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Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 55/02, Beschluss v. 03.04.2002, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 3 StR 55/02 - Beschluss vom 3. April 2002 (LG Hildesheim)

Selbständige Prüfung der Verjährung der Einzeltaten bei Tateinheit; strafschärfende Berücksichtigung verjährter Taten; Verbot der Doppelverwertung.

§ 78 StGB; § 46 Abs. 3 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 11. Oktober 2001

a) im Schuldspruch dahin geändert, daß die Verurteilung wegen jeweils tateinheitlich begangenen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen entfällt;

b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in vier Fällen jeweils in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch einer Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf eine- Verfahrensrüge sowie materiellrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat nur den aus der Beschlußformel ersichtlichen Erfolg.

1. Soweit der Angeklagte jeweils auch wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen nach § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB verurteilt worden ist, hindert § 78 StGB die Ahndung. Die Verjährungsfrist für sexuellen Mißbrauch einer Schutzbefohlenen beträgt gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre. Zum Zeitpunkt der ersten verjährungsunterbrechenden Handlung gemäß § 78 c Abs. 1 Nr. 1 StGB, der verantwortlichen Vernehmung des Angeklagten am 27. März 2001, war diese Frist - bei Tatzeiten, die nicht ausschließbar alle in den Jahren 1994 und 1995 gelegen haben (vgl. UA S. 5, 6, 7) - bereits verstrichen. Der Verjährung steht nicht entgegen, daß das Vergehen nach § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB tateinheitlich mit sexuellem Mißbrauch von Kindern zusammentrifft. Auch bei Tateinheit unterliegt jede Gesetzesverletzung einer eigenen Verjährung (BGH NStZ 1990, 80, 81). Dementsprechend war der Schuldspruch abzuändern.

Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben. Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die strafschärfende Berücksichtigung verjährter Taten - in eingeschränktem Umfang - möglich (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 11, 19, 20; BGH, Beschl. vom 10. September 1997 - 3 StR 274/97); auch hätte der Tatrichter das zusätzliche Unrecht, das den rechtsfehlerfrei abgeurteilten Taten gemäß § 176 Abs. 1 StGB - ungeachtet der Änderung des Schuldspruchs - dadurch anhaftet, daß der Angeklagte den sexuellen Mißbrauch gerade an dem ihm anvertrauten Stiefkind beging, bei der Strafzumessung zu dessen Lasten berücksichtigen dürfen (BGH NStZ-RR 1998, 175; BGH bei Pfister NStZ-RR 1999, 322). Hier hat der Tatrichter die tateinheitliche Verwirklichung des § 174 Abs. 1 StGB aber sowohl bei der Strafrahmenfindung als auch bei der konkreten Strafzumessung "maßgeblich zu Lasten des Angeklagten gewertet". Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, daß sich der Fehler auf die verhängten Einzelstrafen und die Gesamtstrafe ausgewirkt hat.

2. Im übrigen hat die Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Bearbeiter: Ulf Buermeyer