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HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 249

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 275/04, Beschluss v. 21.12.2004, HRRS 2005 Nr. 249


BGH 3 StR 275/04 - Beschluss vom 21. Dezember 2004 (LG Oldenburg)

Vergewaltigung (Gewalt; schutzlose Lage; Begründungsanforderungen); tatsächliche Feststellungen (Darstellung in Urteil).

§ 177 Abs. 1 StGB; § 267 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Es empfiehlt sich aus Gründen der Klarheit und der Übersichtlichkeit, den Sachverhalt geschlossen sowie getrennt von den anderen Teilen des Urteils darzustellen und nicht die getroffenen Feststellungen mit beweiswürdigenden Ausführungen zu vermischen

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 26. Januar 2004 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Vergewaltigung (§ 177 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3, Abs. 2 Nr. 1 StGB) in zwei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, da die Verurteilungen wegen Vergewaltigung rechtlicher Nachprüfung nicht standhalten. Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es somit nicht an.

Nach den Feststellungen nahm der Angeklagte im Fall III. 1. seine zur Tatzeit 12- oder 13jährige Stieftochter auf den Arm und brachte sie in ihr Zimmer.

Dort zog er die Arme des Kindes herunter und vollzog den Beischlaf. Im Fall III. 2. zog der Angeklagte das Mädchen zum Teil aus, warf es auf sein Bett und führte den Geschlechtsverkehr durch.

1. Diese Feststellungen belegen nicht hinreichend die in § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB vorausgesetzte Nötigung durch Gewalt. Diese erfordert regelmäßig, daß der Täter durch eigene Kraftentfaltung das Opfer einem körperlich wirksamen Zwang aussetzt, um damit geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden. Ob das Hochheben und Tragen bzw. das Werfen auf das Bett von dem Mädchen als ein derartiger Zwang empfunden wurde und ob der Angeklagte mit dem Einsatz seiner Körperkraft eine solche Zwangswirkung erzielen wollte, ist nicht festgestellt. Dies versteht sich hier auch nicht von selbst, weil das Landgericht im übrigen festgestellt hat, daß sich das kindliche Opfer gegen andere - vor den abgeurteilten Taten vorgenommene - sexuelle Handlungen nach vergeblichem Widerspruch in der Folgezeit nicht mehr wehrte und "alles" über sich ergehen ließ. Danach mußte der Angeklagte Widerstand nicht erwarten.

Daß das Kind solchen zu irgendeinem Zeitpunkt vor einer der Mißbrauchshandlungen geleistet hat, läßt sich dem festgestellten Sachverhalt nicht entnehmen. Vor diesem Hintergrund bleibt - zumal das angefochtene Urteil im Rahmen der rechtlichen Würdigung jegliche Subsumtion vermissen läßt - im Fall III. 1. unklar, ob das Herunterziehen der Arme des Tatopfers, das grundsätzlich Gewalt im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB sein kann, hier die Voraussetzungen des Tatbestands erfüllt.

Zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB fehlen jegliche Feststellungen. Insoweit ist insbesondere weder eine schutzlose Lage des Opfers noch ein Ausnutzungsbewußtsein des Angeklagten dargetan.

Die für sich gesehen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes unterliegt wegen des Vorliegens von Tateinheit (§ 52 StGB) ebenfalls der Aufhebung (vgl. BGHR StPO § 353 Aufhebung 1).

2. Der am Ende der Beweiswürdigung enthaltene, "zur Vermeidung von Wiederholungen" vorgenommene Verweis auf den Inhalt von Beschlüssen, mit denen das Landgericht im Rahmen der Hauptverhandlung Beweisanträge des Angeklagten beschieden hat, gibt Anlaß zu dem Hinweis, daß das Strafurteil grundsätzlich aus sich selbst verständlich sein muß und die Bezugnahme auf Teile der Akten zur Ersetzung der gebotenen eigenen Sachdarstellung unzulässig ist (§ 267 Abs. 1 StPO; vgl. Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 267 Rdn. 2 m. w. N.). Außerdem empfiehlt es sich aus Gründen der Klarheit und der Übersichtlichkeit, den Sachverhalt geschlossen sowie getrennt von den anderen Teilen des Urteils darzustellen und nicht - wie im angefochtenen Urteil geschehen - die getroffenen Feststellungen mit beweiswürdigenden Ausführungen zu vermischen (vgl. Engelhardt in KK 5. Aufl. § 267 Rdn. 8).

HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 249

Bearbeiter: Ulf Buermeyer