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HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 10

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 364/11, Beschluss v. 08.11.2011, HRRS 2012 Nr. 10


BGH 3 StR 364/11 - Beschluss vom 8. November 2011 (LG Wuppertal)

Mittäterschaft (Zurechnung; stillschweigende Übereinkunft; Tatplan); Beweiswürdigung; Urteilsgründe.

§ 25 Abs. 2 StGB; § 267 Abs. 3 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 3. Mai 2011, soweit es ihn und den Angeklagten S. betrifft, aufgehoben, die jeweils zugehörigen Feststellungen jedoch nur insoweit, als sie den Plan der Angeklagten betreffen, bei der Ausführung der Tat solle auch ein Messer als Stichwaffe Verwendung finden; im Übrigen bleiben die Feststellungen aufrechterhalten.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Totschlag zu der Freiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten S. hat es wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge eine Jugendstrafe von einem Jahr ausgesprochen, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Revision des Angeklagten K. rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; insoweit ist die Entscheidung gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den nicht revidierenden Angeklagten S. zu erstrecken. Die weitergehende Revision des Angeklagten K. ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Angeklagte K. und der Mitangeklagte T. standen im Streit mit dem späteren Tatopfer Se. Sie beschlossen, Se., der sich zumeist in der Wohnung der Zeugin H. aufhielt, dort aufzusuchen und ihn körperlich zu züchtigen. Der Angeklagte S. schloss sich ihnen absprachegemäß an, um den Eindruck der Übermacht zu erhöhen und im Bedarfsfalle unterstützend einzugreifen. Der Angeklagte K. und der Mitangeklagte T. "waren sich einig", bei dem Angriff auf Se. nötigenfalls auch die von ihnen mitgeführten Messer einzusetzen; der Angeklagte S., der um die Messer wusste, "billigte" auch dies. Auf dem Weg zur Wohnung bewaffneten sich der Angeklagte K. und der Mitangeklagte T. zudem mit zufällig aufgefundenen Holzknüppeln.

Nach Auftreten der Tür drangen die Angeklagten in die Wohnung ein. Der Angeklagte K. drückte den sich ihnen entgegenstellenden Se. mit dem Holzknüppel gegen die Wand und schlug nach kurzem Gerangel mit seinem Klappmesser, das er geschlossen in der Faust hielt, wiederholt auf dessen Kopf und Rücken ein. Sodann veranlasste er den Mitangeklagten T., Se. mit dem Holzknüppel anzugreifen. Indes gelang es Se., den Mitangeklagten T. festzuhalten und abzudrängen. Um sich zu befreien, zog dieser sein Butterfly-Messer hervor und versetzte Se. in rascher Folge insgesamt sieben Stiche gegen die Beine, wovon einer die Arterie des linken Oberschenkels durchtrennte.

Hierauf sank Se. stark blutend in die Hocke und verharrte regungslos. Der Angeklagte K. und der Mitangeklagte T. schlugen nunmehr abwechselnd mit dem Holzknüppel auf ihn ein. Schließlich begannen sie, mit ihren beschuhten Füßen auf den Kopf, das Gesicht und den Hals von Se. einzutreten. Den Tod ihres Opfers als Folge dieser Tritte nahmen sie billigend in Kauf. In der Vorstellung, Se. tödliche Verletzungen zugefügt zu haben, ließen sie nach einiger Zeit von ihm ab und entfernten sich in Begleitung des Angeklagten S.

Se. verstarb kurz darauf an Verbluten. Sowohl die Durchtrennung der Arterie als auch die Tritte, die u.a. zu massiven Hautunterblutungen und Einblutungen in das Weichgewebe führten, waren schon für sich alleine tödlich. Dass die Tritte den bereits durch den Messerstich ausgelösten tödlichen Verlauf noch beschleunigt hätten, konnte das Landgericht nicht feststellen.

2. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge des Angeklagten K. ergibt einen zur Aufhebung des Schuldspruchs nötigenden Rechtsfehler zu dessen Nachteil. Auf demselben sachlichrechtlichen Mangel im Sinne von § 357 Satz 1 StPO beruht die Verurteilung des Angeklagten S.

Das Landgericht hat den Angeklagten K. und S. die Messerstiche des Mitangeklagten T. zugerechnet und sie deshalb (auch) der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) bzw. der Beihilfe hierzu schuldig gesprochen. Es hat festgestellt, der von den Angeklagten vorgefasste Tatplan habe körperliche Verletzungen des Se. mittels der von den Angeklagten K. und T. geführten Messer mit umfasst. Diese Feststellung entbehrt indes einer sie tragenden Beweiswürdigung. Woraus das Landgericht auf eine solche - wenigstens stillschweigende - Übereinkunft der Angeklagten schließt, legt es nicht dar; auch der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe macht dies nicht hinreichend deutlich.

Der neue Tatrichter wird dazu, ob der Einsatz des Messers durch den Mitangeklagten T. vom (bedingten) Vorsatz der Angeklagten K. und S. getragen war, neue Feststellungen zu treffen haben. Die Feststellungen des Landgerichts zur objektiven und subjektiven Tatseite im Übrigen sind rechtsfehlerfrei und können deshalb bestehen bleiben.

HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 10

Bearbeiter: Ulf Buermeyer