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Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 202/03, Beschluss v. 24.06.2003, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 3 StR 202/03 - Beschluss vom 24. Juni 2003 (LG Aurich)

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (Aussicht auf Therapieerfolg; eigene Sachkunde; Sachverständiger).

§ 64 StGB; 246a StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 4. März 2003 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung und wegen Diebstahls zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte allgemein die Verletzung sachlichen Rechts und beanstandet im einzelnen neben der Strafzumessung, daß die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht angeordnet wurde. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Das angefochtene Urteil hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht Stand, soweit das Landgericht eine Entscheidung über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterlassen hat. Die Prüfung, ob diese Maßregel anzuordnen ist, drängte sich nach den Urteilsfeststellungen auf, weil der Angeklagte seit längerer Zeit von Heroin abhängig ist und der abgeurteilte Diebstahl, dessen Beute der Angeklagte gegen Heroin eintauschte, dazu diente, Betäubungsmittel zur Deckung seines Eigenbedarfs zu beschaffen.

Der Angeklagte konsumiert - mit Unterbrechungen - seit 1997 Heroin. Im Februar 2002 befand er sich zum Zwecke der Entgiftung in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Langen. Diese stationäre Behandlung brach er gegen ärztlichen Rat vorzeitig ab. Ein weiterer Therapieversuch scheiterte, weil der Angeklagte die Entgiftung in demselben Krankenhaus im September 2002 nicht pünktlich zur vereinbarten Zeit antrat, sondern eine halbe Stunde zu spät kam und deshalb abgewiesen wurde. Anfang Oktober 2002 teilte der Angeklagte der Bewährungshilfe mit, alle Therapieversuche seien gescheitert, er nehme weiterhin Drogen, sei unzufrieden mit seiner gegenwärtigen Situation und halte es für das Beste, wenn die Strafaussetzung widerrufen würde. Bis zu seiner Inhaftierung führte die Hausärztin des Angeklagten bei ihm eine Substitutionsbehandlung mit Polamidon durch. Parallel hierzu trank der Angeklagte alkoholische Getränke, vor allem Wodka.

Bei dieser Sachlage hätte das Landgericht mit Hilfe eines Sachverständigen (§ 246 a StPO) prüfen und entscheiden müssen, ob die Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gegeben sind. Nach § 64 Abs. 1 StGB muß diese Maßregel angeordnet werden, wenn der Täter den Hang hat, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, er wegen einer auf seinen Hang zurückgehenden rechtswidrigen Tat verurteilt wird und die Gefahr besteht, daß er in der Zukunft infolge seines Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen darf die Anordnung nur unterbleiben, wenn keine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht (vgl. BVerfGE 91, 1 ff.).

Dies kann dem angefochtenen Urteil trotz der abgebrochenen Entgiftung und des gescheiterten Therapieversuchs nicht entnommen werden, zumal der Angeklagte unter seiner Drogenabhängigkeit gelitten und sich zuletzt freiwillig einer Substitutionsbehandlung unterzogen hat.

Die Frage der Unterbringung nach § 64 StGB bedarf daher unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO) der Prüfung und Entscheidung durch einen neuen Tatrichter. Dem steht nicht entgegen, daß allein der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGHSt 37, 5). Die Teilaufhebung berührt den Strafausspruch nicht. Der Senat schließt aus, daß das Landgericht bei Anordnung der Maßregel geringere Strafen verhängt hätte.

Bearbeiter: Ulf Buermeyer