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HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 640

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 28/08, Beschluss v. 09.04.2008, HRRS 2008 Nr. 640


BGH 3 StR 28/08 - Beschluss vom 9. April 2008 (LG Wuppertal)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (weitere Begründung einer Verfahrensrüge; rechtliches Gehör); Konfrontationsrecht; Hemmung der Verjährung (Aussetzung eines Zivilprozesses).

§ 44 StPO; § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; Art. 6 EMRK; § 149 ZPO; § 204 BGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - nämlich die Frist zur Begründung der Revision - kommt nicht allein deswegen in Betracht, weil eine Verfahrensrüge innerhalb der Frist zwar erhoben ist, dabei jedoch die gesetzliche Formvorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht gewahrt wurde.

2. Die Aussetzung eines Zivilverfahrens gemäß § 149 ZPO beendet die Hemmung der Verjährung nicht.

Entscheidungstenor

1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Wiederholung einer Verfahrensrüge wird zurückgewiesen.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 22. März 2007 wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Wiederholung der Rüge, das erkennende Gericht sei mit nur zwei Berufsrichtern fehlerhaft besetzt gewesen (§ 338 Nr. 1 StPO, § 76 Abs. 2 GVG), ist unzulässig.

Die Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 StPO) ist nicht versäumt, da das Rechtsmittel fristgerecht mit der Sachrüge und mehreren - zulässigen - Verfahrensrügen begründet worden ist (st. Rspr.; vgl. BGHSt 1, 44; BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 1, 3, 7). Aber auch die in Rede stehende Rüge ist nicht verspätet, sondern allein in einer der gesetzlichen Formvorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genügenden Weise erhoben worden, weil der den Einwand vorschriftswidriger Besetzung zurückweisende Beschluss des Landgerichts nicht mitgeteilt worden ist. Es widerspricht im Übrigen der Systematik des Revisionsverfahrens, in derartigen Fällen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur formgerechten Begründung der Revisionsrüge zuzulassen, nachdem der Revisionsführer durch die Antragsschrift des Generalbundesanwalts (vgl. § 349 Abs. 2 und 3 StPO) von der Formwidrigkeit seiner Verfahrensrüge erfahren hat (vgl. BGH, Beschl. vom 27. März 2008 - 3 StR 6/08). Eine besondere Verfahrenslage, bei der ausnahmsweise zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) eine Wiedereinsetzung unerlässlich ist (vgl. BGHR StPO Verfahrensrüge 8; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 44 Rdn. 7 ff.), liegt nicht vor.

2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der von der Revision in mehrfacher Hinsicht als lückenhaft beanstandeten Beweiswürdigung. Das Landgericht hat die Aussagen der nicht mehr vernehmungsfähigen Geschädigten sorgfältig rekonstruiert, und diese - angesichts der Situation, dass Aussage gegen Aussage stand - einer besonderen Glaubhaftigkeitsprüfung unterzogen. Dabei hat es sich mit den teilweise widersprüchlichen Angaben bei den Vernehmungen befasst, nachvollziehbar eine bewusste oder unbewusste Falschbelastung verneint, und eine Suggestion durch Dritte, vor allem durch Mitarbeiterinnen der Frauenschutzorganisation "S.", ausgeschlossen. Weiterhin hat es die erforderliche Gesamtwürdigung der Beweisergebnisse vorgenommen und bei seiner Überzeugungsbildung bedacht, dass das Fragerecht der Verteidigung in der ersten Hauptverhandlung rechtsfehlerhaft beschnitten worden war.

Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:

a) Rüge der Verletzung des § 24 Abs. 2 i. V. m. § 338 Nr. 3 StPO wegen der Ablehnung des Befangenheitsantrags vom 14. Juli 2006:

Zwar war die Strafkammer fehlerhaft besetzt, als sie den Befangenheitsantrag mit Beschluss vom 17. Juli 2006 durch nur zwei Berufsrichter als unbegründet zurückgewiesen hat. Dies führt indessen nicht zum Erfolg der Rüge, weil mit Beschluss vom 10. August 2006 der Befangenheitsantrag von der Strafkammer in der Besetzung mit drei Berufsrichtern rechtsfehlerfrei zurückgewiesen worden ist. Soweit der Angeklagte hinsichtlich des zweiten Beschlusses beanstandet, einer der an der Entscheidung beteiligten Richter sei unzuständig gewesen, ist die Rüge wegen fehlenden Vortrags zu den Vertretungsregelungen des Landgerichts und eventuellen Verhinderungen von möglicherweise vorrangig zuständigen Richtern unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Eine Verletzung von § 29 Abs. 1 oder § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO ist nach der Zielrichtung der Rüge nicht beanstandet. Auf ihr würde das Urteil wegen fehlender Befangenheit des abgelehnten Richters auch nicht beruhen.

b) Rüge gemäß § 338 Nr. 8 StPO (unzulässige Beschränkung der Verteidigung):

Soweit die Verteidigung beanstandet, ihr Aussetzungsantrag vom 22. August 2006 sei vom Landgericht zu Unrecht abgelehnt worden, ist die zulässige Rüge unbegründet, weil der Beschluss, mit dem der Antrag abgelehnt worden ist, keinen Rechtsfehler aufweist.

c) Rüge, der Schmerzensgeldanspruch sei verjährt (Adhäsionsverfahren):

Die Aussetzung des Zivilverfahrens gemäß § 149 ZPO beendete die Hemmung der Verjährung nicht (vgl. Roth in Stein/Jonas, ZPO 22. Aufl. § 149 Rdn. 13; Palandt, BGB 67. Aufl. § 204 Rdn. 48).

HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 640

Bearbeiter: Ulf Buermeyer