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Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 278/02, Beschluss v. 26.09.2002, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 3 StR 278/02 - Beschluss vom 26. September 2002 (LG Hannover)

Gesamtstrafe; kurzer Tatzeitraum; Erhöhung der Einsatzstrafe; Summe der Einzelstrafen; Strafzumessung; nachträgliche Gesamtstrafe (keine Bindung an Gründe einer früheren Gesamtstrafenbildung, Begründung einer abweichenden Strafzumessung).

§ 54 StGB; § 267 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 15. März 2002 im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in sieben Fällen unter Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil des Landgerichts Hannover vom 18. Dezember 2000 und Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zur Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.

Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat hinsichtlich des Ausspruchs über die Gesamtstrafe Erfolg. Im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Nach den Feststellungen beging der Angeklagte innerhalb von ca. fünf Monaten insgesamt 20 gleichgelagerte Fälle des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges (§ 263 Abs. 5 StGB) zum Nachteil der Deutschen Telekom AG. 13 dieser Fälle mit einem Gesamtschaden von ca. 607.000 DM waren Gegenstand des Urteils des Landgerichts Hannover vom 18. Dezember 2000, durch das der Angeklagte zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren (Einzelfreiheitsstrafen: zweimal zwei Jahre, einmal ein Jahr und elf Monate, viermal ein Jahr und neun Monate, einmal ein Jahr und sechs Monate, einmal ein Jahr und fünf Monate, zweimal ein Jahr und vier Monate, einmal ein Jahr und drei Monate, einmal ein Jahr und zwei Monate) verurteilt worden war. Bei der Strafzumessung hatte die Strafkammer zugunsten des Angeklagten dessen Geständnis, den kurzen Tatzeitraum von vier Monaten und die gleichartige Tatbegehung berücksichtigt.

Dem angefochtenen Urteil liegen die weiteren sieben Fälle mit einem Gesamtschaden von ca. 394.000 DM zugrunde, für die Einzelfreiheitsstrafen von einmal drei Jahren, einmal zwei Jahren und drei Monaten, zweimal einem Jahr und elf Monaten, einmal einem Jahr und drei Monaten sowie zweimal einem Jahr und zwei Monaten verhängt worden sind. Bei der Zumessung der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren unter Einbeziehung der früher verhängten Einzelstrafen hat die Strafkammer zuungunsten des Angeklagten auf den hohen Gesamtschaden von über einer Million DM sowie die durch die Vielzahl der Fälle und die Art seiner Tatbeteiligung dokumentierte Hartnäckigkeit der Rechtsverletzung abgestellt.

2. Der Gesamtstrafenausspruch hält rechtlicher Überprüfung schon deswegen nicht stand, weil die ungewöhnlich starke Erhöhung der Einsatzstrafe von drei Jahren um vier Jahre die Besorgnis begründet, die Strafkammer habe sich bei der Zumessung der Gesamtstrafe in zu starkem Maße von der Summe der Einzelstrafen leiten lassen (vgl. BGH StV 2000, 254 m. w. N.). Wesentlich kommt hinzu, daß die Strafkammer den sehr engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen den Straftaten nicht erkennbar berücksichtigt hat, der im Regelfall ein enges Zusammenziehen der Gesamtstrafe nahelegt (vgl. BGHR StGB § 54 I Bemessung 2; Schäfer, Praxis der Strafzumessung, 3. Aufl. Rdn. 662 ff. m. w. N.). Alle 20 Straftaten des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges erfolgten nach demselben Schema innerhalb eines kurzen Zeitraums von nur fünf Monaten und betrafen jeweils dieselbe Geschädigte.

Unter den gegebenen Umständen ist das Verhältnis der Straftaten zueinander ein bestimmender Zumessungsgrund, mit dem sich das Landgericht näher hätte befassen müssen, zumal das Urteil vom 18. Dezember 2000 ausdrücklich auf diesen Gesichtspunkt abgestellt hatte und durch die neu hinzugekommenen Taten der Tatzeitraum nur geringfügig ausgedehnt wurde. Die wiederholte Begehung gleichartiger Taten kann auch Ausdruck einer von Tat zu Tat geringer werdenden Hemmschwelle sein (vgl. BGHR StGB § 54 I Bemessung 2, 8).

Daß dies dem Landgericht bei der Gesamtstrafenbildung bewußt war, läßt das Urteil nicht erkennen. Die Erwägung, zum Nachteil des Angeklagten sei die "durch die Vielzahl der Fälle ... dokumentierte Hartnäckigkeit der Rechtsverletzung" zu werten, deutet auf das Gegenteil hin.

Die Feststellungen können aufrecht erhalten bleiben, weil der Gesamtstrafenausspruch lediglich wegen fehlerhafter Wertung aufgehoben wurde. Ergänzende Feststellungen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen, sind zulässig.

3. Da die Gesamtstrafe keinen Bestand haben kann, kommt es auf die von der Revision aufgeworfene Frage nicht an, ob es einen Rechtsfehler darstellt, daß die Strafkammer die - gemessen an der Zahl der hinzugetretenen Einzeltaten und -strafen - deutlich überproportionale Verschärfung der Gesamtstrafe nicht begründet hat. Der Senat sieht aber - auch im Blick auf die neue Verhandlung - Anlaß zu folgendem Hinweis: Grundsätzlich ist der Richter bei der Bildung einer neuen Gesamtstrafe unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer aufzulösenden Gesamtstrafe nur an die Feststellungen des früheren Urteils zu den Einzelstrafen gebunden. Er hat zwar auch deren Strafzumessungserwägungen zu berücksichtigen, dagegen ist er in der eigentlichen Bemessung der Gesamtstrafe frei. Insbesondere besteht keine Bindung an die Gründe einer früheren Gesamtstrafenbildung. Die Bildung der nachträglichen Gesamtstrafe bestimmt sich nach der gemäß §§ 54 Abs. 1 Satz 3, 55 Abs. 1 Satz 1 StGB vorgeschriebenen zusammenfassenden Würdigung der Täterpersönlichkeit und der festgestellten Einzeltaten (vgl. BGHSt 7, 180, 182; Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. § 55 Rdn. 27; Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 55 Rdn. 39).

Der Senat neigt aber zu der Auffassung, daß der Tatrichter, wenn er - wie hier - bei einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung zu einer Verschärfung der aufgelösten Gesamtstrafe gelangt, die in der Zahl und Höhe der neu hinzutretenden Einzelstrafen sowie den sonstigen für die Bildung der Gesamtstrafe bestimmenden Faktoren keine ausreichende Erklärung findet, die Änderung des Bewertungsmaßstabes anzusprechen und hierfür nachvollziehbare Gründe zu nennen hat. Durch eine entsprechende Begründung hätte die Strafkammer auch dem sich aufdrängenden Eindruck entgegenwirken können, das fehlende Geständnis hinsichtlich der jetzt abgeurteilten sieben Taten sei für die außergewöhnliche Verschärfung der Gesamtfreiheitsstrafe mitbestimmend gewesen.

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2003, 9; StV 2003, 555

Bearbeiter: Ulf Buermeyer