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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 395/02, Beschluss v. 19.11.2002, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 3 StR 395/02 - Beschluss vom 19. November 2002 (LG Hannover)

Adhäsionsverfahren (fehlende Eignung); Erstreckung auf einen Mitangeklagten (Ausnahmevorschrift; enge Auslegung; Analogie).

§ 405 Satz 2 StPO; § 357 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Im Sinne des § 405 Satz 2 StPO ist ein Antrag zur Erledigung im Strafverfahren auch dann nicht geeignet, wenn schwierige bürgerlich-rechtliche Rechtsfragen entschieden werden müßten. Das ist bei das internationale Privatrecht betreffenden Problemkreisen regelmäßig der Fall.

2. § 357 StPO findet keine Anwendung, wenn die Aufhebung des Urteils nicht wegen einer Gesetzesverletzung bei der Anwendung des Strafgesetzes erfolgt. § 357 StPO ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Für das Fehlen einer Verfahrensvoraussetzung ist § 357 StPO, jedenfalls soweit die Voraussetzungen des Strafverfahrens als solche in Rede stehen, über den Wortlaut der Vorschrift hinaus anwendbar.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten Paul S. wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 27. Februar 2002 aufgehoben, soweit der Angeklagte als Gesamtschuldner verurteilt wurde, an die Adhäsionsklägerin einen Geldbetrag in Höhe von 166.388,15 US-Dollar zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit dem 14. August 2001 zu zahlen sowie die durch den Antrag auf Entschädigung entstandenen besonderen Kosten und die notwendigen Auslagen der Adhäsionsklägerin zu tragen. Von einer Entscheidung über den Entschädigungsantrag der Adhäsionsklägerin wird abgesehen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die sonstigen durch dieses Verfahren erwachsenen Auslagen trägt jeder Beteiligte selbst.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Diebstahls im besonders schweren Fall" zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Außerdem hat es den Angeklagten gemeinsam mit dem Nichtrevidenten Bohdan S. als Gesamtschuldner verurteilt, an die Adhäsionsklägerin 166.388,15 US-Dollar zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. August 2001 zu zahlen. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Nach den Urteilsfeststellungen der Strafkammer war der Angeklagte als Mittäter an einem Diebstahl zum Nachteil eines Geldtransportunternehmens, der Adhäsionsklägerin, in Fort Myers in Florida (USA) beteiligt; im Zeitpunkt der Tatausführung hielt er sich in Deutschland auf. Das Rechtsmittel hat lediglich Erfolg, soweit es sich gegen den Adhäsionsausspruch richtet. Im übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts, dessen Erwägungen entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keineswegs "absurd" sind, offensichtlich unbegründet.

I. Von einer Entscheidung über den Antrag der Adhäsionsklägerin ist gemäß § 405 Satz 2 StPO abzusehen. Im Sinne dieser Vorschrift ist ein Antrag zur Erledigung im Strafverfahren auch dann nicht geeignet, wenn schwierige bürgerlich-rechtliche Rechtsfragen entschieden werden müßten (Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 405 Rdn. 4; Engelhardt in KK StPO 4. Aufl. § 405 Rdn. 1). Das ist bei das internationale Privatrecht betreffenden Problemkreisen regelmäßig der Fall. So liegt es auch hier:

Schon die Frage, ob auf den Adhäsionsantrag, wie das Landgericht annimmt, deutsches Recht nach Art. 40 Abs. 1 EGBGB anwendbar ist, wirft erhebliche Schwierigkeiten auf. Als Handlungsort im Sinne des Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB kommen nur solche Orte in Betracht, an denen eine tatbestandsmäßige Ausführungshandlung mit Außenwirkung vorgenommen (vgl. BGH MDR 1957, 31, 33; von Hoffmann in Staudinger Art. 40 EGBGB Rdn. 17, 18) bzw. in einen geschützten Rechtskreis - sei es auch nur durch einen Teilakt der unerlaubten Handlung - eingegriffen wird (BGHZ 35, 329, 333). Danach können Orte bloßer Vorbereitungshandlungen nicht berücksichtigt werden und läge der Handlungsort möglicherweise in Florida. Im Falle der Anwendbarkeit deutschen Rechts auf den Adhäsionsantrag wäre im Rahmen des sich nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung richtenden Adhäsionsverfahrens (vgl. BGHSt 37, 261; 37, 263) von Amts wegen auch zu prüfen, ob und inwieweit die von der Adhäsionsklägerin geltend gemachten Schadensersatzansprüche auf eine Versicherung übergegangen sind (BGH NStZ 1988, 237 Nr. 21; BGHR StPO § 405 Satz 2 Nichteignung 1), was wiederum die Prüfung voraussetzt, nach welchem Recht die Frage des Übergangs zu beantworten ist.

Mangels Eignung des Adhäsionsantrags zur Erledigung im Strafverfahren muß die Verurteilung des Angeklagten zur Schadensersatzleistung aufgehoben und von einer Entscheidung über die geltend gemachten Ansprüche abgesehen werden. Eine Zurückverweisung der Sache zwecks Erneuerung des Anschlußverfahrens scheidet aus (BGHR StPO § 405 Satz 2 Nichteignung 2).

II. Die Erstreckung der Aufhebung des Adhäsionsausspruchs auf den Nichtrevidenten Bohdan S. kommt nicht in Betracht. § 357 StPO findet keine Anwendung, weil die Aufhebung des Urteils nicht wegen einer Gesetzesverletzung bei der Anwendung des Strafgesetzes erfolgt. Allerdings hat der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs mit Beschluß vom 3. Juni 1988 (BGH NStZ 1988, 470) in einem Fall, in dem er einen Adhäsionsausspruch mangels eines auf Entschädigung gerichteten Antrags aufgehoben hat, die Aufhebung nach § 357 StPO - über den Wortlaut der Vorschrift hinaus - auf den Nichtrevidenten erstreckt. Der Senat kann offenlassen, ob er dem angesichts des entgegenstehenden eindeutigen Wortlauts des § 357 StPO, der nach allgemeiner Meinung als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist (Hanack in LR StPO 25. Aufl. § 357 Rdn. 3, 15; Meyer-Goßner aaO § 357 Rdn. 1, 2), zustimmen könnte. Denn der 2. Strafsenat hat in seiner Entscheidung maßgeblich darauf abgestellt, daß es - mangels Entscheidungsantrags - an einer von Amts wegen zu prüfenden Verfahrensvoraussetzung fehlt. Das Fehlen einer Verfahrensvoraussetzung, auf das § 357 StPO, jedenfalls soweit die Voraussetzungen des Strafverfahrens als solche in Rede stehen, über den Wortlaut der Vorschrift hinaus nach allgemeiner Meinung anwendbar ist (vgl. Hanack aaO Rdn. 14 m. w. N.), ist aber mit der Nichtbeachtung sonstiger Verfahrensvorschriften - wie hier der Entscheidung im Adhäsionsverfahren ungeachtet der mangelnden Eignung des Antrags zur Erledigung im Strafverfahren - nicht vergleichbar. Aus diesem Grunde weicht der Senat mit seiner Auffassung auch nicht von der Entscheidung des 2. Strafsenats ab und besteht kein Anlaß zu einer Anfrage nach § 132 Abs. 3 GVG.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, § 472 a Abs. 2 StPO.

Externe Fundstellen: StV 2004, 61

Bearbeiter: Karsten Gaede