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Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 232/02, Beschluss v. 24.09.2002, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 3 StR 232/02 - Beschluss vom 24. September 2002 (LG Oldenburg)

Beweiswürdigung; bedingter Vorsatz; bewusste Fahrlässigkeit.

§ 261 StPO; § 16 StGB

Entscheidungstenor

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 10. Januar 2002 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Brandstiftung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt und ihre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Ihre auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat Erfolg.

1. Die Verurteilung gemäß §§ 306 c, 306 b Abs. 2 Nr. 1, 306 a, 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB hat keinen Bestand, weil den Urteilsgründen nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnommen werden kann, daß sich der Vorsatz der Angeklagten auf die Brandstiftung eines Gebäudes und nicht nur auf eine Sachbeschädigung bezogen hat.

Nach den Feststellungen hatte sich die Angeklagte entschlossen, in ihrer Wohnung ein Feuer zu legen. Sie zündete die Rundecke der Polstergarnitur an, die vor dem als Raumteiler fungierenden Eßtresen stand. Sie vertraute "leichtfertigerweise darauf, daß das von ihr gelegte Feuer nur Sachschaden - wie bei sechs zuvor begangenen Brandlegungen - verursachen und insbesondere nicht vom Wohnzimmer auf das Schlafzimmer, in dem ihr Lebensgefährte schlief, übergreifen würde". Ihr war auch "bewußt, daß das Feuer möglicherweise auf andere Wohnräume übergreifen und die Flammen auch das ganze Gebäude, in dem noch weitere Personen lebten, erfassen konnten. Gleichwohl vertraute sie in bewußt grober Mißachtung der Gefährlichkeit ihres Tuns darauf, daß das Feuer noch rechtzeitig gelöscht werden konnte" (UA S. 9). Tatsächlich stand die Couchgarnitur sofort in Flammen, die dann auf die Profilhölzer des Eßtresens übergriffen. Die Angeklagte erkannte, daß sie das Feuer nicht mehr alleine löschen konnte, und holte Hilfe aus dem Haus herbei. Es gelang aber nicht mehr, das Ausbreiten des Feuers zu verhindern und ihren Lebensgefährten zu retten.

Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Feststellungen die Annahme eines bedingten Vorsatzes, das Gebäude in Brand zu setzen, tragen. Denn wenn das Landgericht seine Überzeugung zum Ausdruck bringen wollte, daß die Angeklagte nicht darauf vertraut hat, das Feuer werde weder das Gebäude noch wesentliche Teile erfassen, ist die zugrunde liegende Würdigung der Beweise nicht frei von Rechtsfehlern. Das Landgericht stützt sich bei der Beweiswürdigung zur subjektiven Seite nämlich maßgebend darauf, daß die Angeklagte bei den vorangegangenen Brandlegungen erfahren hatte, "daß das von ihr entzündete Feuer schnell außer Kontrolle geraten war und es ihr nicht immer möglich war, die Flammen selbst zu ersticken". Gerade die Erfahrungen der Angeklagten können aber gegen die Annahme eines Vorsatzes sprechen, ein Gebäude in Brand zu setzen. Denn in diesen Fällen blieb es ausweislich der Urteilsgründe jeweils bei zum Teil nur geringen Sachschäden. Feststellungen zu über Sachschäden hinausgehenden Schäden am Gebäude oder an wesentlichen Teilen enthalten die getroffenen Feststellungen nicht und können auch den gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO zulässigerweise in Bezug genommenen Lichtbildern nicht entnommen werden.

2. Mit der Aufhebung der die Brandstiftung betreffenden Feststellungen entfällt auch die Grundlage für die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus. Sie war deshalb mit aufzuheben.

Der Senat weist für die neue Hauptverhandlung darauf hin, daß das Landgericht - entgegen der Auffassung der Revision - bedenkenfrei sowohl eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit der Angeklagten angenommen als auch ihre Schuldunfähigkeit ausgeschlossen hat.

Bearbeiter: Ulf Buermeyer