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HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 350

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 463/09, Beschluss v. 01.12.2009, HRRS 2010 Nr. 350


BGH 3 StR 463/09 - Beschluss vom 1. Dezember 2009 (LG Hildesheim)

Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe (Verschlechterungsverbot).

§ 55 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Jede Erhöhung einer Freiheitsstrafe ist selbst bei parallelem Wegfall einer Geldstrafe als das schwerere Übel anzusehen; eine solche Erhöhung kann daher einen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot begründen.

2. Ist der Richter bei der nachträglichen Bildung der Gesamtstrafe gemäß § 55 StGB aus diesem Grund gehindert, eine schwerere Rechtsfolge zu verhängen, so bietet es sich an, von der Möglichkeit des § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB Gebrauch zu machen, die Geldstrafe also gesondert aufrecht zu erhalten.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 28. Mai 2009 im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach §§ 460, 462 StPO und eine Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels zu treffen sind.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hatte den Angeklagten durch Urteil vom 1. Juni 2007 wegen Betruges unter Einbeziehung der durch Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 19. Mai 2004 (KLs Js) erkannten Strafen und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat mit Beschluss vom 27. März 2008 das Urteil im Strafausspruch aufgehoben, die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten, im Umfang der Aufhebung die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgericht zurückverwiesen sowie die weitergehende Revision verworfen. Grund für die Aufhebung des Strafausspruchs war, dass das Landgericht die festgestellte Verletzung des Gebots zügiger Verfahrenserledigung in einer der inzwischen geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 52, 124) nicht gerecht werdenden Weise kompensiert hatte.

Nach der neuen Verhandlung hat das Landgericht gegen den Angeklagten unter Einbeziehung der durch Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 19. Mai 2004 erkannten Strafen und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verhängt und ausgesprochen, dass ein Jahr und sieben Monate der Strafe als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer als vollstreckt gelten. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts.

Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zu der wegen Betruges verhängten Einzelstrafe aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Das Urteil kann jedoch im Gesamtstrafenausspruch keinen Bestand haben. Hierzu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:

"Die nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe gemäß § 55 StGB begegnet hingegen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Bei der Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe hat die Strafkammer davon abgesehen, von § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB Gebrauch zu machen und hat die aus dem Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 19. Mai 2004 einzubeziehende Gesamtgeldstrafe in Höhe von 360 Tagessätzen nicht gesondert bestehen lassen. Da die Einbeziehung der Geldstrafe zu einer Erhöhung der Gesamtfreiheitsstrafe führt, begründet dies einen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot (BGH NStZ - RR 1998, 136 m.w.N.; Fischer StGB, 56. Aufl. § 55 Rdnr. 8). Jede Erhöhung einer Freiheitsstrafe - selbst bei Wegfall der Geldstrafe - ist als das schwerere Übel anzusehen (Senat, Urteil vom 21. Mai 1975 - 3 StR 71/75 (S))."

Dem schließt sich der Senat an.

HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 350

Bearbeiter: Ulf Buermeyer