hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 154

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 469/08, Urteil v. 11.12.2008, HRRS 2009 Nr. 154


BGH 3 StR 469/08 - Urteil vom 11. Dezember 2008 (LG Osnabrück)

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (Subsidiaritätsprinzip; Aussetzung zur Bewährung).

§ 63 StGB; § 67b StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Bei den freiheitsentziehenden Maßregeln der Sicherung gilt das Subsidiaritätsprinzip allein für die Frage der Vollstreckung, nicht aber für die Frage der Anordnung.

2. Im Falle der Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit wird die Notwendigkeit einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB nicht durch minder einschneidende Maßnahmen außerhalb des Bereichs der strafrechtlichen Maßregeln aufgehoben.

3. Für die Entscheidung über die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist unerheblich, ob die von dem Angeklagten ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit durch eine konsequente medizinische Behandlung abgewendet werden kann. Auch die Überwachung der Medikation oder die Bestellung eines Betreuers, eines Bewährungshelfers sowie die Erteilung von Bewährungsauflagen und -weisungen, die ohnehin allein die Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe betreffen, sind insoweit ohne Belang. Solche Maßnahmen erlangen erst Bedeutung für die Frage, ob die Vollstreckung der Unterbringung gemäß § 67b StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

Entscheidungstenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 24. Juli 2008 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Nötigung, Bedrohung und Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zur Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hat es abgelehnt. Gegen die Nichtanordnung der Maßregel richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das wirksam beschränkte, vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

Das sachverständig beratene Landgericht hat von der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgesehen, da durch die für die Freiheitsstrafe erteilten Bewährungsauflagen und -weisungen (überwachte ambulante medikamentöse Behandlung der schizoaffektiven Psychose) ein "sicheres anderes Abwehrmittel" die vom Angeklagten ausgehende Gefahr beseitige und die Verhängung der Maßregel unnötig mache. In einem derartigen Fall lasse der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit schon die Verhängung der Maßregel nicht zu; hingegen komme nicht etwa als "milderes Mittel" deren Anordnung bei gleichzeitiger Aussetzung (auch) des Vollzugs der Maßregel zur Bewährung in Betracht. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Entgegen der Auffassung der Strafkammer wird im Falle der Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit die Notwendigkeit einer Unterbringung gemäß § 63 StGB nicht durch minder einschneidende Maßnahmen außerhalb des Bereichs der strafrechtlichen Maßregeln aufgehoben. Bei den freiheitsentziehenden Maßregeln der Sicherung gilt das Subsidiaritätsprinzip allein für die Frage der Vollstreckung, nicht aber für die Frage der Anordnung (h. M.; vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 28 m. w. N.; BGH, Urt. vom 14. Februar 2001 - 3 StR 455/00; Fischer, StGB 55. Aufl. § 63 Rdn. 23 m. w. N.; aA Schöch in LK 12. Aufl. § 63 Rdn. 133 ff.).

Daher ist es für die Entscheidung über die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus unerheblich, ob die von dem Angeklagten ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit durch eine konsequente medizinische Behandlung abgewendet werden kann. Auch die Überwachung der Medikation oder die Bestellung eines Betreuers, eines Bewährungshelfers sowie die Erteilung von Bewährungsauflagen und -weisungen, die ohnehin allein die Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe betreffen, sind insoweit ohne Belang. Solche "täterschonenden" Mittel und Maßnahmen erlangen vielmehr Bedeutung erst für die Frage, ob die Vollstreckung der Unterbringung gemäß § 67b StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann (vgl. Fischer aaO § 67b Rdn. 2 f.).

Die Sache bedarf daher - unter Beachtung von § 246a StPO - zur Frage der Maßregelanordnung neuer Verhandlung und Entscheidung.

HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 154

Externe Fundstellen: NStZ 2009, 260

Bearbeiter: Ulf Buermeyer