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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 294/03, Beschluss v. 23.09.2003, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 3 StR 294/03 - Beschluss vom 23. September 2003 (LG Bückeburg)

Mittelbare Täterschaft (Abgrenzung zu unmittelbarer Täterschaft; Konkurrenzen); Tatmehrheit beim Betrug; Gesamtstrafenbildung (nachträgliche; Zäsurwirkung).

§ 25 Abs. 1 StGB; § 263 StGB; § 53 StGB; § 55 Abs. 1 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Im Falle mittelbarer Täterschaft bestimmt sich jedoch das Konkurrenzverhältnis mehrerer Gesetzesverletzungen für den Täter ausschließlich nach den seinen eigenen Tatbeitrag betreffenden individuellen Gegebenheiten (BGHSt 40, 218, 238; BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 26).

2. Durch die nachträgliche Gesamtstrafenbildung soll ein Angeklagter, dessen mehrere Straftaten aus irgendwelchen Gründen in verschiedenen Verfahren abgeurteilt werden, nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden, als wenn alle Taten in einem, und zwar dem zuerst durchgeführten Verfahren abgeurteilt worden wären (BGHSt 33, 367, 368).

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bückeburg vom 14. April 2003 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es den Angeklagten E. betrifft.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in drei Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus vier früheren Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Sein Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

Der Schuldspruch wegen Betruges in drei Fällen wird von den hierzu getroffenen Feststellungen nicht getragen.

1. Danach vereinbarten der Angeklagte und der frühere Mitangeklagte G. während der gemeinsamen Haftverbüßung, nach ihrer Entlassung zusammen einen Betrieb zu gründen, der auf dem Gebiet der Kanalsanierung tätig werden sollte. Der - tatsächlich vermögenslose - Angeklagte spiegelte G. vor, er habe 20 Millionen DM geerbt und werde die Finanzierung übernehmen. G., der als Geschäftsführer vorgesehen war, sollte sich über den Abschluß von Gesellschaftsverträgen unterrichten und sich außerdem nach einem geeigneten Wohnhaus für den Angeklagten umschauen. Im August 2001 wurde G. aus der Haft entlassen; in der Folgezeit traf er im Auftrag des Angeklagten "mehrere Vorbereitungsmaßnahmen" für die beabsichtigte Firmengründung und den Hauskauf. Seine Tätigkeit führte im Ergebnis zur notariellen Beurkundung zweier Grundstückskaufverträge, der Errichtung zweier Gesellschaften mit beschränkter Haftung und einer Vollmachtserteilung. Dabei wurden die beurkundenden Notare, die aufgrund der Angaben des gutgläubigen G. den vermögenslosen Angeklagten für zahlungsfähig hielten, in Höhe ihrer Gebührenansprüche geschädigt.

Das Landgericht würdigt das Verhalten des Angeklagten rechtlich als Betrug in drei Fällen. Dabei geht es im Fall II. 2 und teilweise auch im Fall II. 3 der Urteilsgründe, in denen der Angeklagte jeweils selbst vor dem Notar rechtsgeschäftliche Erklärungen zum Zwecke der Beurkundung abgab, von dessen unmittelbarer Täterschaft aus; im übrigen nimmt es wegen der Einschaltung des G. als eines gutgläubigen Werkzeugs des Angeklagten mittelbare Täterschaft gemäß § 25 Abs. 1 2. Alt. StGB an.

2. Dies hält in verschiedener Hinsicht rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) In sämtlichen Fällen kommt nur eine Tatbegehung in mittelbarer Täterschaft in Betracht; denn beim Abschluß der verschiedenen Geschäftsbesorgungsverträge mit den Notaren trat der Angeklagte niemals selbst in Erscheinung. Zum Zeitpunkt der Beurkundung seiner rechtsgeschäftlichen Erklärungen in den Fällen II. 2 und II. 3 hatte der Notar die ihm obliegende Leistung bereits großenteils erbracht; eine Täuschung des Angeklagten über seine Zahlungsfähigkeit bei dieser Gelegenheit hätte deshalb für den Vertragsschluß mit dem Notar nicht mehr kausal werden können.

b) Vor allem belegen die Feststellungen nicht, daß der Angeklagte drei zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB) stehende Betrugstaten begangen hat.

