Vorhaben des Haupttäters zu fördern (. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist umso eingehender zu prüfen, je untergeordneter sich der Beitrag in Bezug auf die Haupttat darstellt; Bedenken gegen die Annahme eines Gehilfenvorsatzes bestehen insbesondere, wenn der Beitrag des "Gehilfen" für diesen erkennbar für das Gelingen der Tat nicht erforderlich und auch für die Art der Tatausführung ohne Bedeutung war (BGH, Beschluss vom 8. Juni 1988 - 2 StR 239/88, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 4).

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 30. Mai 2012, soweit es ihn betrifft, aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufrecht erhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensrüge kommt es danach nicht mehr an.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der Bruder des Beschwerdeführers, der nicht revidierende ehemalige Mitangeklagte A. D., in einem von ihm im Jahr 2007 erworbenen - nicht bewohnten - Einfamilienhaus in einem Wohngebiet in K. jedenfalls ab dem Sommer 2011 in Räumen im Keller und im ersten Obergeschoss des Hauses eine professionell ausgestattete Marihuanaplantage. Nachdem er eine erste Ernte von mindestens 11,7 kg Marihuana gewinnbringend verkauft hatte, wurden bei der Durchsuchung des Hauses im Dezember 2011 weitere 8,5 kg Marihuana überwiegend an noch nicht erntereifen Pflanzen sichergestellt; die Betäubungsmittel sollten ebenfalls - nach Erntereife - gewinnbringend verkauft werden. Der Angeklagte wusste von der Marihuanaaufzucht seines Bruders. In Kenntnis dieses Umstandes fuhr er regelmäßig zu dessen Haus und führte dort Gartenarbeiten durch, die auch von den Nachbarn wahrgenommen wurden. Dass der Angeklagte auch bei der Aufzucht der Marihuanapflanzen geholfen habe, hat die Strafkammer nicht festgestellt.

2. Die Verurteilung wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen kann keinen Bestand haben, denn es ist nicht belegt, dass der Angeklagte, als er die Gartenarbeiten durchführte, den für eine Beihilfe erforderlichen Vorsatz hatte. Gehilfenvorsatz setzt voraus, dass der Gehilfe die Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen kennt und darüber hinaus in dem Bewusstsein handelt, durch sein Verhalten das Vorhaben des Haupttäters zu fördern (BGH, Urteil vom 26. Mai 1988 - 1 StR 111/88, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 2 mwN). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist umso eingehender zu prüfen, je untergeordneter sich der Beitrag in Bezug auf die Haupttat darstellt; Bedenken gegen die Annahme eines Gehilfenvorsatzes bestehen insbesondere, wenn der Beitrag des "Gehilfen" für diesen erkennbar für das Gelingen der Tat nicht erforderlich und auch für die Art der Tatausführung ohne Bedeutung war (BGH, Beschluss vom 8. Juni 1988 - 2 StR 239/88, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 4).

Nach der vom Landgericht vorgenommenen Wertung lag in den Gartenpflegearbeiten allein deshalb ein Unterstützen der Haupttat, weil der Angeklagte - in Kenntnis der Marihuanaaufzucht - dadurch seinem Bruder geholfen habe, den Schein aufrecht zu erhalten, dass das Grundstück - wenn auch nicht zum Bewohnen - in üblicher Weise genutzt werde. Dass der Angeklagte diese Arbeiten, die für den eigentlichen Betrieb der Plantage im Inneren des Hauses oder für den späteren Absatz der Betäubungsmittel ersichtlich keinen Nutzen hatten, in dem Bewusstsein erbrachte, dadurch die Haupttaten seines Bruders zu fördern, ergibt sich hingegen nicht. Dies versteht sich angesichts der geringen Bedeutung dieses Beitrags für das Gelingen der Haupttat an sich auch nicht von selbst, zumal nach den Ausführungen der Strafkammer unklar bleibt, worin sie die "übliche" Nutzung eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks erblickt - wenn es denn erkennbar nicht bewohnt wird - und warum der Angeklagte angesichts dessen gemeint haben sollte, er werde durch die Gartenpflege zur Aufrechterhaltung des Scheins einer solchen Nutzung beitragen.

Die Sache muss zur Frage des Gehilfenvorsatzes deshalb neu verhandelt und entschieden werden. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen, namentlich zum Vorliegen der Haupttat und zu den Aufenthalten des Angeklagten an und in dem Haus können hingegen bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen sind insoweit zulässig, wenn sie mit den bislang getroffenen nicht in Widerspruch stehen.

HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 235

Bearbeiter: Christian Becker