Die drei Geschäftsbesorgungsverträge, die der gutgläubige G. im Auftrag des Angeklagten mit den Notaren geschlossen hat, stellten zwar für sich genommen selbständige Handlungen dar; als mittelbarer Täter ist der Angeklagte auch so zu behandeln, als habe er diese Handlungen eigenhändig verwirklicht. Im Falle mittelbarer Täterschaft bestimmt sich jedoch das Konkurrenzverhältnis mehrerer Gesetzesverletzungen für den Täter ausschließlich nach den seinen eigenen Tatbeitrag betreffenden individuellen Gegebenheiten (BGHSt 40, 218, 238; BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 26). Das Landgericht hat nicht festgestellt, daß dem Abschluß der Verträge mit den Notaren jeweils ein gesonderter Auftrag des Angeklagten an G. vorangegangen wäre. Ein einheitlicher Auftrag des Angeklagten - der in den Fällen II. 1 und II. 3 der Urteilsgründe naheliegt und auch im Fall II. 2 nicht ausgeschlossen werden kann - hätte jedoch die darauf beruhende mehrfache Verwirklichung des Betrugstatbestands zur Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) verbunden. Nach den bisherigen Feststellungen ist es deshalb nicht ausgeschlossen, daß der Angeklagte nur einen Betrug in drei tateinheitlichen Fällen begangen hat.

II.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Im Falle einer erneuten Verurteilung des Angeklagten kommt die Einbeziehung der Einzelstrafen aus den Urteilen des Landgerichts Hannover vom 4. Januar 2000 und vom 16. März 2000, des Amtsgerichts Neustadt am Rübenberge vom 18. Januar 2001 sowie des Landgerichts Hannover vom 13. November 2001 gemäß § 55 Abs. 1 StGB nicht in Betracht. Dem steht die - vom Landgericht übersehene - Zäsurwirkung des Urteils des Landgerichts Hannover vom 4. Januar 2000 entgegen, das auf die Berufung des Angeklagten das Urteil des Amtsgerichts Neustadt vom 15. März 1999 im Strafausspruch abgeändert hat.

Durch die nachträgliche Gesamtstrafenbildung soll ein Angeklagter, dessen mehrere Straftaten aus irgendwelchen Gründen in verschiedenen Verfahren abgeurteilt werden, nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden, als wenn alle Taten in einem, und zwar dem zuerst durchgeführten Verfahren abgeurteilt worden wären (BGHSt 33, 367, 368). Hinsichtlich der Straftaten, die den vom Landgericht einbezogenen Einzelstrafen zugrunde liegen, ist dies das genannte Berufungsverfahren vor dem Landgericht Hannover, weil sämtliche Taten vor Verkündung des Berufungsurteils am 4. Januar 2000 begangen worden waren und dem Berufungsgericht die Bildung einer Gesamtstrafe auch möglich gewesen wäre, da es eine Sachentscheidung zur Straffrage getroffen hat (vgl. hierzu Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. § 55 Rdn. 5). Das Berufungsurteil vom 4. Januar 2000 bildet demnach eine Zäsur mit der Folge, daß für die danach begangenen verfahrensgegenständlichen Taten eine gesonderte Einzelstrafe bzw. eine weitere Gesamtstrafe zu verhängen ist.

2. Sollte der neue Tatrichter nur weniger als drei Taten feststellen können, käme eine Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB nicht in Betracht. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen könnte die Anordnung der Sicherungsverwahrung auch nicht auf die - an sich vorrangige - Vorschrift des § 66 Abs. 1 StGB gestützt werden. Voraussetzung hierfür wäre unter anderem, daß der Angeklagte zuvor bereits zweimal zu einer Einzelfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Zwar haben sowohl das Landgericht Hannover in seinen Urteilen vom 16. März 2000 und vom 13. November 2001 als auch das Amtsgericht Neustadt in seinem Urteil vom 18. Januar 2001 gegen den Angeklagten jeweils eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt; nachdem diese Einzelstrafen aber - wenn auch erst im Wege nachträglicher Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB - in dieselbe Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen worden sind, gelten sie gemäß § 66 Abs. 4 Satz 1 StGB als eine einzige Verurteilung (vgl. BGH StV 1982, 420). Ob der Angeklagte bereits früher einmal zu einer Einzelfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, lassen die Angaben zu seinen Vorstrafen nicht erkennen.

Externe Fundstellen: NJW 2004, 380; NStZ-RR 2004, 9

Bearbeiter: Karsten Gaede